Nachdenkenswert #198

,,Eigentlich lief ich ja die Mittelstrecken und war hier auch erfolgreich, vor allem beim Hindernislauf über die 3000-m-Distanz. Meine heimliche Liebe galt jedoch schon immer dem Marathon. Der Äthiopier Abebe Bikila war mein Idol von Kindesbeinen an. 1974 dann das Aha-Erlebnis: Ich nutzte den Marathon in Kosice, um mein Hobby öffentlich zu machen und mich erstmals damit im Wettkampf zu messen. Es war wie ein Rausch! Ich, der Neuling, lief als Dritter mit 2:20,28h ins Ziel. – Ich war jetzt Marathonläufer. Mein Ziel: Olympia 1976 in Montreal.“

Waldemar Cierpinski, Doppelolympiasieger im Marathon über das Sprungbrett vom Hobby zum olympischen Gold auf cierpinski-sport.de

DDR und BRD Fahne in Montreal auch in der Neuzeit noch einträchtig zu sehen

Montreal 1976. Die olympischen Sommerspiele verfolge ich intensiv. Sehe grandiose Siege von Alberto Juantorena über 400 und 800 Meter, Waldemar Cierpinski beim Triumph im Marathon, den Olympiasieg im Fußballendspiel von der Buschner Elf gegen die damals zur Weltklasse zählende polnische Mannschaft. Kornelia Ender holt die Medaillen im Schwimmbecken wie eine fleißige Briefmarkensammlerin. Udo Beyer stößt die Kugel am weitesten. Lasse Virén, der Kultläufer aus Finnland gewinnt über 5000 und 10000 Meter. Wie in München 1972. Der amerikanische Schwimmer John Naber ist ebenfalls im Goldrausch. Dann war da noch die junge und bezaubernde Turnerin aus Rumänien. Nadia Comăneci holt mehrfach Gold im zarten Alter von 14 Jahren.  Aus der UdSSR gewinnnt der Turner Nikolai Andrianow vier Goldmedaillen.

Im Basketball gewinnen die Männer aus den USA gegen Jugaslawien und werden ihrer Favoritenrolle gerecht. Großer Segelsport mit Jochen Schümann aus der DDR. Er gewinnt im Finn-Dinghy Gold. Kürzlich war er hier unten am Bodensee beim Match Race Germany 2013 in Langenargen. Auch in Sachen Segelkollektion Adidas unterwegs. Im Wasserball gewinnt Ungarn. Im Boxen gewinnt der grandiose kubanische Schwergewichtsboxer Teofilo Stevenson. Apropos Boxen. Aus den USA kommen die Olympiasieger Leon und Michael Spinks. Das Bruderpaar wechselte später, im Gegensatz zum kubanischen Boxer in das Profilager. Auch Sugar Ray Leonard gewinnt die wertigste Medaille und findet sich ebenfalls auf dem Weg zum Berufsboxer. Im Fechten gewinnt der jetzige Sportfunktionär Thomas Bach mit der deutschen Florettmannschaft Gold in Montreal. Wird er der nächste IOC Präsident?

Die Handballerinnen und Handballer aus der Sportnation UdSSR holen Gold. Im Volleyball der Männer jubelt die polnische Mannschaft. Bei den Frauen ist Japan erfolgreich am Netz. In der Leichtathletik Königsdisziplin gewinnt Bruce Jenner aus den USA den Zehnkampf. Hasely Crawford powert die 100 Meter am schnellsten herunter. Trinidad und Tobago stehen danach Kopf. Bei den Frauen gewinnt Annegret Richter aus der Bundesrepublik gegen Renate Stecher, Vorzeigesprinterin und Olympiasiegerin von 1972 aus der DDR. Apropos Bundesrepublik Deutschland und die DDR. Das Blog weide-welt berichtete und zeigte vor zwei Jahren  wie beide Fahnen noch einträchtig nebeneinander im Winde in Montreal flattern.

Dennis Seidenberg steigt auf die Bühne der deutschen Sporthelden

Der Stanley-Cup ist also auch durch. Die zwei Rosenheimerinnen Angelika und Babara Fürst trafen bereits im Januar Dennis Seidenberg. Das Foto auf rosenheim24.de hat das Potenzial zum Kultstatus. 

Legenden des Sports

Da wird es jetzt langsam eng auf der Bühne der aktuellen deutschen Sporthelden. Oder? Sebastian Vettel ist bereits drauf, auch Martin Kaymer schaut ganz gut auf ihr aus, dann natürlich der einst mit den Nelsons und Holger Geschwindner im alten Golf nach Bamberg fahrende Dirk Nowitzki. Jetzt also auch Eishockey-Crack Dennis Seidenberg von den Boston Bruins. Ein aktuelles Foto in Arbeitsmontur gibt es hier beim Eishockey-Blog. Auf der Bühne der aktuellen deutschen Sporthelden und Heldinnen sind für mich auch zwei Sportlerinnen zu sehen. Maria Riesch und Magdalena Neuner.

Mythos Sportheld

Dabei ist das ja mit dem Mythos Held immer so eine Sache. Oskar Beck schrieb im Mai 2007 auf Welt Online einen Artikel und titelte Warum in Deutschland die Sporthelden knapp werden.

,,Verlangen wir von unseren Helden zuviel? Sportskanonen sollen sie sein, aber neben dem taffen Tritt in die Pedale auch noch ein Mindestmaß an Persönlichkeit entwickeln, dabei anständig bleiben, das Ansehen des Vaterlands mehren und humanitär dem Gemeinwohl dienen. Dieses anspruchsvolle Lebenswerk kriegen immer weniger auf die Reihe: Die einen versteuern sich völlig, die anderen versteuern zu wenig.“

Das Anforderungsprofil an Helden ist aber auch hart. Woher kommt aber eigentlich die Sehnsucht der Sportfans, fast abgöttisch Vettel, Kaymer, Nowitzki (die richtige Welle beginnt ja bei ihm gerade) oder Seidenberg zu Sporthelden nahe von Göttern zu stilisieren?

Ich bin da ja nicht frei von. 1972 habe ich als Kind zum Beispiel Schachgenie Bobby Fischer durch meinen Vater seine täglichen Radiorecherchen und dem durchforsten der Zeitungen  nach jedem noch so kleinen Schnipsel vom Schachmatch des Jahrhunderts aus Reykjavik zum Helden erkoren. Stammleser und insbesondere Schachfreunde wisssen von meinem bis in das Jahr 2011 erhaltene intensive Verhältnis zum Heros Bobby Fischer.

Dasselbe gilt für Franz Beckenbauer oder Uli Hoeneß. Ihnen kann ich fast keine Bemerkung, auch wenn sie manchmal mit meiner Meinung stark quer über liegt, verübeln. Auch Waldemar Cierpinski, Marathonolympiasieger von Montreal 1976 und später auch bei den Rumpf-Olympischen Spielen von Moskau 1980, ist einer meiner persönlichen Heros. Erwähnte ich bereits Jan Ullrich aus dem Jahr 1997? Mein Held. Da war ich damals in Deutschland ja nicht alleine mit. Die späteren Duelle mit Lance Armstrong waren legendär , erinnert sei an die 2003er Tour und das einfädeln vom Texaner bei einem Faltbeutel eines Zuschauers mit folgenden Sturz und dem fairen warten vom Comeback-Sportler Ullrich, huch… Es ist schon ein Kreuz mit den Helden.

Helden in der Fantasie

Reinhold Messner, ein weiterer persönlicher Sportheld von mir, schreibt in seinem Buch Berge versetzen – Das Credo eines Grenzgängers zum Thema Helden nachdenkliche Worte:

,,Helden gibt es nur in der Fantasie derer, die gerne solche wären.“

Okay, ich wäre gerne Schachweltmeister geworden. Ich steh dazu. Tour de France Sieger hingegen habe ich nie ernsthaft in meinen Träumen verinnerlicht. Ich bin froh mit meiner Liebsten gemütlich am Bodensee zu radeln. Radsport und persönliche Höchstleistungen von mir vereinbaren sich irgendwie nicht. Im Schach hingegen hatte ich selber Medaillen in meinem Zimmer. Zu guter letzt Fußball und Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Uli Hoeneß, Georg Schwarzenbeck, Paul Breitner und Gerd Müller. Die große Bayern Mannschaft. Alleine mir fehlte das Talent zum richtig guten Fußballer.

Es steht jetzt noch ein Statement aus, welchen aktuellen deutschen Sportler ich momentan von besagter Bühne auf mein persönliches und subjektives Favoritenschild hebe. Vettel vor Nowitzki, dann Seidenberg, gefolgt von Riesch und Kaymer sowie Neuner.

Heinz Florian Oertel und das Olympiabuch Vancouver 2010

Er ist eine Sportreporter-Legende. Unzählige und unvergessliche Sportreportagen von Olympischen Spielen hat Heinz Florian Oertel geprägt. Da sieht der Vergleich zur heutigen Sportreportergeneration für die aktuellen Akteure nicht so gut aus. Zusammen mit Kristin Otto hat Heinz Florian Oertel für jeden sportinteressierten Leser das neue Olympiabuch von Vancouver 2010 geschrieben.

             Vancouver 2010

Heinz Florian Oertel ist 82. Ich kann mich an viele begeisternde Sportreportagen von ihm erinnern. Er begleitete Waldemar Cierpinski verbal und mit Begeisterung bei seinen olympischen Marathonsiegen und empfahl zukünftigen Eltern ihr Kind Waldemar zu nennen. Oertel promotet das Buch über Vancouver 2010 auch selber.