Quo vadis Sportjournalismus?

Wo driftet der Sportjournalismus im Jahr 2012 hin? Ich bin dieser Tage erneut über einen Brief aus dem Jahr 2006 gestolpert. Am Anfang des Jahres der Heim-WM in Deutschland im Fußball erschien auf sportnetzwerk.eu ein Offener Brief an den Verband Deutscher Sportjournalisten. Zu den Unterzeichnern gehörten Javier Caceres, Herbert-Fischer Solms, Thorsten Jungholt, Michael Gernandt, Matthias Lieske, Frank Mertens, Ralf Meutgens, Astrid Rawohl, Hans-Joachim Seppelt, Andreas Singler, Jens Weinreich, Ralf Wiegand, Jörg Winterfeldt, Holger Gertz, Thomas Hahn, Robert Hartmann, Anno Hecker, Klaus Hoeltzenbein, Rudi Böhm, Bernd Dassel, Christopher Keil, Thomas Kistner, Barbara Klimke und Matthias Wolf. In dem Brief an den VDS wird auch das abgleiten des Sportjournalismus in die Gewässer des Unterhaltungsbereichs kritisiert sowie die Sorge um den Berufsstand geäußert:

,,Das Abdriften des Sportjournalismus in das reine Unterhaltungsressort und der Rückgang kritischer, distanzierter Berichterstattung werden anstandslos hingenommen. Dass sich manche Kollegen statt von den Mindeststandards an ihre journalistische Arbeit eher von PR-Gesichtspunkten leiten lassen, ist besorgniserregend. Derartigen Tendenzen kann man nicht mit einem verschärften Kuschelstil und hilflosen Appellen begegnen. Es geht hier um Grundfragen des (Sport)-Journalismus, es geht um gesellschaftspolitische Fragestellungen, auf die eine berufsständische Organisation wie der VDS adäquate Antworten finden sollte. Diese aber vermissen wir, und zwar auf breiter Front, so dass wir uns größte Sorgen machen um die Zukunft unseres Berufsstandes.“

Seither sind gut 6,5 Jahre ins Land gegangen. Eine lange Zeit. Irgendwie scheinen mir die damals geäußerten Kritikpunkte immer noch auf hoher Flamme zu kochen. Eine Patentlösung gibt es wahrscheinlich auch nicht. Zu viele Köche halten ihr Süppchen am köcheln. Wer sich nochmals kurz an den Medienhype und die Inszenierung der Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland erinnern mag, wird vielleicht ein grummeln in der Magengegend bekommen. Dabei ist es vielleicht nicht fair allein auf dieses eine Ereignis hinzuweisen.

Es gäbe zahlreiche andere Beispiele: Stichwort Biathlonübertragungsschwemme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, der Umgang mit  Themen wie Doping oder Korruption, Verbandsintrigen mit eitlen Sportfunktionären, die mediale Begleitung einer Männerfußballmannschaft während einer Europameisterschaft in der Ukraine und Polen, die unsäglich ideologische geprägte Sicht auf einen  Medaillenspiegel in Form der Nationenwertung, diese kleinliche Erbsenzählerei um Bronze-Silber-Goooold, die Ausgrenzung von Sportarten in der Berichterstattung. Selbstredend die Oktoberfest Mentalität von Januar bis Dezember. Die Stimmung immer schön oben halten, kritische Berichte mit tiefen Blick und vorangegangener Recherche … Wird doch total überbewertet. Will das Sportpublikum doch nicht hören, sehen oder lesen. So wird hinter manch vorgehaltener Hand gemunkelt.

Ich persönlich lese von den eingangs genannten Unterzeichnern des Briefs an den Verband Deutscher Sportjournalisten besonders gerne Thomas Kistner, Frank Mertens, Jens Weinreich, Thomas Hahn und Javier Caceres. Es soll nicht pathetisch klingen. Doch Sie und viele andere (erinnert sei an Jonathan Sachse oder Daniel Drepper) führen den Kampf um seriösen Sportjournalismus. Sicherlich nicht immer einfach.  Ihnen ist Mut, Durchhaltevermögen, Kraft und stets ein Rückgrat zu wünschen.