„Die Italiener dopen. Die Franzosen dopen. Die Holländer dopen. Die Schweizer dopen. Die Belgier dopen. Die Briten … Nur die Deutschen Radsportler sind sauber.“

Die Sehnsucht nach schönen Themen ist bei meinen Lesern da. Hin und wieder bringe ich da ja auch Texte und Bilder, die hoffentlich diese Sehnsucht erfüllen.

Foto:  © Michael Wiemer

Doch wir wollen die unangenehmen Themen nicht auf immer und ewig ausblenden. Das käme sonst nur irgendwann als Bumerang zurück. Nein, manchmal ist sogar ein bewusster Blick in die Abgründe einer Sportart nötig. Bitter nötig. Darum heute ein kleiner Rückblick.

Es war eine Tour de France, die in die Geschichte als aufsehenerregender Doping-Skandal unter dem Namen Festina-Affäre Einzug in die Geschichtsbücher fand und heute auch bei Wikipedia nachzulesen ist. Die Höllentour stand kurz vor dem Abbruch. Zum damaligen Zeitpunkt galt der Skandal als größte Dopingaffäre in der Sportgeschichte.

189 Fahrer gingen an den Start. Paris sah am Ende nach diversen Rückziehern und Ausschlüssen von Teams nur 96 klassifizierte Lohnfahrer. Das deutsche Team Telekom stellte den Gesamtzweiten mit Jan Ullrich. Sieger der Frankreichrundfahrt wurde ein gewisser Marco Pantani. Für das Radsportteam Telekom gingen neben Jan Ullrich der Sprintstar Erik Zabel, Rolf Aldag, Udo Bölts, Francesco Frattini, Christian Henn, Jens Heppner, Bjarne Riijs und Georg Totschnig an den Start. Wir reden vom Jahr 1998. In jenem Jahr strahlte die ARD die Sendung Monitor mit dem Moderator Klaus Bednarz aus. Er stand noch für kompetenten Journalismus und begrüßte sein Publikum damals mit folgenden Worten:

,,Nun, wie angekündigt zu dem Thema, das spätestens seit der Tour de France die gesamte Sportwelt in Atem hält: Das Thema Doping. Und hier scheint es eine Art himmlisches Wunder zu geben. Alle dopen, nur die Deutschen nicht. Und das ausgerechnet im Zeitalter der Globalisierung. Die Italiener dopen. Die Franzosen dopen. Die Schweizer dopen. Die Belgier dopen. Die Briten … Nur die Deutschen Radsportler sind sauber. So jedenfalls stellen es die Deutschen Radsportfunktionäre dar. In Wirklichkeit wird auch im Deutschen Radsport gedopt bis sich die Lungen blähen und die Muskeln platzen. Und zwar nicht nur bei den Profis sondern auch bei den Amateuren und sogar bei Jugendfahrern. Ein Bericht von Wolfgang Bausch, Fred Kowasch und Jo Angerer.“

Hier geht es zum Video des Originalfilmbeitrages bei Monitor aus dem Jahr 1998. Diese 9:50 Minuten für jenes bemerkenswerte sporthistorische Zeitdokument sollte sich jeder nehmen.

Ich bin gerade auf dem Weg zum Emir und spezifische Hürden von Sportjournalismus

Ich hoffe meine hochanständige Leserschaft hat keinem deutschen Chefredakteur eine metaphysische Nachricht auf der Mobilbox hinterlassen. In der Art etwa wie: – Ich bin gerade auf dem Weg zum Emir -.

Journalisten haben es aber auch nicht einfach in Deutschland. Da machen Sportjournalisten keine Ausnahmen. Siehe auch Jens Weinreich und die Suche nach einem Mäzen. Viel Glück bei der Suche ist dem engagierten Mann mit der eigenen Meinung und der ihm arteigenen Hartnäckigkeit bei schwierigen Themen wie Doping oder Korruption zu wünschen. Finanzen sind generell ein wichtiger Baustein jeglicher Berufstätigkeit (man frage bei Timothy Ferriss nach). Aber auch ein anderer Sportjournalist ist noch nicht im finanziellen Traumland angekommen und steht vor einem herausfordernden Jahr. Die Rede ist von Jonathan Sachse. Unter dem Titel Berufliche Veränderung – mehr Journalismus 2012 stellte er kurz vor Ultimo des alten Jahres seine Situation dar und erinnert unter anderen an Höhepunkte seiner Arbeit in den vergangenen 12 Monaten:

,,Zur Erinnung: Im letzten Jahr habe ich einen Monat für das ZDF (TV + Online) in Frankreich gearbeitet und hier täglich von der Tour de France berichtet. Bei der Sportjournalismus Konferenz “Play the Game” konnte ich mich mit mehreren Kollegen austauschen, die mich motiviert haben, mehr Zeit in die Recherche und Journalismus zu investieren. Schließlich habe ich als einziges Medium live von den letzten öffentlichen Minuten im Sportausschuss berichtet .“

Jonathan Sachse habe ich immer gerne gelesen. Seine Tour de France Berichterstattung war aller Ehren wert.

Tour de France  ist ein gutes Stichwort. Kürzlich gab Rolf Aldag der Süddeutschen Zeitung ein Interview unter dem Titel ,,Der Sport ist nicht das wahre Leben.“. Schönen Gruß an Hans-Michael Holczer. Ich habe das Interview auch in der Printausgabe. Es verschwand nicht sofort nach dem Auslesen im Papierkorb. Ich werde das Interview zu gegebener Zeit wieder rausholen. Die nächste Tour de France kommt bestimmt.

So für heute ist das Ende der kleinen Bloggerei in Sicht. Meine Liebste möchte gerne noch ein Glas Rotwein mit mir trinken. Ich kann ihr da schlecht sagen: Ich bin gerade auf dem Weg zum Emir. Oder das Bloggen möchte ich gerne noch verlängern.

Für heute klappen wir den Laptop genüßlich zu.

Nachdenkenswert #64

,,Rolf Aldag wurde im vergangenen Jahr mit einem Bonmot zitiert: Man sollte diesmal den letzten drei die Medaillen geben. Das drückt eine ziemlich tiefe Einsicht in die moralische Situation der Tour aus. Nur: Wenn die Letzten die Ersten sein sollen, dann treiben wir nicht mehr Sport, sondern eine Barmherzigkeitsübung. Aus Niederlagen Siege zu machen ist und bleibt eine kulturell unwahrscheinliche Operation. In Italien hat man die Bestrebungen der Deutschen mit einem maoistischen Umerziehungslager verglichen, durch das die geständigen Fahrer hindurchgegangen seien.“

       Peter Sloterdijk, Philosoph + Hobbyradfahrer, im Spiegel

       Interview  ,,Hundsgewöhnliche Proletarier“ im Juli 2008

       über den Zauber der Tour de France, die Profanität des

       Dopings und die zerstörerische Kraft dänischer Nihilisten.