Nachdenkenswert #348

,,Meine ganze Karriere ist auf diesen einen Moment ausgerichtet gewesen. Das ist wirklich das ganz große Match. Diese kleine Sache zwischen mir und Spasski ist eine Art Mikrokosmos der gesamten weltpolitischen Lage. Man sagt immer, die Führer der Welt sollten es gegeneinander ausfechten. Und genau das machen wir nun – nicht mit Bomben, sondern am Schachbrett.“

Bobby Fischer, mit einem Statement aus dem Jahr 1972, jenem Jahr wo er im Schachmatch des Jahrhunderts in Reykjavik sich den Schachweltmeistertitel holte, im Buch Wenn Sport Geschichte schreibt von Jan Stradling auf Seite 128.

Sport am Bodensee: Frank Dangelmayer gewinnt Schnellschach-Meisterschaft 2015 vom SV Friedrichshafen

Seit 1972 verfolge ich die Schachweltmeisterschaften. Zur Premiere konnte einem eigentlich nichts besseres passieren wie durch das Schachmatch des Jahrhunderts zwischen Bobby Fischer und Boris Spasskij mit dem Schachvirus infiziert zu werden.

Foto:  © Michael Wiemer

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Ein neuer Bobby Fischer Film kommt in die Kinos – Pawn Sacrifice

Es waren aufregende Zeiten. 1972 wurden Heerscharen von Journalisten aus aller Welt von ihren Chefs nach Island beordert. Zahlreiche Herren der schreibenden Zunft konnten dabei nicht Schach spielen, sollten aber über viele Wochen von einem Schachkampf berichten, der zu einem Duell der Systeme hochstilisiert wurde. Der smarte Amerikaner Bobby Fischer, Schachgenie, Individualist, Einzelgänger und mit einem IQ von 184 wollte eine 25 Jahre währende russische Vorherrschaft im Schach herausfordern. Ein Reporter von Life fragte den tadellos in geschneiderten Maßanzügen agierenden Schachprofi Fischer nach der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft. Bobby Fischer antworte in seiner unnachahmlichen Art:

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Benjamin Wahlen bemerkenswertes Spox-Interview mit Jan Gustafsson und Ilja Zaragatski

Schach schaffte es einst in das legendäre Buch Wenn Sport Geschichte schreibt von Jan Stradling.Traveler Digital Camera

Auf den Seiten 130 bis 141 gab es das Kapitel Der Bauernraub. Reykjavik, Island, 1972. Die Schachweltmeisterschaft zwischen dem amerikansichen Schachgenie Bobby Fischer und dem amtierenden Leningrader Weltmeister Boris Spasskij. Das Schachmatch des Jahrhunderts.

Der Tod des Glücks ist der Vergleich. Lassen wir also erst gar keine Versuche aufkommen, das Glück zu zerbröseln, in dem wir vergleichend hin und her schwenken zwischen verschiedenen Schachepochen.

Die Schach-WM 2014 im olympischen Medienzentrum in Sotschi ist bereits wieder Geschichte. Während des Kampfes gab es ein bemerkenswertes Spox-Interview von Benjamin Wahlen mit den beiden Großmeistern Jan Gustafsson und Ilja Zaragatski.

Neben Gedanken zur verbesserten Strategie von Anand gegenüber Chennai, den inflationären Elo-Zahlen und dem Blick auf die eigene Karriere ging es auch um Spielsucht. Jan Gustafsson, erfolgreiches Mitglied des Teams der deutschen Schachnationalmannschaft von 2011 bei der Europameisterschaft, die damals sensationell den Titel errang, merkte an:

,,Viele Schachspieler sind echte Zocker, viele spielen auch Poker, gehen oft ins Casino und wetten. Die Affinität zum Glücksspiel ist bekannt, Spielsucht kann für manche zum Problem werdent. Es gibt Spieler, die sich zum Beispiel für Contra-Re-Spiele treffen. Dabei geht um einen Einsatz, der durch die Ansage von Contra und Re jeweils verdoppelt werden kann.“

Pokern ist immer wieder ein Thema bei Schachspieler Gustafsson. Er selber gab einst der FAZ vor 6 Jahren ein Interview unter dem Titel Im Pokern ist mehr zu holen als im Schach. Michael Eder leitete das Interview damals mit folgenden Worten ein:

,,Jan Gustafssons Denkfabrik ist nicht sehr groß, nur ein paar Quadratmeter. Das Arbeitszimmer in seiner Eppendorfer Wohnung ist zugleich sein Wohnzimmer. Ein weißes Ledersofa steht darin, ein Bücherregal, vollgestopft mit Romanen, Schach- und Pokerliteratur. Fernseher, Stereoanlage, Lautsprecher, DVD-Hüllen. Ein Stuhl, ein Schreibtisch, darauf zwei Aschenbecher, zwei Schachteln Gauloises – und Gustafssons Trainingsgeräte: zwei Bildschirme, die ihn per Internet mit der Schach- und Pokerwelt verbinden und ihm Zugriff auf eine Datenbank mit mehreren Millionen Schachpartien bieten.“

Das damalige Interview im November 2008 war im Vorfeld der Schacholympiade Dresden geführt worden. Autor Benjamin Wahlen publizierte sein cooles Spox-Interview am vorigen Mittwoch, den 19.11.2014, dem 4. Ruhetag in Sotschi vor der 9. Partie zwischen Magnus Carlsen und Viswanathan Anand. Man wünschte sich generell nicht nur zu den faszinierenden Höhepunkten im internationalen Schachkalender, die Berichterstattung in den Sportrubriken der Zeitungen oder den Sportportalen über das königliche Spiel, seine psychologischen Komponenten, den Protagonisten und Begleiterscheinungen sowie Hintergründe.

Die Zeit der Fußball-WM Bücher

Kannn sich noch jemand an 2006 erinnern? Da wurden die Buchläden der Republik von unzähligen Publikationen rund um die Fußball-WM geflutet. Dieses Spiel um Auflage und Bücherverkauf war durch den Heimvorteil der deutschen Nationalelf noch verstärkt. Ich mag ja gut gemachte Fußballbücher. In meiner kleinen bescheidenen Bibliothek findet sich denn auch die Reihe der WM Bücher der Süddeutschen Zeitung.Traveler Digital CameraDie Bücher sind eine gute Quelle für interessante Statistiken, gut erzählte Geschichten, markante Fotos, Details die selbst einem Fußballliebhaber wie mir immer noch neues zu berichten weiß. In ihnen finden sich namhafte Autoren, die ihre Sicht der Dinge in einem angenehmen Ton rüberbringen.Traveler Digital CameraDabei müssen sich die Fußballbücher aus der spannenden WM-Reihe den Platz durchaus teilen. Olympiabücher, atemberaubende Erzählungen von dem Sportheld Reinhold Messner, jenem selbstbewussten Bergsteiger und Grenzgänger mit dieser unglaublichen Willenskraft, mit Biografien wie über den Chelsea Eigner Roman Abramowitsch, Sportmarketingbücher oder die Werke vom Groundhopping Informer. Traveler Digital CameraDa wären noch die Schachbücher. Angefangen von der Schachbibel schlechthin, jenem Buch was für Schachfreunde ein Standardwerk ist. Das Schachmatch des Jahrhunderts. Inklusive der Spuren eines vielgelesenen und auch jetzt noch sehr oft in die Hand genommenen Buches.Traveler Digital CameraUnd es kommen immer neue Bücher dazu. Wie kürzlich an jenem Sonnabend wo der Postbote für Michael Wiemer die Himmlischen Züge bereit hält. Ein Zuwachs der Bibliothek. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Irgendwann stellt sich die Platzfrage.Traveler Digital CameraDoch bis zum Schach-WM Kampf zwischen Vishy Anand und Champion Magnus Carlsen ist ja noch ein paar Monate Zeit. Momentan ist Fußball im Blickpunkt. Stärker denn je. Der Buchmarkt signalisiert dies prägnant. Ruben Schönenberger hat dies schön auf Fokus Fussball skizziert und leitet seinen Text mit diesen schwungvollen Worten ein:

,,Die Weltmeisterschaft in Brasilien naht und damit startet auch die Vermarktungsmaschinerie durch. Bücher, Musik und Filme über das Land, die Geschichte des (Welt-)Fussballs und vieles mehr überschwemmen den Markt. Weil meine Begeisterung für Fussball und Literatur bekannt ist, erreichen mich in dieser Zeit viele Buchvorschläge. Diesen begegne ich meist skeptisch. Zu oft wird Massenware produziert, die man angesichts des bevorstehenden Grossereignisses so einfach verkaufen kann, dass dabei die Qualität auf der Strecke bleibt. „Gooool do Brasil“ von Alois Gstöttner stellt eine angenehme Ausnahme dar.“

Das mit der Massenware würde ich sofort mit dem Füllfederhalter unterschreiben. Es ist wirklich sehr viel in den Regalen zu finden, wo einfach die Qualiät den Ansprüchen an eine gute, sachkundige, emotionale und fundierte Fußballlektüre hinterherhechelt. Das von Ruben Schönenberger herausgepickte Buch Gooool do Brasil – Kartografie einer nationalen Leidenschaft ist offensichtlich eine der Rosinen, die es jedes Jahr immer wieder auch zu finden gibt.

Buchschwemme

[Reblog vom 8. Oktober 2012]

Ich mag Bücher. Sogar sehr. Mein Vater hatte eine gut sortierte Bibliothek. Sehr schöne Schachbücher. Biografien von Weltmeistern wie Aljechin, Lasker oder Capablanca. Selbstverständlich die Reykjavik Bibel von Gligoric über den Schachkampf des Jahrhunderts zwischen Bobby Fischer und Boris Spasskij. Mit allen Details die ich heute bei Rückblicken auf dieses Match so oft vermisse. Aber auch Erzählungen über die Schachcafeszene in Wien reihten sich in die Buchsammlung meines Vaters. Die Atmosphäre in der Hochzeit des Schachspiels im öffentlichen Raum in Österreich konnte ich dabei förmlich schnuppern. Die entspannten Plaudereien über Zigarren, bärtige Männer, Mäzene, Kiebitze und Schachstellungen mochte ich sehr. Keiner störte mit aufgeklappten Laptop. Hochinteressante Werke über die verschiedenen Eröffnungsvarianten befanden sich ebenfalls hinter Glas in der kleinen privaten Bibliothek. Diese halfen mir oft bei meinen internationalen Fernschachpartien. Auch Bücher fernab des königlichen Spiels von Goethe, Balzac oder Stendhal waren dabei.

Geist und Körper sollen ja eine Einheit bilden. Fußballspiel hatte es mir auch angetan. Erfolgreicher und medaillenträchtiger war meine Schachzeit bei Motor Gohlis Nord in den Siebzigern.. . Ich kaufte mir in der Jugend auch das eine oder andere Fußballbuch, Werke über die olympischen Spiele im Winter und Sommer. Dazu die tägliche Lektüre einer Sportzeitung. Meine Geburtstagswünsche umfassten auch Sportbücher. Zeitweise konnte ich die Weltrekorde in der Leichtathletik der Männer und Frauen aus dem Bauch heraus aufsagen. Bei Wetten dass …? hätte ich alles abgeräumt. Die Verbindung zum Buch habe ich nie verloren. Trotz Internet gibt es bei mir eine ausreichende offline-Lesezeit. Wenngleich es mittlerweile eine Buchschwemme gibt, die selektive Auswahl notwendiger denn je macht. Maria Höfl-Riesch hat ebenfalls ein Buch herausgegeben. Florian Kinast nahm sich in Die Welt der Sache bereits im Einleitungstext seines Artikels kritisch an:

,,Auf dem Buchmarkt erscheinen in diesen Tagen haufenweise spannende Autobiografien. Von Edmund Stoiber (70) etwa, von Neil Young (66), von Salman Rushdie (65). Menschen, die etwas zu erzählen haben aus einem bewegten und langen Leben. Nun veröffentlicht auch Maria Höfl-Riesch eine Autobiografie. Sie ist 27 und meint, etwas erzählen zu müssen.”

Auch der Nachfolger von Michael Ballack in Sachen Träger der Kapitänsbinde, Buchautor Lahm, war vor gut einem Jahr der Meinung sein bisheriges Leben zwischen zwei Buchdeckeln zu präsentieren.

Ich werde das Schachbrett aufbauen und eine Partie Schach spielen.

Schachmatch des Jahrzehnts: Magnus Carlsen – Vishy Anand

Schachmatch des Jahrzehnts 2013 in Chennai: Magnus Carlsen – Viswanathan Anand

Nein, der Generationswechsel kam nicht wirklich überraschend. Der Sportwettenanbieter bwin notierte vor Beginn des Schach-WM Kampfes in Chennai eine Favoritenquote von 1,30 für den jungen Norweger Magnus Carlsen. Der amtierende Weltmeister Viswanathan Anand ging mit der Außenseiterquote von 3,20 in das C&A Duell. Im Vorfeld ist viel über die Elo-Dominanz von Carlsen geschrieben worden, auch gab es einen Hype um den ersten Schachspieler aus der „westlichen Hemisphäre“ , der sich nach 41 Jahren wieder für ein WM-Match qualifizieren konnte, seit Bobby Fischers Einzug in das Finale 1972.

Einmalige Konstellation: Schachmatch des Jahrhunderts 1972

Manch einer der Kommentatoren stilisierte im Vorfeld gar die Auseinandersetzung zwischen Viswanathan Anand und Magnus Carlsen in jene historische Höhe von Reyjkjavik. Das wäre aber doch ein wenig zu viel des Guten. 1972 war eine einmalige Konstellation. 25 Jahre russische Schachvorherschaft (die WM-Kämpfe trugen Spieler aus der Sowjetunion regelmäßig in Moskau untereinander aus) wurden von einem Einzelkämpfer und Schachgenie aus Amerika herausgefordert. Fischer lernte intensiv russisch um in die Schachbücher und Geheimnisse der führenden Nation in Sachen königliches Spiel einzutauchen. Das Charisma von Bobby Fischer zu jener Zeit strahlte in die Wohnzimmer der Schachfreunde aus West und Ost. Auf dem Weg zum Schachmatch des Jahrhunderts zerlegte Bobby Fischer die Stellungen von starken Spielern wie Taimanow oder Petrosjan. Es waren dominante und beeindruckende Siege. Ein Hurrikan auf den 64 Feldern. In der damaligen Form, eine Zeitmaschine vorausgesetzt, würde man gerne Kasparow und Carlsen gegen Fischer spielen lassen. Das russische Schach sah sich herausgefordert durch Bobby Fischer. Kleine Randnotiz: Weder sein Kontrahent Boris Spasskij noch er selber repräsentierten in ihren Charakteren das jeweilige typische Gesellschaftsystem ihrer Heimatländer.

Bobby Fischer kämpfte einst für adäquate Preisgelder und scheute den Vergleich zu Ali nicht

Die Bedingungen, die beinahe zum Abbruch des Schachmatch des Jahrhunderts in der isländischen Hauptstadt geführt hätten, sind legendär und oft beschrieben worden. Bobby Fischer kämpfte um Preisgelder, professionelle Rahmenbedingungen und Respekt wie Manager Uli Hoeneß um den Erfolg von Bayern München. Unerbittlich, selbstbewusst, die Meinung der Mehrheit oft auch ignorierend, ehrgeizig bis in die Zehenspitzen, polarisierend und in der Fischerschen eigenen Logik. Er verglich sich wie selbstverständlich mit dem großen Profiboxer Muhammad Ali und forderte monetäre adäquate Entlohnung für den professionellen Schachsport. Seine hartnäckige Art in Sachen Preisgelder kam allen nachfolgenden Schachgroßmeistern zu gute. Der Berufsschachspieler Bobby Fischer wurde nicht vom amerikanischen Schachverband gehätschelt. Er hatte keinen riesigen Stab an Betreuern oder ein Managementteam um sich. Fischer boxte sich quasi fast alleine durch die Schachwelt. In seiner besten Zeit trug er auch die besten Anzüge. Ein Kennedy Schneider musste es sein. Seine eleganten Schuhe ergänzten das makellose Äußere. Bobby Fischer sah gut aus und konnte auch charmant plaudern, wenn er denn wollte.

Nach 4 Remis zum Auftakt folgt der Doppelschlag von Carlsen

Magnus Carlsen mit Bobby Fischer zu vergleichen wäre nicht fair. Diese Last sollte man dem Norweger, dem die Mutter noch vor 3 Jahren die Sachen zum Anziehen rauslegte, auch nicht aufbürden. Er ist jetzt Weltmeister, übrigens nicht der jüngste wie irrtümlicherweise in der letzten WM-Woche in einem dpa-Artikel in Zeitungen wie der Passauer Presse zu lesen war. Das Privileg hatte sich einst Garri Kasparow gesichert. Nach der großartigen Eröffnungsfeier in Chennai kam es zum lang ersehnten Schach-WM Kampf zwischen dem Champion Anand und seinem Herausforderer Carlsen. Die Eröffnungspartie war auf den 9. November terminiert. Magnus Carlsen begann mit 4 Remis. Die beiden Auftaktspiele waren blutleere Remis. Diese handzahmen und sehr schnellen friedfertigen Remis hatte Bobby Fischer immer bei Kandidatenturnieren zwischen sowjetischen Spielern vehement kritisiert. Die 3. und 4. Partie wurde ausgespielt ohne einen Sieger zu finden.

Nach dem 2. Ruhetag gab es dann den Doppelschlag von Magnus Carlsen. Er profitierte in der 5. und 6. Partie in Endspielen von Fehlern Anands. Dann kam der Sonntag mit dem 3. Ruhetag. Der amtierende Weltmeister hätte sicher auch einen weiteren gebraucht. Die Körpersprache am Brett von Anand nach dem Wochenende gefiel mir nicht.  In der 7. und 8. Partei gab es wieder Punkteteilungen. Fast aufreizend lässig blitzte Carlsen dabei die 8. Partie herunter. Magnus Carlsen schob sich so fast unauffällig mit einem 5:3 Zwischenstand dem WM-Titel näher. Die Hausaufgabe bestand nun darin, 1,5 aus 4 zu holen. Erinnerungen an das volatile Nervenkostüm vom norwegischen Schachgroßmeister beim Kandidatenturnier im Frühjahr  in London 2013 wurden wach. Das Ticket für Chennai wäre beinahe an den ehemaligen Weltmeister Kramnik gegangen. Der 22-Jährige Carlsen kam in der englischen Hauptstadt mit einem blauen Auge davon.

Doch konnte Anand nochmals einen Hitchcock-Thriller inszenieren? Den Rückstand verkürzen? Dafür ging er offensiv und gut präpariert in die 9. Partie.  Er spielte auf Angriff. Doch dann kam der Hardcore-Fehler von Vishy Anand. Der Weg zum WM-Titel war mit 3 Punkten Vorsprung nun für Magnus Carlsen frei.

Der Spiegel verzeichnet 1,15 Millionen Klicks und Schach schafft es in das ARD Morgenmagazin

Schach hatte es in der Zwischenzeit sogar bis in das Morgenmagazin von ARD und ZDF gebracht. Kein Fake. Mit Live-Bildern vom WM-Schachmatch aus Chennai, Bildschnipseln aus einer Sporthalle von einem Basketball spielenden Carlsen und ein paar Zeilen, die aus einer Agenturmeldung stammten. Manch einer der deutschen Schachfreunde rieb sich verwundert die Augen. Schach wird sonst von den öffentlich-rechtlichen Sendern links liegen gelassen. Bei der WM 2010 in Sofia zwischen dem bulgarischen Herausforderer Topalov und Anand haperte selbst der kleine kontinuierliche Nachrichtenfluss beim ARD Videotext. Doch Schach war 2013 im November auf einmal In. Deutschland hat durchaus eine bemerkenswerte Schachtradition aufzuweisen. Weltmeister Emanuel Lasker, Dr. Robert Hübner, Wolfgang Uhlmann seien hier stellvertretend genannt.  Der Spiegel, jenes ehrwürdige Hamburger Nachrichtenmagazin powerte stolz in der Printausgabe vom 18. November 2013 eine Klickrate in Rekordhöhe vom Live-Schachticker der 4. Partie heraus: 1,5 Millionen Klicks. Eine deutsche mediale Randsportart war in aller Munde. Warum gab es eigentlich 2011 in den Medien so verdammt wenig Resonanz? Damals siegte die deutsche Schachmannschaft der Männer überraschend bei der Schacheuropameisterschaft in Griechenland. Doch das ist wieder eine andere Geschichte.

Schach und die Sache mit dem Geld

Beim Jahrhundertmatch 1972 zwischen Bobby Fischer und Boris Spasskij ging es auch um Geld. Der Amerikaner war immer an diesem Thema dran. Viele Spieler haben von seiner Hartnäckigkeit, Betonung und Beachtung der monetären Komponente gegenüber Organisatoren und Verbänden seither profitiert. In der Neuzeit geht es auch permanent um das Geld beim Schach. Finanzielle Power ist immer förderlich für Schachaktivitäten. Mehr immer besser wie eine klamme Kasse. Große Scheine ermöglichen einen größeren Aktionsradius.  Ein schönes Beispiel zeigte kürzlich der Schach-Ticker unter dem Titel: Ein Multimillionär lädt ein …:

,,Die Nachricht ist noch ziemlich heiß: Der US-amerikanische Multimillionär und begeisterte Schachspieler (!) Rex Sinquefield lädt zu einem Superturnier nach Saint Louis ein, wo im Chess Club und Scholastic Center seit nunmehr fünf Jahren die amerikanischen Meisterschaften stattfinden. Für die kleine, aber feine Veranstaltung hat er mal eben 170.000 Euro auf den Tisch gelegt, wobei allein dem Sieger ein Preisgeld von 70.000 Euro winkt. Auf der Wunschliste des Schachmäzen standen der Weltranglistenerste Magnus Carlsen, die Nummer 2 Levon Aronjan sowie die beiden derzeit besten US-Großmeister Hikaru Nakamura und Gata Kamsky.“

Übrigens Bobby Fischer verglich seine Wettkampfbörse auch gerne mit der von Boxheld Muhammad Ali und fand den Unterschied zwischen der Honorierung der beiden Sportarten ungerecht. Das er andererseits nach dem Schachmatch des Jahrhunderts auf diverse Werbeverträge nicht einging ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Werbegesicht Carlsen, Weltrekord von Karpow und weitere Fundstücke

Meinen werten Lesern ein herzliches Willkommen. Der Sommer macht jetzt ernst. Sehr schön. Wer übrigens gerne nachlesen möchte warum Schachgenie Magnus Carlsen das Werbegesicht bei der Modemarke G-Star wurde, wieso Schachweltmeister Anatoli Karpow seinen Weltrekord im Autogrammschreiben nicht an Red Bulls Stratosphärenspringer Felix Baumgartner verlor und wie Sponsoring im Schach in Neuenhagen in der Nähe von Berlin gehändelt wird, dem sei ein Blick auf den Schach-Ticker empfohlen. Habe dort Fundstücke aus dem Internet unter dem Titel Boxer Magnus Carlsen, Sponsoring im Schach, Karpows Weltrekord bis zum Nachwuchstalent aufbereitet. Eine Kampfansage für einen zukünftigen Weltmeistertitel von einer 11-Jährigen Nachwuchsspielerin ist inbegriffen. Viel Vergnügen.

Derweil bin ich erstaunt welche Spuren doch die Schachbibel mittlerweile aufweist.Traveler Digital CameraDiese faszinierende Reminiszenz an das Schachmatch des Jahrhunderts hat an Anziehungskraft nichts eingebüßt. Auch im Jahr 2013. Auch wenn die Patina der intensiven und kontinuierlichen Gebrauchsspuren sich nicht mehr verleugnen lässt.Traveler Digital CameraFast bekomme ich ein klein wenig schlechtes Gewissen. Bücher sind jedoch nicht für das Museum geschaffen. Ich habe das Buch von Svetozar Gligoric über den legendären Kampf zwischen Bobby Fischer und Boris Spasskij unendlich oft in den Händen gehabt. Die Schachbibel ist ein treuer Wegbegleiter. Ein grandioses Werk.

Schach WM-Kampf Tigran Petrosjan – Michail Botwinnik 1963

Neulich hielt ich wieder das von meinem Vater geerbte Schachbuch von Svetizar Gligoric in den Händen: Fischer SpasskijSchachmatch des Jahrhunderts. Jenes mehrfach von mir gelesene Meisterwerk vom jugoslawischen Schachgroßmeister über den WM-Schachkampf 1972 in Reykjavik. Am Ende des Buches findet sich auf Seite 239 die Stellungnahme verschiedener Großmeister auf die Fragen von Journalist Flohr. Er selber war ein früherer Schachgroßmeister und stellte Botwinnik, Petrosjan, Smyslow, Kotow und Tal folgende 3 Fragen vor Beginn des Schachmatch des Jahrhunderts:

1. Larsen ist der Ansicht, daß die sowjetische Schachhegonomie in größter Gefahr ist. Teilen Sie diese Meinung?

2. Worin besteht Fischers Geheimnis – gibt es ein solches überhaupt?

3. Fischer und seine Anhänger sind fest von einem amerikanischen Sieg in diesem Turnier überzeugt. Können die sowjetischen Schachfans und der Großmeister unter diesen Umständen noch ruhig schlafen?

Lassen wir ruhig die 3 Fragen ein wenig auf uns wirken. Die Sowjetunion stellte seit 1948 die Schachweltmeister mit der Regelmäßigkeit der aufgehenden Sonne. Schach schien fest in der Hand einer Nation mit dem Regierungssitz in Moskau zu sein. Es sah fast nach einer Zementierung von liebgewonnener Tradition aus. Fand das Schach WM-Turnier 1948 noch zweigeteilt im niederländischen Den Haag und Moskau statt, war die sowjetische Metropole von 1951 bis 1969 Austragsort aller Schach-WM Kämpfe innerhalb der Familie. Ausländische Spieler fanden einfach den Weg ins Finale nicht. Es war wie eine gläserne Decke. Doch es gab da diesen überaus ehrgeizigen Spieler aus den USA. Bereits mit 19 Jahren hielt er sich für den besten Schachspieler der Welt. Doch auch für ihn war es nicht so einfach die Decke zu durchstoßen. Bobby Fischer, 1972 im Alter von 29 Jahren, schickte sich also an eine 25-Jährige Vorherrschaft im königlichen Spiel zu den Geschichtsbüchern zu legen. In der damaligen Umfrage antwortete Tigran Petrosjan, 2 x facher Schachweltmeister, auf die obengenannten Fragen wie folgt:

,,Ja, die Hegemonie ist beendet, denn sonst würden sich bei der Weltmeisterschaft wieder nur Sowjetmeister gegenüberstehen. Fischers Geheimnis ist seine Jugend. Wenn Geller, Kortschnoi, Petrosjan und Tal jünger wären, würde alles ganz anders aussehen. – Fischer kann geschlagen werden, wenn man ihm die richtigen Eröffnungszüge vorsetzt. Es gibt noch verschiedene Geheimnisse auf dem Schachbrett, die er nicht so ganz durchschaut hat. Meiner Meinung nach hat Spasskij durchaus Siegeschancen, trotzdem kann ein Weltmeister nie ganz ruhig schlafen.“

Der Defensivvirtuose Tigran Petrosjan hatte übrigens im Jahr 1963 seinen ersten Schach-WM Kampf gegen Michail Botwinnik in Moskaus ausgetragen. Wie er sich kurz vor seinem 34. Geburtstag selbst ein unvergessliches Geschenk mit dem Schachweltmeistertitel machte habe ich für chessbase in Vor 50 Jahren: Petrosjan wird Weltmeister aufgeschrieben. Also schaut’s rein, es ist eh Regenwetter und Dank ChessBase sind für den geneigten Schachfreund auch alle 22 Partien vom WM-Kampf 1963 nachzuspielen.