Fußball-WM 2014: Meine Tage mit Übungsleiter Löw (6)

Fußball-WM 2014: Meine Tage mit Übungsleiter Löw (6)

Manch begeisterter deutscher Fußballfreund war beim letzten Weltmeistertitel noch gar nicht geboren. Es ist eine gefühlte Ewigkeit her. Jener Titel 1990 unter der Führung von Teamchef Franz Beckenbauer. Auch am 74er Titel war der einstige Weltklasselibero entscheidend beteiligt. Kapitän einer Mannschaft, die sich nach dem 0:1 gegen die DDR keine Blöße gab. Dank der Umstellungen nach der Niederlage die auch der meinungsstarke Beckenbauer vornahm. Trainer Helmut Schön ließ ihn gewähren. Doch diese Geschichte erzähle ich zu gegebener Zeit in aller Ausführlichkeit. Dann war dann auch noch das Wunder von Bern vor 60 Jahren.Traveler Digital Camera

Heute greifen die letzten vier Mannschaften in die Fußball-WM ein. Belgien, Algerien, Russland und Südkorea in Gruppe H. Kommt Übungsleiter Löw mit Deutschland weiter, die ersten 3 Punkte wurden souverän gegen Portugal eingefahren, wird es im Achtelfinale eine Begegnung mit einer der vier genannten Teams geben. 18.00 Uhr treffen Geheimtipp Belgien und Algerien in Belo Horizonte aufeinander. Der Schauspieler und Fußballfreund Heiner Lauterbach in der gestrigen Montagsausgabe im Südkurier:

,,Ich glaube es gibt sechs, mit Belgien sieben Mannschaften, die Weltmeister werden können.“

Die Belgier haben mit Marc Wilmots einen Trainer, der in der Bundesliga bei Schalke seine Spuren hinterlassen hat. In den diversen Vorschauheften auf die WM wurde Belgien immer wieder genannt, wenn es um das Team ging, welches mit dem größten Überraschungspotenzial ausgestattet ist, die Etablierten zu ärgern. Die Profis spielen bei namhaften europäischen Vereinen, scheinen eine smarte Art drauf zu haben, die in einem Turnier durchaus sehr weit führen kann. Man wird sehen. Mir haben sie in der Vorbereitung beim Sieg gegen Schweden (allerdings ohne Ibrahimovic) gut gefallen. Algerien ärgerte einst Deutschland bei der WM 1982. Der afrikanische Kontinent wartet immer noch auf den ersten Einzug einer Mannschaft in ein WM-Halbfinale.

Auftaktsieger Brasilien und Mexiko treffen aufeinander, hoffentlich mit besserem Schiri

Dann steigt heute auch die zweite Partie von Gastgeber Brasilien. Kontrahent in Fortaleza ist Mexiko. Beide Mannschaften haben ihre Auftaktspiele gewonnen. Der beim vorjährigen Confed-Cup überzeugende WM-Favorit Brasilien brauchte einen Elfmeter gegen Kroatien, den nur sehr wenige Schiedsrichter gepfiffen hätten. Eröffnungsspiele, dies zeigt ein Blick in die Historie, sind selten spielerisch überzeugende Leckerbissen gewesen. Am Ende eines Turnieres fragt keiner mehr groß danach. Manch Weltmeister biss sich in eine WM herein. Bestes Beispiel Italien 1982. In der Vorrunde nur 3 mühsame Unentschieden und sehr glücklich durch das Torverhältnis gegenüber Kamerun weiter. Später Siege gegen Argentinien, Brasilien und Deutschland und der Titel. Brasiliens heutiger Gegner Mexiko bekam zwei Tore durch den wenig überzeugenden Schiri nicht zugesprochen, gewann gegen die Elf aus Kamerun mit Bundesligaurgestein Volker Finke in der afrikanischen Coaching-Zone trotzdem.

Der Ausrichter der WM 2018 trifft auf den Gastgeber der WM 2002

24.00 Uhr messen dann Russland und Südkorea ihre Kräfte. Der russische Fußball hat es durch die geopolitischen Veränderungen nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht einfach gehabt. 1988 stand die Mannschaft noch im Finale der Europameisterschaft gegen das grandiose Team der Niederlande. 2018 richtet Russland die Fußball-WM aus. Putins Akquise-Power, gepaart mit monetärer Wucht beschert dem Land nach den olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi einen weiteren weltsportlichen Höhepunkt. An der Seitenlinie der russischen Elf steht mit Fabio Capello ein renommierter Trainer. In der Qualifikation ließ man Portugal hinter sich und bekam in 10 Spielen nur 5 Gegentore. Gegner Südkorea schaffte es bei der eigenen Heim-WM 2002 bis in das Spiel um Platz 3. Im Halbfinale hatte Deutschland Mühe und Michael Ballack holte sich jene verhängnisvolle gelbe Karte, die ihn nur die Zaungastrolle beim Endspiel gegen Brasilien bescherte. Leverkusens Spieler Heung-Min Son ist einer der Hoffnungsträger in der Mannschaft von Trainer Myung-Bo Hong. Der smarte 45-Jährige Coach ist mit 136 Länderspielen der Rekordnationalspieler Südkoreas und leitet die Geschicke der Mannschaft seit dem 27. Juni 2013.

Belgien – Algerien

Dienstag, 17. Juni, 18.00 Uhr, Belo Horizonte, im ZDF

Brasilien – Mexiko

Dienstag, 17. Juni, 21.00 Uhr, Fortaleza, im ZDF

Russland – Südkorea

Dienstag, 17. Juni, 24.00 Uhr, Cuiaba, im ZDF

Thomas Richter setzt sich mit dem Hintergrund zu Garri Kasparows Interview auseinander

Garri Kasparow hat bereits längere Zeit nicht mehr mit spektakulären Schachpartien für Schlagzeilen gesorgt. Eher seine politisch motivierten Interviews sorgen für Diskussionsstoff. Thomas Richter hat sich mit dem umstrittenen Kasparow Interview während der olympischen Spiele in Sotschi und dessen speziellen Hintergrund auf dem Schach-Ticker auseinandergesetzt. Stell Dir vor es gibt ein Kasparow Interview und keine deutsche Zeitung will es drucken. Thomas Richter dröselt die Faktenlage auf und verweist unter anderen auf die offenen Engländer:

,,Am späten Nachmittag schickt Reitschuster das Interview dem Guardian, der es sofort übersetzt und auszugsweise im Internet publiziert.“

Die deutsche Zeitungslandschaft reagiert dann und negiert das Interview nicht. Schachfreund Richter weiter:

,,Danach wird das Interview tags darauf (doch) von deutschen Medien erwähnt. Zumindest die Bild-Zeitung (“Ex-Schachweltmeister ledert los. Kasparow vergleicht Putin mit Hitler 1936”), die Berliner Morgenpost (offenbar ähnlich, aber dieser Artikel ist im Internet gebührenpflichtig) und laut ‘Lopend Vuur’ auch Focus Online – sinngemäss aus dem Niederländischen zurück übersetzt: “Kasparow entgleist verbal und beschimpft Putin mit einem bösartigen Vergleich”. Dieser Artikel steht offenbar nicht mehr im Internet. Die Bild-Zeitung verlinkt auch das Original im Guardian.“

Interessant auch das P.S. von Thomas Richter in seinem meinungsstarken Artikel.

Jens Weinreich geht der Frage nach: Wer regiert den Weltsport?

Langsam wird das Wetter wieder besser. Bayern München hat sich nicht den optimalen Zeitpunkt für das feiern vom Triple in der bayerischen Landeshauptstadt ausgesucht. Kein Kaiserwetter wie bei der WM 2006 mit Bundestrainer Klinsmann. Kein meteorologischer Schmusekurs wie einst bei der emotionalen Balkonfete mit Louis van Gaal im Jahr 2010. Während in Deutschland die letzten Tage teilweise bindfadenartige Regenfälle und Kälte auch einer Segelregatta am Bodensee zu schaffen machte, gibt es interessanten Lesestoff aus St. Petersburg. Jens Weinreich hat eine journalistische Schwerstarbeit hingelegt und powert vom Sportaccord-Kongress auf seinem Kultblog.

Der beharrliche und konsequente Grimme Online Award Preisträger von 2009 geht der Frage nach: Wer regiert den Weltsport? Teil 1: Wladimir Putin, Marius Vizer und Scheich Ahmad  Al-Sabah. Jens Weinreich hat die Geschichte um Macht, monetäre Zuteilungen, ringen um die olympische Sportart Ringen, prognostizierte und dann auch eintreffende Wahlergebnisse, Umarmungen der speziellen Art und noch viel mehr geschickt aufgedröselt. Er packt all die Namen und Verbindungen in eine atemberaubende Bildgeschichte. In Deutschland können dies nicht sehr viele. In dieser Komplexität, der hartnäckigen Berichterstattung und schonungslosen Offenlegung der Funktionärswelt auf dem Gebiet des Sports ist Jens Weinreich vielleicht sogar mit einem Alleinstellungsmerkmal in Deutschland ausgestattet.

Pressespiegel zur Fußball-WM 2018 und 2022: FIFA vergibt WM erstmals nach Russland und Katar

Meine ersten Erinnerungen an den russischen Fußball rühren von Erzählungen meines Vaters, meines Onkels und Opas bei Geburtstagsfeiern. Es fiel dabei immer ein Name. Lew Jaschin. Ein Weltklassetorwart. Der schwarze Panther.

Einst sagte Bayern München Torwart Sepp Maier, Weltmeister von 1974, über sein Vorbild Lew Jaschin: 

„Ich klebte damals, als Kind, oft an der Schwarzweißmattscheibe und beobachtete ihn wie gebannt. Sein Verhalten war einzigartig im Fußball und der Grund dafür, dass ich Torwart geworden bin.“

Die Niederländer um Johan Cruyff werden sich noch nachträglich bedanken. In der 2. Halbzeit in München brachte Maier die Mannschaft unseres Nachbarlandes förmlich zur Verzweiflung. Jaschin selber blieb ein Weltmeistertitel verwehrt. Ein paar Sequenzen von Lew Jaschin gibt es hier:

Doch zurück zur Neuzeit. Der 2. Dezember 2010 wird in die russischen Geschichtsbücher des Fußballs eingehen. Den Zuschlag für die WM 2018 erhielt Russland. In der Süddeutschen Zeitung befinden die Sportjournalisten Kistner und Kneer in Ihrem Artikel FIFA: WM-Vergabe Sepp Blatters doppeltes Spiel:

,,Für Blatter war die Veranstaltung eine Flucht nach vorne: Mal wieder von diversen Affären belastet, ist ihm nach innen ein bemerkenswerter Befreiungsschlag gelungen. Mit der Kür Russlands sicherte er sich ein üppiges Stimmenpaket, das er dringend braucht, wenn er sich im Mai 2011 zur Wiederwahl stellt. Knapp zwei Dutzend Voten aus Osteuropa und den ehemaligen Sowjetrepubliken könnte ihm Putins legendärer Einfluss auf die Sportwelt bescheren.“

Putin hatte bereits die Olympischen Winterspiele 2014 an Land gezogen. Neben Russland für 2018 erhielt Katar den Zuschlag für 2022. Beim Thema Fußball und Katar kann ich mit keiner kleinen Episode aus den Erinnerungen an die Familienfeiern dienen. C.Sydow schreibt auf dem Blog Naher und Mittlerer Osten:

,,Schon in den Tagen vor der FIFA-Entscheidung hatte sich angedeutet, dass die Bewerbung vom Golf das Rennen machen würde. Bei den englischen Buchmachern avancierte Katar in der letzten Woche zum klaren Favoriten und ließ die hochgehandelten Amerikaner weit hinter sich. Auch die einheimische Presse zeigte sich vorsichtig optimistisch. »Tag der Entscheidung und des Sieges für Katar, so Gott will!«, titelte das Blatt al-Rayah am Donnerstag. Die Konkurrenz von al-Watan verwies auf Pressestimmen aus aller Welt, die Katar die beste aller Bewerbungspräsentationen bescheinigten.“
Zur Vergabe gibt es eine Reihe von kritischen Stimmen. Die Deutsche Welle schreibt unter dem Titel Farce um FIFA-WM-Vergabe:
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,,Die Freude ist riesig in Russland und Katar. Beide Länder haben von der FIFA den Zuschlag für die Weltmeisterschaften 2018 bzw. 2022 erhalten und dürfen nun am Milliarden-Geschäft Fußball-WM partizipieren. Großer Verlierer ist hingegen der Fußball-Weltverband. Er hat in den vergangenen Tagen einen enormen Imageverlust erlitten. Transparenz und Glaubwürdigkeit blieben rund um die skandalträchtige Wahl der FIFA-Exekutive, der Fußball-Weltregierung sozusagen, auf der Strecke.“

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Roland Zorn nimmt sich in der FAZ des Themas Kühlbox im Wüstensand an und widmet sich dem uralten Thema der Beziehungspflege:
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,,Neun Arenen werden bis 2022 aus dem Wüstensand gestampft sein; dazu möchten die Organisatoren die WM-Arenen, die WM-Trainingsplätze und die Fanzonen klimatisieren. Am Geld dazu fehlt es nicht, wohl aber am Glauben, dass ein kleines Land wie Qatar sich in eine einzige Kühlbox verwandeln und ein Riesensportereignis wie eine WM stemmen kann. Da Fifa-Vizepräsident Mohamed Bin Hammam zu den einflussreichsten Fußballfunktionären der Welt zählt und als jemand gilt, der auch auf Blatter mächtig einwirkt, haftet dieser Wahl nach einer Woche der Korruptionsaffären auch noch ein Hautgout der besonderen Art an.“

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Spiegel Online hat unter anderen Reaktionen von Regierungschef Putin, Katars Staatsoberhaupt  Mohammad bin Hamad al-Thani, Australiens Premierministerin Julia Gillard, Prinz William, David Beckham, Barack Obama, Oliver Bierhoff, Theo Zwanziger gesammelt. Hier geht es zu den Stimmen.
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Was bei der Stimmensammlung von Spiegel Online auffällt: Amerikas Präsident ist kein guter Verlierer. Obama musste nach der Niederlage voriges Jahr in Kopenhagen in Sachen Olympische Spiele eine weitere sportpolitische Verlustaktion bei der Bewerbung um ein Großereignis hinnehmen. Ein wenig mehr Gelassenheit und Fair Play wäre wünschenswert.
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