Fußball WM verhilft CDU-FDP Regierung nicht aus dem Stimmungstief

Politiker wollen gerne baden. Nein, nicht im Freibad auf der Liegewiese oder im gechlorten Wasser. Ihr Bad ist eher die Popularitätsschiene im Angesicht des Erfolgs der Sportler. König Fußball ist da besonders willkommen. Die Bilder von der jubelnden protestantischen Pfarrerstochter auf der Tribüne in Südafrika sind noch frisch. Doch die Stimmung gegenüber der CDU-FDP Regierung konnte trotz Fußball WM keine Luftsprünge verzeichnen.

Die Abendzeitung der Nürnberger Ausgabe konstatiert:

,,Schwarz-Gelb kann nicht mal ein kleines bisschen von der Schönwetter- und Public-Viewing-Euphorie im Land profitieren. Die Umfragewerte sind unverändert desaströs: Laut infratest-dimap haben 75 Prozent der Deutschen nur wenig oder gar kein Vertrauen in die Bundesregierung. Peitschte die große Koalition im WM-Jahr 2006 von der freudetrunkenen Bevölkerung unbemerkt die Mehrwertsteuererhöhung durch, gibts für die Regierung heuer keine Verschnaufpause.“

Neben der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16% auf 19% gab es damals auch noch Krankenkassenbeitragserhöhung. Letzteres fiel den Herren Rösler (derzeit Gesundheitsminister) und Co. auch diesmal ein. Das Pseudoetikett Gesundheitsreform wurde gleich in überhektischen Aktionismus frech auf die Mogelverpackung draufgeklebt. Bei der EM 2008 gab es den Beschluss zur Einführung des ELENA-Verfahren. Fußballevents werden also bewußt zum durchpeitschen von diskussionswürdigen Beschlüssen genutzt.

Noch ein Wort zur inszenierten Fußballnähe von Frau Merkel, Ehrenmitglied von Energie Cottbus. Der Chefredakteur von 11 Freunde, Philipp Köster, hat einen lesenswerten Artikel im Tagesspiegel unter dem Titel Merkels verlogene Volksnähe geschrieben. Er verweist auf die Inszenierung vor der Kamera und gespielte Fußballbegeisterung sowie fehlende Authentizität:

,,Wenn es überhaupt etwas gab, das beim rauschhaften 4:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Argentinien negativ auffiel, dann jene Entscheidung des übertragenden Senders ZDF, nach nahezu jedem deutschen Tor zu zeigen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Ehrentribüne jubelte. Hochnotpeinliche Momente waren das für uns arme Zuschauer, vor allem, weil Merkel immer noch nicht gelernt hat, wie man ordentlich jubelt. Anstatt die Faust zu ballen oder die Arme hochzureißen, wie das jeder normale Fan macht, knickt sie ihre Arme im rechten Winkel und verharrt dann in dieser Pose, die man sonst nur aus dem Aufbaukurs Step-Aerobic kennt.“

Alexander Jungkunz nahm sich nach dem Argentinien Spiel im Sonntagsblitz in einem Kommentar ebenfalls Frau Merkel vor und titelte: – Koalition ohne Teamgeist – und sprach gar vom Abstieg der CDU-FDP Regierung.

,,Angela Merkel könnte von der deutschen Nationalelf durchaus einiges lernen für die Arbeit ihres eigenen Teams, das bisher im Gegensatz zu den Fußballern ja eine äußerst durchwachsnee Mannschaftsleistung geboten hat – um im Bild zu bleiben: Ohne eine dramatische Einsatz-Steigerung scheint Schwarz-Gelb kaum mehr vom Abstieg zu retten sein.“

Nun mit dem baldigen Abstieg bin ich mir da nicht so sicher. Kohl wurde bereits 1985 vom Nachrichtenmagazin Der Spiegel abgeschrieben. Geblieben ist er dann letztendlich insgesamt 16 lange Jahre in Regierungsverantwortung. Helmut Kohl bildete quasi Frau Merkel in Sachen Machtinstinkt und Machterhaltung aus. Die nächste Fußball WM ist 2014.

Mit Spanien ist einer der Turnierfavoriten durchgekommen

Was ist eigentlich aus meinen 3 WM Turnierfavoriten geworden? Am 10. Juni schrieb ich hier:

,,Ich lege mich fest. Aus dem Trio Brasilien, Argentinien und Spanien kommt der Weltmeister 2010.“

Die Südamerikaner nahmen sich in ihren jeweiligen Viertelfinal-Spielen nach Rückstand eine intensive Melancholie-Auszeit und kamen aus der Nummer nicht wieder raus. Anders Spanien. Das erste Auftaktspiel verlieren sie gegen die Eidgenossen von Ottmar Hitzfeld um sich danach keine Blöße mehr zu geben. Vor der WM schrieb ich zu Spanien:

,,Bliebe noch Spanien. Amtierender Europameister. 1972 gewann Deutschland die EM ähnlich souverän wie Spanien 2008. Die Spanier sind sehr lange ungeschlagen gewesen (35 Spiele bis zum vorjährigen Halbfinale im Confed Cup) und haben eine souveräne Quali gespielt. Technisch perfekte Truppe. Es muss kein Nachteil sein dass Barcelona und Real in der CL die Segel streichen mussten. Die Mannschaft hat ja bei WM-Turnieren oft enttäuscht. Diesmal kann der ganz große Wurf gelingen. Die Mannschaftsteile greifen prima ineinander und sie haben mit Vicente del Bosque einen gewieften Coach.“

Der große Wurf ist gelungen. Herzlichen Glückwunsch. Der Erfolg ist verdient und auf dem Weg zum Titel wurden unter anderen Portugal, Paraguay, Deutschland und die Niederlande besiegt. Respekt. In den K.o. Spielen kein einziges Gegentor zugelassen und vorne erfolgreich jeweils mit einem Torerfolg agiert. 2010 spielten die Spanier wie eine klassische Turniermannschaft mit überdurchschnittlichen technischen Fertigkeiten und entsprechender Effektivität. Mental stark. 

Spox hat die internationalen Pressestimmen zusammengetragen.

Hinz und Kunz über den Sportmonat Juni

Hinz: Hallo Kunz, wir sind spät dran mit dem Rückblick auf den Sportmonat Juni. So eine Fußball WM bringt einen komplett aus dem Rhytmus.

Kunz: Gemach, gemach mein Hinz. Erzähle mir erst von Deinen echten Sorgen.

Hinz: Ach, Kunz. Heute wieder sehr angriffslustig. Wollen wir in den Rückblick auf den Sportmonat Juni einsteigen?

Kunz: Ja. Sonst laufen uns noch die Leser weg. Herr Ober, zwei Kaffee und den gedeckten Apfelkuchen aus der Vitrine. Schaut gut aus. Danke.

Ein Verlängerter in Wien

© Rainer Sturm: Pixelio 

Hinz: Der Juni stand ja im Zeichen des Königs Fußballs. Vielleicht fange ich erst mit den anderen Höhepunkten wie dem Deutschen Meistertitel der Brose Baskets aus Bamberg, dem hochinteressanten Projekt von Bayern München in der Randsportart  Basketball oder den Nachrichten um Schachgenie Bobby Fischer an und komme am Ende auf die Vorrunde und das Achtelfinale der Fußball WM zu sprechen.

Kunz: Mensch Hinz, Du gehst ja richtig systematisch und strukturiert vor. Hast wohl zuviel Öffentlich Rechtliches Fernsehen geschaut? Unser Kaffee kommt. Danke. Hinz leg einfach los.

Hinz: Die Brose Baskets aus Bamberg zeigen großen Sport und werden Meister.

Kunz: Ein nervenzerfetzendes 72:70 in der Frankenhölle gegen die Frankfurter im 5. Playoff-Finalspiel. Mein Respekt. Der bayrische Ministerpräsident  Seehofer mit Fanschal mittendrin. Die Politiker wissen halt meistens sich in Szene zu setzen. Ich erinnere an den Pokalsieg der Fußballer vom 1. FC Nürnberg 2007. Wer kam damals aus München angereist zu den Gratulationsbildern im Rathaus?

Hinz: Der damalige Ministerpräsident Stoiber.

Kunz: So ist es. Aber zurück zum Basketball. Manager Wolfgang Heyder macht seit Jahren einen riesigen Job in Bamberg.  Heyder ist der Architekt der Bamberger Meisterschaft. In Bamberg, einer wunderschönen Stadt mit ca. 70000 Einwohnern, gibt es seit Jahren nur eine ernstzunehmende Sportart. Basketball. Seine Sponsorenakquise weitet er geschickt über den Regionalrand der Stadt Bamberg aus. Seine Philosophie in der Jugendarbeit und der Umgang mit den Entscheidungsträgern in der Wirtschaft sind exzellent und authentisch. Als die Fußballer von Eintracht Bamberg im Herbst 2006 von höheren träumten, mussten sie feststellen wie stark Basketball bei den Sponsoren der Bamberger Basketballer verankert ist. In Bamberg gibt es faktisch nur die Sportart Basketball.

Hinz: Wolfgang Heyder hat immer einen Plan. Er begrüßt auch das Basketballprojekt von Bayern München.  

Kunz: Ein richtig interessantes Projekt. Die Galionsfigur Dirk Bauermann als Coach verpflichtet zu haben ist ein guter Auftakt. München hat ja eine Monokultur im Bezug auf Fußball. Es ist jedoch über den Tellerrand geschaut worden. Madrid oder Barcelona haben auch sehr erfolgreiche Basketballteams. Das Projekt wird professionell angegangen und verspricht Erfolg.

Hinz: Kommen wir zum Schach. Bobby Fischer , der Hauptakteur des Schachmatch des Jahrhunderts von 1972, ging durch die Presse.

Kunz: Die Schachwelt titelte Bobby Fischer wird exhumiert. Es geht um Geld. Um sehr viel Geld. Das Erbe von Bobby Fischer wird auf 2 Millionen Dollar geschätzt. Jörg Hickl erinnert dabei an die Börse von 3,5 Millionen im RE-Match 1992 von Sveti Stefan gegen Spasskij.  Ich mag solche Geschichten eigentlich nicht.

Hinz: Dann noch etwas erfreuliches. THW Kiel wird zum 16. Mal Deutscher Meister im Handball. Der Apfelkuchen schmeckt wieder himmlisch. Der Kaffee ist frisch geröstet. Ich fühl mich gut.

Kunz: Kiel ist diesmal noch nicht vom Thron gestoßen worden in der Ära nach dem Abschied von Schwenker. Sie haben den Angriff der Konkurrenz abgewehrt. THW Kiel ist weiter eine Marke im Handball.

Hinz: Kommen wir zum Fußball. Was sagst Du zur Vorrunde der Fußball WM. Du magst dieses Vorgeplänkel nicht so.

Kunz: Das zieht sich immer wie Gummi. Das Achtelfinale brachte ja dann dieses Spiel mit dem regulären 2:2 von England. Die Engländer sind um ein klares Tor betrogen worden. Neuer wollte keinen Fairnesspreis. Übungsleiter Löw gab nicht die Anweisung an seine Mannschaft im Gegenzug mit dem nächsten Spielzug durch ein Selbsttor die sportliche Fairness herzustellen. Die anderen Spiele im Achtelfinale haben mich nicht vom Sessel gehauen. Eher Hausmannskost. Lass uns  heute Abend bei Spanien gegen Holland richtigen Fußball schaun.

Hinz: Ich übernehm heute die Rechnung.

Nachdenkenswert #63

,,Ich habe schon genug damit zu tun, Dellings verschachtelten Sätzen zu folgen, damit die für mich Sinn machen. Ich muss mich auch extrem darauf konzentrieren, seine Fragen zu beantworten. Denn die Aussagen müssen sitzen. Präzise und kurz. Ich weiß um die Bedeutung, die das hat. Deswegen kann ich nicht auch noch in die Kamera grinsen. Bei der deutschen Nationalelf versteht der Deutsche ohnehin keinen Spaß. Einer hat mal zu mir gesagt: Dein Fernseherfolg ist mir unbegreiflich. Du sitzt mit einer Steinbeißerfresse da und die Leute mögen dich auch noch. Er hat hundertprozentig Recht.“

Günter Netzer, im Interview mit Gerhard Delling bei Welt Online

Urs Siegenthaler Interview im Tagesspiegel

In der Flut der täglichen Artikel, Meldungen und Nachrichtenströme rund um die WM 2010 ist mir ein sehr lesenswertes Interview im Tagesspiegel mit dem Chefscout der deutschen Nationalmannschaft, Urs Siegenthaler, fast durch die Lappen gerutscht. Vor dem Halbfinale äußerte er sich unter anderen über die Mentalität der Spanier.

,,Schauen Sie sich deren Mentalität an. Wenn ich Spanien besucht habe, ist mir aufgefallen, dass sie sehr korrekt sind. Ich habe 60-, 70-jährige Leute gesehen, die sich an der Hand halten, sie sind sauber gekleidet, sie mögen das Traditionelle, das Königshaus steht noch im Vordergrund. Auch wenn man einen Stierkampf beobachtet: Da geht es viel um ein Gehabe von Stolz. Sie sind nie unfair. Nehmen Sie den FC Barcelona, da gibt es nie ein Skandalspiel, sie spielen, und wenn sie verlieren, dann gehen sie zum Gegner und sagen: Du, wir waren heute nicht gut drauf. Aber dass da mit gestrecktem Fuß reingegangen wird, das sieht man von Spaniern eigentlich nicht. Für Ausraster sind sie zu stolz und zu selbstkritisch.“

Das Interview mit dem Analytiker aus der Schweiz ist gut investierte Lesezeit. Tiefgründige Gedankengänge über den alltäglichen Fußball-Tellerrand hinaus. Der Hamburger SV kann sich auf seine Dienste freuen.

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Nachdenkenswert #62

„Deutschland hat gegen Spanien so gespielt wie gegen England und Argentinien. Das hätte im Halbfinale gegen jede andere Mannschaft gereicht. Nur halt nicht gegen Spanien. Ich persönlich finde es zum Kotzen, dass wir Holländer im Finale nicht gegen Deutschland spielen.“

           Johan Cruyff, Fußballvizeweltmeister 1974, auf spox

Pressespiegel WM zum Spiel Deutschland-Spanien

Die Normalität ist eingetreten. Die spanischen Fußballer  und ihr Trainerfuchs del Bosque haben der Elf von Übungsleiter Löw die Grenzen aufgezeigt. Ein kleiner Blick in den Pressespiegel nach dem Scheitern der Mannschaft im Halbfinale gegen Spanien:

Puyol sein Kopfballtreffer in der 73. Minute brachte die Entscheidung. Die taz titelt Eine große Symphonie des Fußballs und sah nach dem 0:1 folgendes:

,,Die deutsche Maschine war abgestorben. Die Musik wurde ganz leise. Aus einer fußballerischen Symphonie wurde ein Krampfspiel und die Deutschen mussten einsehen, dass gegen eine Mannschaft wie Spanien nichts zu erzwingen ist. Die hohen Bälle in den Strafraum, die am Ende auch Mario Gomez spielte, der für Sami Khedira ins Spiel gekommen war, bedeuteten keine Gefahr.“

Der Tagesspiegel sieht Übungsleiter Löw Nicht am Ende des Wegs, vergleicht Klinsmann mit dem Assistent von 2006 und befindet:

,,Seit vier Jahren trainiert Löw nun das deutsche Team, er weiß um die Erwartungen an das Amt und die Zumutungen, die mit ihm verbunden sind. Während der Halbfinal-Niederlage gegen Spanien konnte man ihm den Druck vom Gesicht ablesen. Ein Bundestrainer von heute ist eine öffentliche Person, bei der selbst die Frage wichtig ist, ob er sich die Haare färbt. Löw, der Fußballfachmann, ist den weichen Themen lange Zeit ausgewichen, vor dem Halbfinale aber hat er vergleichsweise ausführlich über seinen blauen Glückspulli referiert. Löw ist hier längst nicht so verbohrt wie sein Vorgänger Jürgen Klinsmann; er bedient mit einem kleinen Scherz auch mal die Bedürfnisse der Öffentlichkeit nach Unterhaltung.“

Lange hielt Deutschland das 0:0. Die Zeit Online attestiert Spanien Auf der Suche nach den Löchern und dem Torschützen eine bemerkenswerte Hartnäckigkeit:

,,Carles Puyol ist ein hartnäckiger Typ. Das war er schon immer. Es gibt die Geschichte, dass er damals, als er als Nachwuchsfußballer um Aufnahme in die Talentschmiede des großen FC Barcelona bat, immer wieder abgewiesen wurde, und dennoch stets wieder kam. Zu schlecht gehst du mit dem Ball um, sagten die Jugendcoaches, ich will aber doch, sagte Puyol. Irgendwann durfte er dann bleiben, es hat sich gelohnt.“

Die Süddeutsche Zeitung bemerkt die Wucht der Wahrheit und bringt die Personalie Müller ins Spiel:

,,Vielleicht hätte aber auch Müller die Wucht des Ereignisses ergriffen, der Respekt vor dem großen Gegner. Die elf DFB-Spieler auf dem Platz in Durban erinnerten jedenfalls kaum an die breitbrüstigen Energiefußballer aus den erhebenden Siegen gegen England und Argentinien. Die Spanier, die mit sechs Akteuren vom FC Barcelona begannen, zogen ihr dominantes Passspiel auf, sie attackierten die Deutschen im Aufbauspiel und erreichten damit fast während der gesamten 90 Minuten ein Übergewicht.“

Zum Schluß der kleinen Rundreise durch den Pressespiegel kommt die FAZ zu Wort und titelt Vor der Abwehr gefesselt und wirft ein Auge auf Bastian Schweinsteiger: 

,,Es war die Saison, es war bisher auch die Weltmeisterschaft des Bastian Schweinsteiger. Aber es war nicht sein Halbfinale. Im großen Duell der Regisseure ist der Münchner in der zweiten Halbzeit gegen Spanien zum Statisten gemacht worden, während Xavi das Zepter schwang. Als der Chef der Spanier seinem Abwehrchef Carles Puyol den 1:0-Siegtreffer per Ecke auf den Kopf legte, konnte Schweinsteiger nur noch einen deftigen bayrischen Fluch loswerden, für den man keinen Lippenleser benötigte.“

Deutschland gegen Spanien oder ein Gespür für den Ball

Udo Lattek hatte Tränen in den Augen. Ein ganz bitterer Abend. Das Filetstück des spanischen Fußballs, der FC Barcelona, hatte gerade das Prunkstück der Bundesliga zerlegt. Die Anzeigetafel zeigte nach 90 Minuten ein desaströses 4:0 an. An der Seitenlinie ein ratloser Vereinstrainer-Novize Klinsmann. Mark van Bommel (Herzlichen Glückwunsch übrigens zum Einzug ins Finale) schüttelte den Kopf und sagte nach dem Spiel in Barcelona:

,,Wenn wir angegriffen haben, waren sie immer schon weg – wie sollten wir da in die Zweikämpfe kommen.“

Ein Jahr vorher im Sommer 2008 gab es ein Endspiel der Europameisterschaft in Wien. Die spanische Nationalmannschaft gewann „nur“ 1:0. Klingt nach einer knappen Niederlage der Löw Elf. Die Überlegenheit von Spanien war wesentlich höher. Ein wenig Flauschcontent im Rückblick, selbst auf die Gefahr hin Mehmet Scholl zu nerven (er mag die Musik nicht).

Spanien wechselte nach dem EM Sieg planmäßig den Coach. Der neue Trainer ist der renommierte Vicente del Bosque. Er führte den Europameister souverän durch die WM Qualifikation. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung verweist er auf die Frischzellenkur der deutschen Mannschaft seit 2008.

 «Deutschland hat seine Mannschaft seit Juni 2008 praktisch zu 50 Prozent erneuert, mit Spielern wie (Thomas) Müller, (Jérome) Boateng, der Torwart, Özil. Es ist eine neue Mannschaft. Die Nachwuchsarbeit hat Früchte getragen. Deutschland hatte, seit wir es kennen, immer diesen Wettbewerbsgeist, aber jetzt gab es noch einen wesentlichen Fortschritt.»

Sportme titelt Deutschland gegen Spanien: Wer macht uns den Müller im WM-Halbfinale? und verweist auf die Barcelona Achse der Spanier und die verloren gegangene Dominanz von 2008.

,,Gegen die kombinationsstarken Spanier wird vor allem in der Defensiv-Arbeit viel Konzentration gefordert sein. Jede Unaufmerksamkeit kann von den Männern um Xavi und Iniesta genutzt werden. Die Spanier sind im Gegensatz zum DFB-Team noch nahezu dieselben wie vor zwei Jahren. Die Barcelona-Achse Pique-Puyol-Xavi-Iniesta flößt mit Sicherheit jedem Gegner respekt ein. Doch im Gegensatz zu 2008 dominieren die Spanier nicht. Die Auftaktpartie wurde blamabel gegen die Schweiz verloren und auch in den restlichen Spielen erinnerte nur wenig an den alten Glanz. Vor allem Fernando Torres enttäuschte und muss nun um seinen Platz in der Starelf bangen.“

Der Kaisergrantler befindet: Der wahre Held der WM – Louis van Gaal und verweist auf die Vorarbeit des Bayern Coach für Übungsleiter Löw. Stichwort Müller, Schweinsteiger und Lahm. Er legt auch das nötige Selbstbewußtsein an den Tag:
,,Es wird mal wieder Zeit etwas bayerische Arroganz an den Tag zu legen. Ist ja kaum noch auszuhalten, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl. Kleiner Spaß. So eine WM kann für einen “verhassten” Bayern-Fan ganz angenehm sein. Ich bin aber auch froh, wenn es wieder in die alte Bayern-Sparte geht. Am liebsten als Weltmeister.“

DFB-Team will Feuerwerk gegen Spanien entfachen titelt Zeit Online und  druckt einen Artikel vom Sportinformationsdienst.

,,Die Störfeuer ignorieren, ein Feuerwerk entfachen, ins Endspiel einziehen: Die deutsche Nationalmannschaft will ungeachtet der von Philipp Lahm losgetretenen Diskussion um die Zukunft von Michael Ballack sportlich weiter für Schlagzeilen sorgen und auf ihrem Weg zum vierten Stern auch den vorletzten Schritt erfolgreich bewältigen. Der Machtkampf um die Kapitänsbinde und die Chefrolle in der DFB-Auswahl in der Zeit nach Südafrika soll deshalb im WM-Halbfinale heute (20.30 Uhr/ARD und Sky live) in Durban gegen Europameister Spanien kein Thema sein.“

Apropos Störfeuer und die unsägliche Diskussion um die Kapitänsbinde mit den Personalien Lahm/Ballack. 11 Freunde verweist im Artikel Der falsche Souffleur auf die Wortmeldung von Lothar Matthäus zum Thema:

,,Ausgerechnet Matthäus, der Marathon-Deutsche, der ewige Libero, der wahrscheinlich noch 2006 den Sommermärchenonkel gegeben hätte, wäre er nur gefragt worden, hat sich in der Debatte um die Zukunft Ballacks zu Wort gemeldet: Seine Zeit sei vorbei, er solle sich lieber auf Leverkusen konzentrieren. Auf einen ruhigen Lebensabend. Mit Blick auf den Rhein.“

Der Stern bemüht in einem Check Aberglauben, Fakten und Zahlen und nimmt sich auch der Kleiderordnung von Übungsleiter Löw an.

,,Jogi Löw wird wieder seinen Vier-Tore-Pulli tragen. Den 299 Euro teueren Kaschmirstrick hatte er beim 4:0 gegen Australien sowie beim 4:1 gegen England und beim 4:0 gegen Argentinien an. Damit das Oberteil seine volle Wirkung entfalten kann, zwingen Oliver Bierhoff, Hansi Flick und Andreas Köpke ihren Chef dazu, den Pullover nicht zu waschen.“

Schaun wir. Noch 10 Stunden und 30 Minuten bis zum Anpfiff. Dann zeigt sich wer das größere Gespür für die Kleidung, den Ball und den historischen Moment hat. 
 
Peter Blaumann von der Schaumburger Zeitung hat sich unters Volk gemischt und nach den Tipps gefragt. Thomas Zimmermann, Rentner aus Bad Eilsen beruft sich bei seiner Prognose auf eine Tennisqueen:
 „Ich halte es mit Steffi Graf. Die tippt auf einen 2:0-Sieg für Deutschland. Im Finale gegen Holland werden wir den Endspielsieg von 1974 wiederholen.“ 

Harald Schmidt und andere Stimmen zur WM 2010

Noch 4 Spiele und die monetären Festspiele der Firma sind dann auch schon wieder Geschichte. Die Zeit rast. Wer ist noch im Topf? Schau an, die Mannschaft aus Uruguay mit dem Europa League Sieger Forlan, die Niederlande mit der Bayern Fraktion Robben und Co. , der Europameister Spanien mit Villa und die 8 Bayern München Spieler mit ihren Spielkameraden aus Deutschland.

Der frecheste Intellektuelle Deutschlands, Harald Schmidt, erzählte einst die Franz Beckenbauer Story und erklärte anhand der Playmobil Figuren auch die Geschehnisse des großen Duells 1974 mit König Johan aus den Niederlanden. Schmidt hat sich kürzlich in seiner wöchentlichen Kolumne im Focus in der Ausgabe Nr. 25/10 auch zum so gerne propagierten Sommermärchen in Deutschland geäußert.

,,In diesen Tagen ist der Mittelstand wieder besonders gut zu erkennen. Er hat Fähnchen am Auto. Weil er sich die bald nicht mehr leisten kann, hat er Statuspanik. Falls nicht, ist er voll ausgerüstet beim Public Viewing. Perücke, Fanhut, Flagge – 100 Euro kommen da schnell zusammen. Aber das war, bevor das große Wegbrechen begann. Da legte sich der Mittelstand noch mal schwer ins Zeug, um ein picobello Sommermärchen zu inszenieren. Ein Wunsch der scheidenden Regierung. Ein fröhlich dekorierter Mittelstand ging ihr über alles. Der eigenverantwortliche Bürger auf der Fanmeile zeigte auch dem Ausland: Da schau her, Ausland, wir sind wie du! „

Noch ein Wort zum Ausscheiden der Maradona Elf. Argentinien weint. Die Tränen sind echt. Diego Maradona konnte 24 Jahre nach dem Triumph von Mexiko im Aztekenstadion dem argentinischen Volk keinen weiteren WM Titel schenken. Adios Argentina

Doris Akrap hat in der taz eine Liebeserklärung an Diego Armando Maradona geschrieben:

,,Mit Diego Maradona verliert die WM ihren glamourösen Superstar. Das war er, trotz des 0:4 im Viertelfinale. Denn Götter scheitern ohne Ehrentreffer. Glam ist nicht, wenn der Anzug perfekt sitzt. Glam ist, wenn das ganze Ensemble ein bisschen verrutscht ist. Maradonas Anzug saß überhaupt nicht, aber dafür alles andere. Ob am Spielfeldrand, auf der Pressekonferenz oder im Training – diese WM hatte nur einen glamourösen Superstar, und das war, nach dem Ende des Heldenfußballs, kein Spieler, sondern ein Trainer: er, Diego Armando Maradona. Mit dem Ausscheiden Argentiniens verliert das Turnier die absolute Leidenschaft, das beste Entertainment, die große Show, ja das Gesicht.“

Welche Show ist heute beim Spiel Niederlande gegen Uruguay zu erwarten? Der 63-Jährige Nationaltrainer der Südamerikaner, Oscar Tabarez, schwärmt von der deutschen Nationalmannschaft und freut sich auf das heutige Halbfinale:

,,Es ist eine Party, zu der wir gar keine Einladung haben. Aber wir können die Party sprengen.“

Schaun wir.  Das letzte Halbfinale bestritt Uruguay 1970 in Mexiko gegen die brasilianische Wunderelf um Pele. Nach der Niederlage gegen Brasilien fand sich Uruguay im Spiel um Platz 3 gegen Deutschland wieder. Das damalige Duell um die Makulatur-Platzierung gewannen die deutschen Fußballer.

Nachdenkenswert #61

,,Auf die Uhr habe ich nicht geschaut, aber richtig, die Kanzlerin wollte uns ein paar Punkte sagen. Dass sie schwer begeistert gewesen ist von unserem Spiel. Sie hat uns erzählt von ihrem Besuch vor dem Spiel in einem Township. Dort hatte sie viele Kinder getroffen, die ihr alle gesagt haben, dass Argentinien das Spiel gewinnen wird, wegen Messi! Sie hat den Kindern darauf geantwortet, dass sie für Deutschland ist. Und das zu Recht und mit Stolz, wie sie uns sagte, weil wir als eine tolle Mannschaft aufgetreten sind.“ 

Peer Mertesacker, Innenverteidiger, im Interview mit 11Freunde