Gipfelstürmer auf 7246 Meter

Neun Gipfelstürmer sind dann durchgekommen. 7246 Meter bei der aktuellen Expedition zum Putha Hiunchuli. Stefan Nestler schaffte es bis 7100 Meter, dann zwang ihn sein Daumen in die Knie

,,Das Thermometer zeigte minus 27 Grad Celsius. Am Tag zuvor war die Haut am Daumen aufgeplatzt. Ich hatte ein Pflaster darauf geklebt. Jetzt merkte ich, dass es gefror und anschwoll. Dass ich einen Daumen verlor, war mir der Putha Hiunchuli dann doch nicht wert. Ich sagte Pemba, der auf mich wartete, dass ich zurückkehren werde. Schweren Herzens ließ ich die Gruppe ziehen.“

Respekt für die sportliche Leistung, das kontinuierliche bloggen von der Expedition und ein – Auf ein Neues – an Stefan Nestler und herzlichen Glückwunsch an die neun Gipfelstürmer. Der große Bergpionier und Grenzgänger Reinhold Messner betont bei seinen Live-Auftritten immer wieder, wie wichtig für ihn das Scheitern war. Der Lernprozess war dann immer besonders intensiv. Das mag vielleicht im Moment für Stefan Nestler nicht besonders tröstlich sein, doch das Leben geht weiter.

Interessant wird sein, wann er wieder einen neuen Anlauf nimmt. 

Deutschlands ehrgeizige Sportblogger

Auftakt der Schachbundesliga in Mülheim ist durch. Die Augen richten sich wieder dem internationalen Geschehen zu. Kramnik zelebriert einen Traumstart beim Univé Schaaktoernooi 2011 in Hoogeveen. Vertiefung gerne bei chesstigers.

Derweil powern Deutschlands ehrgeizige Sportblogger. Trainer Baade sucht und findet das Licht der Öffentlichkeit. Lesung am 27. Oktober 2011 in Duisburg. Titel: Drama Queens in kurzen Hosen. Geschmeidiger Beginn ist für 21.00 Uhr vom Meistercoach angesetzt. Es gibt auch bisher noch unveröffentlichte Texte zu hören. Trainer Baade agiert seit Jahren auf  seinem Kultblog unkonventionell, frech, offen, schonungslos ehrlich und hat Ironie nicht in der schottischen Sparsamkeitsvariante zu bieten. Er ist da wesentlich großzügiger.

Ehrgeiz ganz anderer Art zeigt Blogger Stefan Nestler und erklimmt unglaubliche Höhen. Auf seinem Blog Abenteur Sport gibt er permanent Zwischenmeldung von der Expedition zum Putha Hiunchuli. Respekt. Da schlägt jemand auf 5500 Metern bei Graupelwetter sein Lager auf und findet noch Zeit zum bloggen. Der Gipfel liegt bei 7246 Meter. Da sage mir noch einer die deutsche Sportbloggerszene sei in der Krise, die Protagonisten würden sich im Kämmerlein in gekrümmter Haltung über dem Laptop und der Tastatur quälen und sich durch Pizzaboten schlechtes Essen bringen lassen. Die Tür nur einen Spalt öffnend und kontaktscheu den Fünfer durchreichen sowie den Pappkarton mit dem schlechten Essen hastig entgegennehmen. Zurückschlürfend in die Dachkammer, durch Jalousie halb abgedunkelt, fernab von jeden Ehrgeiz. Nein, Deutschlands Sportblogger sind aus ganz anderen Holz geschnitzt. Stefan Nestler, Jahrgang 1963, bietet übrigens auch gleich noch einen Blick auf die derzeitige Position in den Bergen per SPOT Satellite Messenger an.

Ehrgeiz der Extraklasse zeigt auch Deutschlands Pionier und Großmeister der Sportblogger, Kai Pahl alias dogfood, mit seinem lesenswerten (!!)  extensiven, strukturiert aufbereiteten und phantastisch  verlinkten Artikel Play the Game 2011 – Sportpolitik in Köln auf seinem Blog allesaussersport. Das war intensiv und verlangt nach Standing Ovations.

In der sportbegeisterten Nation Deutschland hat sich in den letzten Jahren eine Anzahl hochinteressanter Sportblogs gebildet. Sportjournalisten mit fundierter journalistischer Ausbildung, Autodidakten mit Leidenschaft und Kompetenz, Sportinteressierte mit Sachverstand und Fans mit Lokalesprit agieren im Netz der deutschen Sportblogger. Der Ehrgeiz mag dabei bei den Akteuren unterschiedlich ausgeprägt sein, ich möchte keinen missen.

Oliver Fritsch sei abschließend erwähnt, Hartplatzheld und Gründer von indirekter-freistoss und dem kleinen Bruder direkter-freistoss. Auf seine Internetaktivitäten kam ich einst durch einen Printartikel in 11Freunde. Wie er damals im WM Jahr 2006 die Thematik Ballack und den Umgang mit ihm bei Bayern München (der Abschied nach London schmeckte einigen Verantwortlichen wie KHR nicht)  analytisch sezierte, machte mich neugierig. Kürzlich brachte er es bis in die brand eins mit einem Rückblick auf seinen Kampf gegen kleinliche Sichten und verengte Herzen so manchen Funktionärs, und den damit verbundenen Widrigkeiten für ihn selbst. Stichwort Kaffee aus der Thermoskanne.

Gipfelstürmer: Von Vettel über Nestler bis Kaltenbrunner und Messner

Während Sebastian Vettel in Suzuka seinen 2. WM Titel in der Formel 1 am nächsten Sonntag einfahren sollte (mehr dazu bei spox unter dem Titel Historie: WM-Entscheidungen in Suzuka – Das Schlachtfeld der Genialen) berichtet der zur Nepal Expedition aufgebrochene Stefan Nestler auf seinem Blog Abenteuer Sport von einem anderen schnellen und offenbar talentierten Mann hinter dem Lenkrad: 

,,Jedes Land hat seine Automobilsport-Talente. Der Sebastian Vettel Nepals steuerte unseren Kleinbus von Nepalgunj ins nördlich gelegene Surkhet. Der Bus war voll beladen. Innen drängten sich die Expeditionsteilnehmer mit ihren Rucksäcken, auf dem Dach stapelten sich die Packtaschen mit unserer Ausrüstung. Das hinderte den jungen Formel-Nepal-Piloten jedoch nicht daran, kräftig Gas zu geben. Wenn wir Straßensperren des Militärs passiert hatten, bekreuzigte sich der Fahrer, als suche er göttlichen Beistand für seine Raserei. Ich quetschte mich mit Expeditionsleiter Herbert auf der Vorderbank. Nicht angeschnallt, weil die Gurten fehlten.“

Stefan Nestler peilt den Siebentausender Putha Hiunchuli an und berichtet in bester Blogger Manier kontinuierlich davon. Der Fahrer telefonierte noch nebenbei mit dem Handy und landete mit einer Punktlandung vor dem Hotel in Rekordzeit. Ganz so schnell wird der erfahrene Bergsteiger Nestler nicht auf den 7246 m hohen Gipfel vom Putha Hiunchuli kommen. Gemach, gemach. Er bringt die nötige Expeditionserfahrung für ein erfolgreiches Gelingen des neuen Bergprojekts mit. In Stefan Nestler und seine Nepal Expedition schrieb ich vor 14 Tagen: 

,,Der Deutsche Welle Reporter Nestler hat bereits in der Vergangenheit einige lesenswerte Blogs geführt. Erinnert sei an den Everest-Blog 2005, den Manaslu-Blog 2007 oder den Nordpol-Blog 2009.“

Was macht eigentlich Gerlinde Kaltenbrunner? Kürzlich erklomm sie erfolgreich den K2 und war damit die erste Frau der Welt die alle Achttausender ohne die umstrittene Unterstüzung von Sauerstoffflaschen bezwang. Mit ihrem Multivisionsvortrag – Leidenschaft Leben über 8000 – hat sie einen gut gefüllten Terminkalender. Altdorf, Markt Schwaben, Villingen-Schwenningen und Hechingen sind die Stationen in dem Zeitfenster vom 4. bis 10. Oktober 2011. Respekt. Die mediale Ernte beginnt ja nach dem Abstieg. An ihrer Seite Ehemann Ralf Dujmovits

Noch ein Wort zum Thema Sauerstoff. Extrembergsteiger und Grenzgänger Reinhold Messner erklärte dazu kürzlich im Spiegel-Online Interview:

,, Theoretisch ist der Berg dann ohne Sauerstoffgerät 2000 Meter höher. Man muss öfter verschnaufen, man hyperventiliert, man hat weniger Kraft in den Beinen und bringt auch weniger Willen auf, die Entscheidungsfreude sinkt spürbar. Dieses letzte Stück vor dem Gipfel erscheint unendlich lang, man denkt, die Qual hört nicht mehr auf. Kurzum: Man lässt sich früher von Hoffnungslosigkeit überwältigen.“

Ansonsten äußert sich Bergsteigerpionier Messner auch über die Leistung von Gerlinde Kaltenbrunner anerkennend. Jedoch kann er sich nicht den Verweis auf den seiner Meinung nach nicht vorhandenen Alpinstil verkneifen. Ach, ich bin ja kein Berufsbergsteiger, doch ich ahne welche Eitelkeiten und welches Konkurrenzdenken zwischen den einzelnen Protagonisten der Gipfelstürmer herrschen müssen. Siehe zum Verständnis der Beziehung zwischen Messner und Kaltenbrunner auch das Focus Interview vom August 2008 ,,Messner hat keine Ahnung“. Ich find das gegenseitige beharken nicht immer gut. Andererseits lebt das Extrembergsteigen von den Storys. Vom Charisma der Beteiligten. Von den Büchern. Den Multivisionsvorträgen. Vom Disput. Den unterschiedlichen Philosophien. Reinhold Messner habe ich selber live im vergangenen Jahr in Oberstdorf gesehen. Einer meiner persönlichen Helden. Gar keine Frage. Er gratulierte Gerlinde Kaltenbrunner nach ihrem K2 Aufstieg nicht per E-Mail, die traditionellen handschriftlichen Glückwünsche waren seine Alternative. 

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