Medienhype: Robert von Weizsäcker Kritik an Schachweltmeister Magnus Carlsen

Ich höre gerne Deutschlandfunk. Okay, meiner Jahrhundertliebe ist er zu textlastig und die gespielte Musik entspricht nicht ihrem Geschmack. Sie bevorzugt eher einen Musiksender wie Antenne Bayern. Bei gemeinsamen Autofahrten zwitschen wir dann manchmal hin und her. Dabei bekommt der Sportteil des Radiosenders Deutschlandfunk durchaus auch gute Noten von meiner Liebsten. Wie komme ich jetzt eigentlich auf den Deutschlandfunk und was hat dies mit Schachweltmeister Carlsen zu tun? Gemach, gemach.

Magnus Carlsen hatte immerhin nach 10 Partien den selben Punktestand wie einst der große Bobby Fischer erreicht. 6,5:3,5 stand es 1972 auch in Reykjavik. Der Amerikaner benötigte beim damaligen Reglement im Schachmatch des Jahrhunderts jedoch noch 11 weitere Partien gegen Boris Spasskij.Traveler Digital CameraDoch zurück in das Jahr 2013. Der Hype hallte durch das kleine Schachland Deutschland. Robert von Weizsäcker, der ehemalige Präsident des Deutschen Schachbundes, hatte sich zwei Tage nach dem grandiosen 6,5:3,5 Sieg vom norwegischen Jungstar Magnus Carlsen gegen den Champion Viswanathan Anand in einem Interview im Deutschlandfunk kritisch gegenüber dem neuen Titelträger gegeben. An jenem Sonntag, den 24. November 2013, gab der begabte Fernschachspieler von Weizsäcker einige kritische Worte über den neuen Schachweltmeister ab. Danach gab es einen regelrechten Medienhype um die Äußerungen über Magnus Carlsen. Thomas Richter hat sich einige Stimmen näher betrachtet und äußert auf schach-ticker unter dem Titel Kommentar zu Kommentar zu von Weizsäcker auch folgende nachdenkenswerten Worte:

,,Generell betrachten einige offenbar jede auch nur leise Kritik an Carlsen (natürlich war von Weizsäcker laut) als Majestätsbeleidigung bis Gotteslästerung und fordern dafür die Todesstrafe – im übertragenen Sinne: sie wollen Carlsen-Kritiker mundtot machen. Das ist, jedenfalls für mich, eine unangenehme, unnötige und unerwünschte Nebenwirkung des Carlsen-Booms.“

Übrigens konnte ich mich bei zahlreichen Artikeln über die Äußerungen von Robert von Weizsäcker nicht des Eindrucks erwehren, dass einige das Interview im Deutschlandfunk nicht selber gehört haben und nur die Kurzversion in Form von Wortschnipseln gelesen hatten. Das komplette Interview kannn noch bis mindestens 24. Mai 2014 als Audio-on-demand auf Deutschlandfunk abgerufen werden.

Deutschland läuft unter ferner liefen bei der Schacholympiade 2010 in Khanty Mansijsk ein

Nein, mit Ruhm hat sich die deutsche Schachnationalmannschaft in Sibirien nicht bekleckert. Bei den Männern gab es einen desillusionierenden Platz 64. Hier geht es zur ernüchternden Tabelle der Herren. Die Frauen belegen Rang 25. Hier geht es zur Übersicht bei den Damen.

Zwischendurch verlor der Präsident des DSB, Robert von Weizsäcker, auch noch die ECU-Wahl deutlich. Der Manager von Vizeweltmeister Topalov, der charismatische Silvio Danailow, erzielte einen souveränen Wahlsieg. Beim WM-Kampf in Sofia hatte er auch seine Stärke in der Akquise von Sponsoren gezeigt. Über die Bemühungen des Deutschen Schachbunds beim Sponsoring seit der Schacholympiade 2008  hülle ich lieber den Mantel des Schweigens.

Auch bei der FIDE Abstimmung lief es für Deutschland nicht gut. Es wurde mit harten Bandagen gekämpft. Robert von Weizsäcker bekam einen Schwächeanfall. Bei  Zeit Online berichtet Stefan Löffler über die Umstände unter dem Titel Die deutsche Schachkrise. Der vom deutschen Schachbund unterstützte Exweltmeister Anatoli Karpow verlor gegen Kirsan Iljumschinow. Dank des Löwenanteils der Stimmen aus Afrika und Asien bleibt der umstrittene Iljumschinow bis 2014 FIDE-Präsident. Robert von Weizsäcker ist inzwischen gesundheitlich wieder auf  den Beinen.

In Deutschland zählt Stefan Löffler zu den letzten Mohikanern der überschaubar gewordenen kritischen Schachblogger-Szene. Im Blog auf der Schachwelt rät er generell zum Neustart und fasst die Schachkrise zusammen.

,,Welch ein Debakel für den Deutschen Schachbund zwei Jahre nach der Schacholympiade im eigenen Land. Welch ein Niedergang für diesen international lange bewunderten Verband.“

Stefan Löffler benennt die offenen Flanken. Er spricht Klartext. Der gute alte Bertolt Brecht hat ja einst sinngemäß gesagt -Kritik soll immer mit einem Verbesserungsvorschlag einhergehen-. Schachexperte Löffler schlägt rauchende Gehirnzellen vor:

,, Jetzt müssen Köpfe rauchen (für Konzepte) und rollen ausgetauscht werden (für einen Neustart). Baustellen gibt es viele, die prominentesten heißen Nationalteam, Deutsche Meisterschaft, Bundestrainer.“    

Was schreibt eigentlich Georgios Souleidis zum Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Schacholympiade 2010? Im Blog Schwatt und Weiß auf Der Westen schüttelt er verbal den Kopf und ringt nach Worten:

,,Das deutsche Herren-Team leistete sich in der letzten Runde ein peinliches 1:3 gegen das Team des internationalen Gehörlosenverbands. Damit wurde das gesamte Bild zerstört – Platz 64, knapp hinter Ländern wie Pakistan, Singapur oder Albanien – es fehlen einem fast die Worte. Die deutschen Frauen waren auch nicht wirklich erfolgreicher. Nach Erwartung im Minus und Platz 25 für das junge Team.“

Ich werde die nächsten Tage gemütlich eine Partie Schach in einer Nürnberger Buchhandlung spielen. Die Vorfreude ist da.

Deutschland im Schatten bei der Schacholympiade 2010 in Khanty Mansijsk

Deutschlands Männer gehen als Nr. 43 der Setzliste in Sibirien an den Start. Seit der Schacholympiade 2008 gab es keinen Aufschwung. Chessbase schreibt treffend im Vorspann zum Interview mit Bundestrainer Uwe Bönsch:

,,Im Jahre 2008 hatte Deutschland mit dem WM-Finale Anand gegen Kramnik in Bonn und der Schacholympiade in Dresden zwei Top-Ereignisse im eigenen Land. ,,Mehr geht nicht“, sagte seinerzeit der neue DSB-Präsident Robert von Weizsäcker . Von der damaligen Euphorie ist nicht mehr viel übrig. Der erwartete Schachboom blieb aus, die Mitgliederzahlen im DSB gingen sogar zurück. Daraufhin hat sich in der Verbandsspitze offensichtlich der Trend weg vom Spitzen- hin zum Breitenschach verfestigt. In Dresden holte kein deutsches Team eine Medaille, der Leistungssportetat wurde seither stufenweise heruntergefahren.“

Rückblende. Bei der Schacholympiade 2008 gab es jede Menge prominente Schachbotschafter. Fußballtrainer Felix Magath, der ehemalige Europameister Marco Bode, die populären Klitschko Brüder aus dem Boxsport oder der investigative Bestsellerautor und Qualitätsjournalist Günter Wallraff bekannten sich zum königlichen Schachspiel. Eigentlich eine gute Ausgangsposition um neue Sponsoren zu gewinnen und professionelle Sponsoringarbeit beim Deutschen Schachbund zu aktivieren.

Mit dem Namen Robert von Weizsäcker verband sich bei vielen die Hoffnung, Erfolg bei der Sponsorenakquise zu erzielen. Bundestrainer Uwe Bönsch bringt es auf den Punkt im obig verlinkten chessbase Interview mit Dagobert Kohlmeyer:

,,Er hat es nicht geschafft, das ist richtig. Aber frag besser ihn. Ich finde es natürlich sehr schade, dass wir keinen Sponsor gefunden haben.“

Was beim Interview auffällt: Uwe Bönsch weiß eigentlich wenig über den Präsidenten Robert von Weizsäcker. Kontakt gab es zwischen den beiden auch längere Zeit keinen mehr und der derzeitige Aufenthaltsort vom Präsidenten des Deutschen Schachbundes ist Bönsch auch nicht bekannt. Effiziente Kommunikation sieht anders aus.

 Derweil kümmert sich Deutschlands Großmeister Jan Gustafsson um die dänische Nationalmannschaft. In seiner Kolumne berichtet er von der Olympiavorbereitung mit der eingepackten Thermounterwäsche, Wollsocken, der offenen Baustelle Hotel, mehrfach flexibel geänderten Flugzeiten sowie einer neu gekauften Kamera.