Nachdenkenswert #242

,,Teammanger Oliver Bierhoff und die Sponsoren haben der Nationalmannschaft eine Corporate Identity verpasst – #bereitwienie und so. Medienvertreter sind in diesem Konzept nur noch dazu da, um das positive Bild nach außen zu tragen – für den DFB, für Mercedes, für Adidas. Und die Menschen da draußen sind dazu da, auf Fanfesten mit Klatschpappen und lustigen Frisuren für die nötigen Bilder zu sorgen.“

Jürn Kruse, Medienredakteur, in der taz über das Corporote Identity der DFB-Elf

Die Lieblingskinder der Unterhaltungsindustrie: Bayern München und Borussia Dortmund

Auch der umtriebige ARD Moderator Frank Plasberg konnte der Versuchung nicht widerstehen in seiner am Montag angesetzten Sendung Hart aber fair, das Fußballspiel der beiden Mannschaften mit den Millionenumsätzen zum Thema zu machen. Okay, um Fußball ging es weniger. Taktische Finessen, Spielsysteme, konditionelle Unterschiede, überpacen von Dortmund mit dem Forchecking, aufdrehen der Bayern nach dem Ausgleich, Einwechselfehler in puncto Zeitpunkt vom jüngeren Trainer an der Seitenlinie etc. waren eher kein Thema beim Moderator und passionierten Autofan Plasberg.

Die Sache mit der Authentizität: Marketingkampagne Echte Liebe und James Bond 

Bei Plasberg wird geplaudert. Nie kann die Welt ganz in ihrer Komplexität erklärt werden. Arm gegen Reich? Arbeiterverein gegen Arroganz Familie? Mit was haben wir es eigentlich zu tun? Sport oder Politik? Zielgerichtetes suchen der Medienaufmerksamkeit und die Betonung der Marke? Marketingkampagne Echte Liebe? Sportmarketing per excellence bei Borussia Dortmund? Erfolgreiches Sportmarketing im Stile eines Branchenführers wie Bayern München? Überzogene moralische Bewertungen normalen Transfergebarens? Wer wirft die größeren Nebelkerzen? Welche Strategie findet eher den Weg in das Gehirn der Menschen? Zahlreiche authentische Werbeverträge für den Übungsleiter mit dem Hang, englischen Zeitungen vor einen Champions-League Finale die Welt zu erklären, und James Bond zu reaktivieren für das Schema Gut kontra Böse.

Bayern München und der BVB das führende Duo in der Unterhaltungsindustrie

Nun, der Borussia Dortmund Fan und Journalist Friedrich Küppersbusch war nicht in der Runde von Frank Plasberg zu finden. Der auch im Fernsehgeschäft tätige Küppersbusch gab unlängst in der taz im Interview folgende Beschreibung kund:

,,Dortmund ist eine Band, Bayern eine Armee. Borussia ist eine offene Elferbeziehung, die Münchner sind ein Harem. Na ja, im Grunde sind beide führende Unternehmen der Unterhaltungsindustrie, die ihre so profilierten Imagekonzepte am besten umsetzen.“

Unterhaltungsindustrie trifft es ganz gut. Doch Bayern München hat natürlich auch großen Sport geboten. Man frage bei Juventus Turin oder dem FC Barcelona und Lionel Messi nach. Auch das Match in London machte da diese Saison keine Ausnahme. Bayern München hat ein temporeiches Spiel für sich entschieden. Dortmund hat überpacet und konnte der nochmaligen Temposteigerung der Bayern Elf nach dem Ausgleich nichts adäquates entgegensetzen. Nebenbei habe ich mich auch ganz gut unterhalten gefühlt. Es spricht nichts gegen ein erneutes Spektakel im neuen Jahr.

Hohe Wellen

Hohe Wellen schlägt die lahmsche Buchpräsentation bei Bild. Rudi Völler, Trainer der Vizeweltmeisterelf von 2002, schlägt jetzt in Bild verbal zurück. Die Sätze sind messerscharf. Ein wenig schmunzeln musste ich jedoch bei der Forderung nach Konsequenzen seitens der Nationalmannschafts-Führung. Was soll da von Übungsleiter Löw oder Manager Bierhoff denn kommen? Sie haben doch den Schlingerkurs in der Personalie Lahm kontra Ballack mitgetragen. Lahm mit seiner charakterlich diskussionswürdigen Forderung nach der Kapitänsbinde vor einem entscheidenden WM-Halbfinale nicht in die Schranken gewiesen. Nein, lieber Rudi Völler, da wird es keine schwerwiegenden Konsequenzen wie etwa Ausschluss aus der Nationalelf geben. Warum auch? Jedes Jahr gibt es ca. 80.000 neue Buchveröffentlichungen in Deutschland. Das versendet bzw. verliest sich. In ein paar Wochen haben andere Schlagzeilen wieder die Oberhand gewonnen. Lahm wird mit Bayern München Championsleague spielen und in der Nationalelf weiter nach den Spielen Interviews geben.

Auch für hohe Wellen dieser Tage sorgte die unkonventionelle taz. Die Sportredakteure Andreas Rüttenauer und Markus Völker erklären unter dem Titel Warum wir  Sportwerbung dauerhaft verpixeln die spektakuläre Aktion. Darin heißt es unter anderen:

 ,,Auf einem ganz normalen Sportfoto sind im Schnitt zwei bis drei Logos zu sehen, manchmal auch sieben oder acht. Die werden einfach so abgedruckt. Das geschieht unentgeltlich. Wir wollten aus dieser Verwertungskette ausscheren und sagen: Wir sind nicht mehr bereit, Eure Werbebotschaft auf Trikots und Werbebanden zu verbreiten. Es kann ja auch nicht Aufgabe einer Zeitung sein, die mit kritischer Distanz über Sport berichtet, täglich kostenlose Werbung von Vereinen und deren Sponsoren ins Blatt zu heben. Wir wollen durch die Verpixelung journalistisch noch unabhängiger werden.“

Auch Michael H. Spreng hat sich in seinem Blog Sprengsatz unter dem Titel Parasitäre Werbung Gedanken zur taz Aktion gemacht und plaudert ein wenig aus dem historischen Nähkästchen: 

,,Einmal ist auch mir der Kragen geplatzt – zu meiner Zeit bei “Bild am Sonntag”. Als mir ein Redakteur die Sonderbeilage zur kommenden Bundesliga-Saison vorlegte, waren auf den offiziellen Manschaftsfotos kaum noch die Köpfe der Spieler zu erkennen, weil die Bildfläche mit Werbekoffern und -bannern zugemüllt war.“

Er nahm die Logos von den Koffern und auch an den Werbebannern wurde Hand angelegt. Später knickte Spreng dann wieder ein. Im Jahr darauf wurde der Bild am Sonntag vertraglich verboten Hand an den Fotos mit den Teams und ihren Werbebotschaften anzulegen. Auf die Bundesligabeilage wollte die Bild am Sonntag nicht verzichten. Also kamen jetzt wieder die Fotos komplett bebildert heraus. 

Ich bin gespannt wie lange die taz die Aktion durchhält.  Die unkonventionelle taz ist immer für Schlagzeilen gut. Die Sportfotos mit den Pixeln sehen allerdings wirklich bescheiden aus. Dies hat die Sportredaktionscrew offenbar gemerkt. Seit einigen Tagen ist auf taz online auffällig wie oft Fotos mit Bildschnitten oberhalb der Brustwerbung auf dem Trikot abgebildet werden. Damit entfällt dann auch die Verpixelung.

Sportredakteure haben es auch nicht leicht

Nicht nur das ZDF hat intensiv Personal nach Südafrika geschickt. Auch die taz berichtet nicht vom einheimischen Fernsehsessel, sondern leistet sich Berichterstattung vor Ort. Sportredakteur Andreas Rüttenauer ist für die unkonventionelle Zeitung in Südafrika. Bei einer Busfahrt nimmt keiner Notiz von ihm. Etwas überzogen titelt er seine Kolumne mit Höllenfahrt im ÖPNV:

,,Obwohl ich mein Fifa-Lätzchen mit der Akkreditierung um den Hals hängen hatte, wollte sich niemand im Bus für mich interessieren. Fast ärgerte mich das. Da war keiner, der mich gefragt hätte, woher ich komme, was ich bei der WM mache und wie ich Südafrika finde. Stattdessen wurde ich behandelt wie ein ganz gewöhnlicher Fahrgast – und als solcher irgendwo in der Innenstadt wieder aus dem Bus entlassen.“

Sportredakteure haben es auch nicht leicht. Andreas Rüttenauer bekam dann sogar noch ein Anschluß-Taxi um die Rückkehr ins Quartier problemlos zu komplettieren.