Benjamin Wahlen bemerkenswertes Spox-Interview mit Jan Gustafsson und Ilja Zaragatski

Schach schaffte es einst in das legendäre Buch Wenn Sport Geschichte schreibt von Jan Stradling.Traveler Digital Camera

Auf den Seiten 130 bis 141 gab es das Kapitel Der Bauernraub. Reykjavik, Island, 1972. Die Schachweltmeisterschaft zwischen dem amerikansichen Schachgenie Bobby Fischer und dem amtierenden Leningrader Weltmeister Boris Spasskij. Das Schachmatch des Jahrhunderts.

Der Tod des Glücks ist der Vergleich. Lassen wir also erst gar keine Versuche aufkommen, das Glück zu zerbröseln, in dem wir vergleichend hin und her schwenken zwischen verschiedenen Schachepochen.

Die Schach-WM 2014 im olympischen Medienzentrum in Sotschi ist bereits wieder Geschichte. Während des Kampfes gab es ein bemerkenswertes Spox-Interview von Benjamin Wahlen mit den beiden Großmeistern Jan Gustafsson und Ilja Zaragatski.

Neben Gedanken zur verbesserten Strategie von Anand gegenüber Chennai, den inflationären Elo-Zahlen und dem Blick auf die eigene Karriere ging es auch um Spielsucht. Jan Gustafsson, erfolgreiches Mitglied des Teams der deutschen Schachnationalmannschaft von 2011 bei der Europameisterschaft, die damals sensationell den Titel errang, merkte an:

,,Viele Schachspieler sind echte Zocker, viele spielen auch Poker, gehen oft ins Casino und wetten. Die Affinität zum Glücksspiel ist bekannt, Spielsucht kann für manche zum Problem werdent. Es gibt Spieler, die sich zum Beispiel für Contra-Re-Spiele treffen. Dabei geht um einen Einsatz, der durch die Ansage von Contra und Re jeweils verdoppelt werden kann.“

Pokern ist immer wieder ein Thema bei Schachspieler Gustafsson. Er selber gab einst der FAZ vor 6 Jahren ein Interview unter dem Titel Im Pokern ist mehr zu holen als im Schach. Michael Eder leitete das Interview damals mit folgenden Worten ein:

,,Jan Gustafssons Denkfabrik ist nicht sehr groß, nur ein paar Quadratmeter. Das Arbeitszimmer in seiner Eppendorfer Wohnung ist zugleich sein Wohnzimmer. Ein weißes Ledersofa steht darin, ein Bücherregal, vollgestopft mit Romanen, Schach- und Pokerliteratur. Fernseher, Stereoanlage, Lautsprecher, DVD-Hüllen. Ein Stuhl, ein Schreibtisch, darauf zwei Aschenbecher, zwei Schachteln Gauloises – und Gustafssons Trainingsgeräte: zwei Bildschirme, die ihn per Internet mit der Schach- und Pokerwelt verbinden und ihm Zugriff auf eine Datenbank mit mehreren Millionen Schachpartien bieten.“

Das damalige Interview im November 2008 war im Vorfeld der Schacholympiade Dresden geführt worden. Autor Benjamin Wahlen publizierte sein cooles Spox-Interview am vorigen Mittwoch, den 19.11.2014, dem 4. Ruhetag in Sotschi vor der 9. Partie zwischen Magnus Carlsen und Viswanathan Anand. Man wünschte sich generell nicht nur zu den faszinierenden Höhepunkten im internationalen Schachkalender, die Berichterstattung in den Sportrubriken der Zeitungen oder den Sportportalen über das königliche Spiel, seine psychologischen Komponenten, den Protagonisten und Begleiterscheinungen sowie Hintergründe.

Reminiszenz an Bobby Fischer in 60 Minutes von CBS News

Meine zahlreichen treuen Stammleser wissen von meinem Faible für Bobby Fischer und das denkwürdige Schachmatch des Jahrhundert 1972 in Reykjavik gegen den amtierenden Champion Boris Spasskij. Der amerikanische Großmeister gegen den Titelverteidiger aus Leningrad. In Zeiten des kalten Krieges sollten beide stellvertretend die Systemfrage entscheiden. Dabei waren die zwei Schachspieler alles andere als stromlinienförmige Protagonisten ihrer jeweiligen Gesellschaftssysteme. Das langersehnte Duell zwischen Herausforderer und Schachweltmeister fand in der Sport- und Veranstaltungshalle Laugardalshöllin vom 11. Juli bis zum 1. September statt. Die internationale Schachwelt atmete auf.

Die Vorgeschichte füllt Bände. Auseinandersetzungen um den Spielort, der hartnäckige und erfolgreiche Kampf von Fischer für adäquate Preisgelder, sein Ringen um optimale Spielbedingungen und der eine oder andere legendäre Spruch füllten Sendungen, Zeitungsspalten und Radiobeiträge. Es zog ein anderes Selbstverständnis in die Schachszene ein. Der charismatische Bobby Fischer selbstbewußt vor dem Schachmatch des Jahrhunderts:

,,Möglicherweise wird es das größte sportliche Ereignis der Geschichte. Bedeutender sogar als der Kampf Frazier-Ali…”

Nach 21 Partien war das Schachgenie aus den USA mit 12,5 : 8,5 Punkten neuer Weltmeister. Er beendete damit eine 25 Jahre anwährende russische Vorherrschaft im Schach. Bobby Fischer beanspruchte die Aufmerksamkeit der Medien bereits Wochen und Monate vor dem Naturereignis auf 64 Feldern. Hier eine Sequenz aus  60 Minutes vom TV-Sender CBS News am 9. April 1972. Einem Sonntag. Vorhang auf.

Flauschcontent für alle Freunde und Gegner von Bobby Fischer

Nächstes Jahr steht der 40. Jahrestag vom Schachmatch des Jahrhunderts an. 

Bobby Fischer hatte eine unglaubliche Magnetwirkung. Selbst Journalisten ohne Schachkenntnisse zog es 1972 in die isländische Hauptstadt. Das spektakuläre Duell zwischen Boris Spasskij und Bobby Fischer in Reykjavik wollte sich keiner aus der schreibenden Zunft entgehen lassen. Mit Schachnachrichten konnte damals Auflage gemacht werden. Bobby Fischer forderte 25 lange Jahre russischer Vorherrschaft im Schach heraus. Vorhang auf für eine 9-minütige Sequenz über das Schachgenie: 

Schachzüge

Nächstes Jahr jährt sich der 40. Jahrestag der großen sozialistischen Oktoberrevolution vom Schachmatch des Jahrhunderts zwischen Bobby Fischer und Boris Spasskij in Reykjavik 1972. Es kam einer Revolution gleich, ein begnadeter Schachspieler aus den USA entriss den Russen ihr 25-jähriges Monopol auf die Schachkrone. Der Kampf war legendär, atemberaubend. Journalisten ohne Schachkenntnisse berichteten aus Reykjavik. Das Schachmatch war zum Duell der Systeme in Zeiten des Kalten Krieges hochstilisiert worden. Ich bin gespannt wieviele neue Bücher und Filme im Jubiläumsjahr auf den Markt kommen zum Schachgenie Bobby Fischer und seines spektakulären Matchs mit dem Leningrader Boris Spasskij. Film ist ein gutes Stichwort. Diese Woche sollte auf ARTE der Dokumentarfilm von Liz Garbus  Zug um Zug in den Wahnsinn – Die Legende von Bobby Fischer laufen. Doch es wurde nichts daraus. Mehr dazu bei der Schachwelt von Großmeister Jörg Hickl.

Manch einer wartet mit einem Buch über Fischer nicht bis 2012. Dieses Jahr bereits veröffentlichte der renommierte Biograph Frank Brady sein Buch über das Leben von Bobby Fischer. Wer die bemerkenswerte, intensive und authentische Rezension von Peter Münder auf chessbase zum Werk von Frank Brady: Endgame – Bobby Fischer´s Remarkable Rise and Fall – from America´s Brightest Prodigy to the Edge of Madness. Crown Publishers New York, 2011, 402 S., 25.99 Dollar, noch nicht gelesen hat, darf gerne Lesezeit investieren. Meine unbedingte Leseempfehlung am ersten Augustwochenende.

Derweil geht es im deutschen Schach gemächlich weiter. Der Frauen Länderkampf Deutschland gegen die Ukraine ist Höhepunkt zum Jubiläum des Dresdner Schachfestivals. Bundestrainer Uwe Bönsch stellt sich auf der Website vom Deutschen Schachbund im Interview aktuellen Fragen.