Lebhafte Diskussion um den Neustart im deutschen Schach

Die Schacholympiade 2010 in Khanty Mansijsk ist bereits wieder Geschichte. Es bleibt der zwiespältige Eindruck vom Auftritt der deutschen Schachspieler und die Nichtteilnahme der Spitzenspieler nach den Querelen mit dem Deutschen Schachbund. Auf dem Blog der Schachwelt hat sich nach dem vom Schachexperten Stefan Löffler geforderten Neustart im Deutschen Schachbund eine lebhafte Diskussion entwickelt. Auch ich habe mich gerne daran beteiligt. Meine Sicht der Dinge:

,,Der DSB agiert ja in keiner kritikfreien Zone. Die Entwicklung speziell seit der Heimolympiade 2008 in Dresden ist auf vielen Ebenen semiprofessionell zu nennen. Themen wie die brachliegende Sponsorenakquise, fehlendes offensives Marketing, offenbar fehlende Feinabstimmung in der Kommunikation zwischen Uwe Bönsch und Robert von Weizsäcker (siehe das Interview vom Bundestrainer vor der Olympiade mit Dagobert Kohlmeyer), fehlende aktive und kontinuierliche Pressearbeit um auch öfters in der Süddeutschen Zeitung, der FAZ oder Zeit Online zu erscheinen. Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden. Über die offenbare Sprachlosigkeit zwischen Schachbund und seinen Spitzenspielern ist ja bereits viel gesprochen worden. Ein reinigendes Gewitter fehlt jedoch immer noch.

Ich vermisse ein solides Konzept mit Umsetzungspower in die Praxis. Schach ist ein königliches Spiel. Deutschland hat eine riesige Tradition. Bei der Schacholympiade in Dresden waren prominente wie die Klitschko Brüder aus dem Boxsport, Meistercoach Felix Magath, Fußballeuropameister Marco Bode oder auch der investigative Qualitätsjournalist und Bestsellerautor Günter Wallraff Schachbotschafter. Das war doch eine phantastische Ausgangsposition für professionelle Sponsorenakquise. Danach passierte in der Öffentlichkeitsarbeit herzlich wenig. Vielleicht müssen andere Strukturen geschaffen werden, Vertriebsprofis mit frischen Wind auf der Geschäftsstelle des DSB und bei potentiellen Sponsoren engagiert werden. Mit ehrenamtlichen Versuchen oder Statements – Schach und Sponsoring passen nicht zusammen – ist der Dornröschenschlaf vorprogrammiert. Magnus Carlsen bekommt Sponsoren. Pepsi Cola warb einst mit Garri Kasparow in einem emotional in Szene gesetzten Werbespot, Silvio Danailow powerte vor dem WM Kampf in Sofia zwischen Topalov und Anand in Sachen Sponsorenakquise. Er war mehr wie erfolgreich.

Es gibt keine langweilige Sportart, sondern nur mit Lustlosigkeit und semiprofessioneller Haltung dargebotene Sportdisziplinen.“ 

     Turm in der Schlacht

     © Michael Alber: Pixelio 

Deutschland ist mittlerweile ein Entwicklungsland im Schach geworden. Das schmerzt. In der Nachbetrachtung der Schacholympiade erklärt Michael S. Langer, Vizepräsident Finanzen Deutscher Schachbund, auf der Website des Verbandes:

Während der Schacholympiade in Chanty-Mansijsk kam es zu mehreren Entscheidungen und Ergebnissen, die den Vorstellungen des DSB-Präsidiums nicht entsprachen bzw. entsprechen.

Die Unterstützung von Anatoli Karpow im Vorfeld des FIDE-Kongresses führte nicht zum angestrebten Erfolg. Alter und neuer FIDE-Präsident ist Kirsan Iljumschinow.

Die Kandidatur des DSB-Präsidenten Prof. Dr. Robert von Weizsäcker zum ECU-Präsidenten erlebte ihr Ende bereits im ersten Wahlgang und war im Nachhinein betrachtet aussichtslos.

Der Klage vor dem CAS in Lausanne, die gemeinsam mit dem Ticket von Anatoli Karpow und weiteren nationalen Föderationen eingereicht worden war, wurde nicht entsprochen. Ziel der Klage war die Feststellung, dass die Nominierung von Kirsan Iljumschinow für die Wahl nicht gemäß der Statuten der FIDE vorgenommen wurde. Diese Feststellung wurde nicht getroffen. Der Urteilsbegründung ist zu entnehmen, dass die Bestimmungen der FIDE nicht konkret genug seien, um eine Ablehnung der Nominierung herzuleiten!

Unseren Nationalmannschaften ging zum Ende der Olympiade die Luft aus. Die erreichten Platzierungen entsprechen nicht unseren Zielvorgaben.

Tief durchatmen. Auf Funktionäre oder einen Verband zu schimpfen ist ja immer relativ einfach. Doch Tatsachen sollten auch benannt werden. Der Deutsche Schachbund hat die Ausgangssituation der eigenen Heimolympiade in Dresden von 2008 nicht nutzen können.

Für Ende November kündigte Michael S. Langer eine intensive Diskussion beim Hauptausschuss des DSB an. Ob es ein Reset im Sinne von Stefan Löffler geben wird?

Deutschland läuft unter ferner liefen bei der Schacholympiade 2010 in Khanty Mansijsk ein

Nein, mit Ruhm hat sich die deutsche Schachnationalmannschaft in Sibirien nicht bekleckert. Bei den Männern gab es einen desillusionierenden Platz 64. Hier geht es zur ernüchternden Tabelle der Herren. Die Frauen belegen Rang 25. Hier geht es zur Übersicht bei den Damen.

Zwischendurch verlor der Präsident des DSB, Robert von Weizsäcker, auch noch die ECU-Wahl deutlich. Der Manager von Vizeweltmeister Topalov, der charismatische Silvio Danailow, erzielte einen souveränen Wahlsieg. Beim WM-Kampf in Sofia hatte er auch seine Stärke in der Akquise von Sponsoren gezeigt. Über die Bemühungen des Deutschen Schachbunds beim Sponsoring seit der Schacholympiade 2008  hülle ich lieber den Mantel des Schweigens.

Auch bei der FIDE Abstimmung lief es für Deutschland nicht gut. Es wurde mit harten Bandagen gekämpft. Robert von Weizsäcker bekam einen Schwächeanfall. Bei  Zeit Online berichtet Stefan Löffler über die Umstände unter dem Titel Die deutsche Schachkrise. Der vom deutschen Schachbund unterstützte Exweltmeister Anatoli Karpow verlor gegen Kirsan Iljumschinow. Dank des Löwenanteils der Stimmen aus Afrika und Asien bleibt der umstrittene Iljumschinow bis 2014 FIDE-Präsident. Robert von Weizsäcker ist inzwischen gesundheitlich wieder auf  den Beinen.

In Deutschland zählt Stefan Löffler zu den letzten Mohikanern der überschaubar gewordenen kritischen Schachblogger-Szene. Im Blog auf der Schachwelt rät er generell zum Neustart und fasst die Schachkrise zusammen.

,,Welch ein Debakel für den Deutschen Schachbund zwei Jahre nach der Schacholympiade im eigenen Land. Welch ein Niedergang für diesen international lange bewunderten Verband.“

Stefan Löffler benennt die offenen Flanken. Er spricht Klartext. Der gute alte Bertolt Brecht hat ja einst sinngemäß gesagt -Kritik soll immer mit einem Verbesserungsvorschlag einhergehen-. Schachexperte Löffler schlägt rauchende Gehirnzellen vor:

,, Jetzt müssen Köpfe rauchen (für Konzepte) und rollen ausgetauscht werden (für einen Neustart). Baustellen gibt es viele, die prominentesten heißen Nationalteam, Deutsche Meisterschaft, Bundestrainer.“    

Was schreibt eigentlich Georgios Souleidis zum Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Schacholympiade 2010? Im Blog Schwatt und Weiß auf Der Westen schüttelt er verbal den Kopf und ringt nach Worten:

,,Das deutsche Herren-Team leistete sich in der letzten Runde ein peinliches 1:3 gegen das Team des internationalen Gehörlosenverbands. Damit wurde das gesamte Bild zerstört – Platz 64, knapp hinter Ländern wie Pakistan, Singapur oder Albanien – es fehlen einem fast die Worte. Die deutschen Frauen waren auch nicht wirklich erfolgreicher. Nach Erwartung im Minus und Platz 25 für das junge Team.“

Ich werde die nächsten Tage gemütlich eine Partie Schach in einer Nürnberger Buchhandlung spielen. Die Vorfreude ist da.

Ruhetag bei der Schacholympiade 2010 in Khanty Mansijsk

Die ersten 5 Runden bei der Schacholympiade sind gespielt. Am heutigen Sonntag war Ruhetag. Er schien für die Beteiligten bitter nötig zu sein. Der deutsche Großmeister Jan Gustafsson agiert in Sibirien als Honorartrainer für Dänemark. In seiner Kolumne schrieb er vor dem Ruhetag:

,,Brr! Sorry für die Verspätung, aus meinen geplanten 20 Minuten Hinlegen sind mal eben vier Stunden geworden. Morgen ist Ruhetag, sieht aus als könnten wir ihn alle gut gebrauchen.“

Die Sportart Schach ist Schwerstarbeit. Bei den Männern führt Georgien vor Ungarn und Armenien. Alle 3 Teams haben ihre bisherigen 5 Spiele gewonnen. Deutschland findet sich auf Platz 39 wieder.  Das macht die Sache mit der Sponsorensuche für den Deutschen Schachbund auch nicht einfacher. Erfolg macht sexy. Platzierungen im sportlichen Niemandsland fehlt die Magnetwirkung für Sponsoren. Die komplette Tabelle gibt es hier bei chess-results.com.

Die Deutschen Frauen belegen zur Zeit Platz 12. Sie sind bei drei Siegen und zwei Unentschieden noch ungeschlagen und dürfen durchaus auf einen Platz unter den Top Ten hoffen. Die Ukraine und Russland sind bei den Frauen noch mit einer makellosen Bilanz von 5 Siegen aus 5 Begegnungen auf der Flaniermeile der Tabelle ganz vorn. Die USA belegen Rang 3. Die komplette Tabelle der Frauen gibt es hier bei chess-results.com.

Während der Schach-WM in Sofia zog ihre Homepage die Leser aus aller Welt an. Auch vom schachlichen Großereignis in Khanty Mansijsk berichtet sie. Es lohnt immer ein Blick auf die Website der charismatischen Susan Polgar. Die gebürtige Budapesterin entstammt der schachbegeisterten Familie Polgar und berichtet aktuell und informativ von der Schacholympiade.

Grundrauschen der Schacholympiade 2010 in Khanty Mansijsk

Die Schacholympiade im fernen Sibirien ist angelaufen. Dem einen oder anderen Biathlonfreund ist der Name Khanty Mansijsk vertraut. Jetzt wird dort dem königlichen Spiel auf 64 Feldern gehuldigt. Nein, ich wärme den Disput zwischen dem Deutschen Schachbund und seinen Spitzenspielern nicht wieder auf. Jetzt richtet es halt die B-Truppe bei den Männern. Sie und das Frauenteam schlagen sich bisher achtbar. Hier geht es zur offiziellen Turnierseite.

Übrigens zu Khanty Mansijsk gibt es ja die verschiedensten Schreibweisen. Chanti-Mansisk, Khanty-Mansiysk, Khanty Mansyisk, Khanty Mansisjk etc. sind im Netz und den verschiedenen Printpublikationen zu finden. Ich bleibe der vor Wochen gewählten Variante treu. Khanty Mansijsk. Sprachforscher mögen mir nicht böse sein. Ein Patent auf die richtige Schreibweise kann offensichtlich keiner aufweisen.

Chesstigers und chessbase berichten über das Turnier in unterschiedlichen Facetten. Chesstigers titelt Olympia 2010 R3-Favoritenschreck Kroatien und chessbase widmet sich dem Sieg der deutschen Schachspieler und schreibt Schacholympiade: Drei deutsche Punkte.

Deutschland im Schatten bei der Schacholympiade 2010 in Khanty Mansijsk

Deutschlands Männer gehen als Nr. 43 der Setzliste in Sibirien an den Start. Seit der Schacholympiade 2008 gab es keinen Aufschwung. Chessbase schreibt treffend im Vorspann zum Interview mit Bundestrainer Uwe Bönsch:

,,Im Jahre 2008 hatte Deutschland mit dem WM-Finale Anand gegen Kramnik in Bonn und der Schacholympiade in Dresden zwei Top-Ereignisse im eigenen Land. ,,Mehr geht nicht“, sagte seinerzeit der neue DSB-Präsident Robert von Weizsäcker . Von der damaligen Euphorie ist nicht mehr viel übrig. Der erwartete Schachboom blieb aus, die Mitgliederzahlen im DSB gingen sogar zurück. Daraufhin hat sich in der Verbandsspitze offensichtlich der Trend weg vom Spitzen- hin zum Breitenschach verfestigt. In Dresden holte kein deutsches Team eine Medaille, der Leistungssportetat wurde seither stufenweise heruntergefahren.“

Rückblende. Bei der Schacholympiade 2008 gab es jede Menge prominente Schachbotschafter. Fußballtrainer Felix Magath, der ehemalige Europameister Marco Bode, die populären Klitschko Brüder aus dem Boxsport oder der investigative Bestsellerautor und Qualitätsjournalist Günter Wallraff bekannten sich zum königlichen Schachspiel. Eigentlich eine gute Ausgangsposition um neue Sponsoren zu gewinnen und professionelle Sponsoringarbeit beim Deutschen Schachbund zu aktivieren.

Mit dem Namen Robert von Weizsäcker verband sich bei vielen die Hoffnung, Erfolg bei der Sponsorenakquise zu erzielen. Bundestrainer Uwe Bönsch bringt es auf den Punkt im obig verlinkten chessbase Interview mit Dagobert Kohlmeyer:

,,Er hat es nicht geschafft, das ist richtig. Aber frag besser ihn. Ich finde es natürlich sehr schade, dass wir keinen Sponsor gefunden haben.“

Was beim Interview auffällt: Uwe Bönsch weiß eigentlich wenig über den Präsidenten Robert von Weizsäcker. Kontakt gab es zwischen den beiden auch längere Zeit keinen mehr und der derzeitige Aufenthaltsort vom Präsidenten des Deutschen Schachbundes ist Bönsch auch nicht bekannt. Effiziente Kommunikation sieht anders aus.

 Derweil kümmert sich Deutschlands Großmeister Jan Gustafsson um die dänische Nationalmannschaft. In seiner Kolumne berichtet er von der Olympiavorbereitung mit der eingepackten Thermounterwäsche, Wollsocken, der offenen Baustelle Hotel, mehrfach flexibel geänderten Flugzeiten sowie einer neu gekauften Kamera.

Häppchen für Schachfreunde

Die Schacholympiade 2010 wirft Ihre Schatten voraus. Deutschland startet aus den mittlerweile allen bekannten monetären Gründen nicht mit der Bestbesetzung bei den Männern. Diese Truppe soll es nun richten:

1 GM Buhmann Rainer 2563
2 GM Bogner Sebastian 2549
3 GM Bindrich Falko 2507
4 IM Kraemer Martin 2516
5 IM Huschenbeth Niclas 2461

Die kompletten Aufstellungen aller Nationen finden sich gut sortiert auf der Website von chessdom.

Unsere Frauen gehen ebenfalls auf Punktejagd.

1 IM Paehtz Elisabeth 2467
2 WIM Hoolt Sarah 2251
3 WGM Levushkina Elena 2346
4 WIM Ohme Melanie 2311
5 WIM Fuchs Judith 2237

Mit dem Teilnehmer an der Schacholympiade, Falko Bindrich, gibt es ein kurzweiliges Interview auf Entwicklungsvorsprung mit dem Titel ,,Ich werde kein Profi“ zu lesen.

Doch nun zu den versprochenen Häppchen. Ein interessantes 1×1 der Schachfotografie von Georgios Souleidis gibt es auf schwatt und weiß

Magnus Carlsen, der 19-Jährige Blitzschachweltmeister aus Norwegen, hat den Bogen in Sachen Vermarktung raus. Die Schachwelt mit  Jörg Hickl titelt Carlsen zeigt der Welt den Weg.

Jan Gustafsson coachte bei der spanischen Meisterschaft Ivan Salgado Lopez und zieht in seiner Kolumne unter dem Titel Wie war Espana eine kleine Bilanz. Sein Schützling wurde (noch) nicht Landesmeister.

Da wir gerade bei Gustafsson waren, manchmal lesen sich Interviews auch mit dem Abstand von einem Jahr noch sehr interessant. Hier eine tiefsinnige Plauderei über Konzentrationsfähigkeit, Kaffee, Kneipenbesuche  und Naturtalent mit Jan Gustafsson auf jetzt.de von der Süddeutschen Zeitung.