Nachdenkenswert #298

,,Das stimmt. Ich hab‘s eine Weile nicht mehr angeguckt. Die Deutschen haben so eine Art, was sie machen, richtig zu machen, und wenn sie gegen Doping sind, dann so, dass man‘s nicht mehr ertragen kann. Das war eine richtige Hysterie. Wobei ich mich dann immer frage, warum Langstreckendistanzen bei Olympia übertragen werden. Oder Wintersport. Eisschnelllauf.

Pepe Danquart, Filmregisseur von Höllentour, 2009 im Interview mit der freitag unter dem Titel Die Moral der Käfer zur Tour de France. 

Sport am Bodensee: Gut gefüllter Terminkalender fernab dem Tour de France Comeback der ARD

,,Erinnern Sie sich an den BSE-Skandal? Die Panik war riesengroß, aber nur ein Jahr später wurde wieder gegrillt. Komisch ist es hingegen, dass sich 1998 niemand hierzulande darüber aufgeregt hat, als der erste Dopingskandal publik wurde. Aber damals gab es ja noch einen Jan Ullrich …“

Regisseur Pepe Danquart 2007 im Interview mit dem Tagesspiegel.

Einst zogen ARD und ZDF den Stecker aus der Tour de France Übertragung. Die Sportart sorgte für Dopingskandale, floskelhaft vorgetragene Statements der Wende hin zum sauberen Radsport, frühere Ergebnislisten bekamen eine inflationäre Korrektur und Sponsoren wie Telekom, Gerolsteiner oder Phonak zogen sich zurück. Die Tour schüttelte sich kurz und die Karawane zog weiter. Der normalen Radelbegeisterung am Bodensee tat dies keinen Abbruch. Die Bodenseeregion ist geprägt von Menschen, die mit großem Spaß in die Pedale treten und zwischendurch auch den entsprechenden Boxenstopp einlegen.

Foto:  © Michael Wiemer

Doch zurück zu den Öffentlich-Rechtlichen Anstalten. Die Tour de France beginnt nächste Woche und ARD und Co. haben wieder den Stecker hineingesteckt. Radsport, also das Produkt, ist scheinbar wieder salonfähig. Es verkauft sich offenbar wieder.  SportA hatte für die ARD mit dem Rechtegeber der Tour de France verhandelt und mit der ASO (Amaury Sport Organisation) den Wiedereinstieg in die Übertragung vorbereitet. Die Vertragspapiere sind ratifiziert. Das Comeback der ARD bei der Tour de France findet jetzt also einen sauberen Radsport vor?

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Nachdenkenswert #294

,,Niemand will Geschichten von Rennfahrern sehen, die voller Chemie sind. Es wird eine andere Geschichte erzählt. Eine romantische Ansicht, wie wir sein sollen oder was uns wirklich bewegt, nämlich die Liebe, das Gefühl, das Empfinden, Mensch zu sein. Über Chemie und Geschäfte kannst du nichts Positives erzählen. Alle Geschichten dürfen nie ums Geld gehen, wie die Tour de France nie um Doping gehen darf. Jedenfalls nicht, was die positiven Helden angeht.“

René Pollesch, in jenem bemerkenswerten Doppel-Interview Die Moral der Käfer mit Filmregisseur Pepe Danquart auf der Freitag mit Matthias Dell, für mich persönlich das schonungslos ehrlichste Interview über die Tour de France im Jahr 2009 und seine Facetten

Showtime mit Lance Armstrong und Oprah Winfrey

Über Pep Guardiola reden wir ein andermal. Es ist Lance Armstrong Beichtzeit. Oder ist das mit der Beichte ein wenig hochgegrifffen? Bevor wir weiter in das Thema einsteigen vorab ein Statement von Pepe Danquart, Filmemacher von Höllentour, in einem legendären Interview mit der Freitag unter dem Titel Die Moral der Käfer:

,,Von Politik und Wirtschaft denken die Leute, die sind eh alle korrupt. Beim Sport ist das vielleicht nicht so, das transportieren die Medien, Sport ist etwas Reines, das sind alle Leute wie du und ich, da geht es nicht um Geld. Aber es geht da um Geld, und Spitzensportler wird man nicht, nur weil man ein guter Mensch ist.“

Jonathan Sachse ist ein profunder Kenner der Radsportszene. Die letzten zwei Jahre begleitete er die Tour de France live mit und berichtete unter anderen für das ZDF. Jetzt hat er ein wenig vorgeschlafen. Er widmet in seinem Blog unter dem Titel Lanceoprah – Business Day One dem Ex-Tour de France Seriensieger Lance Armstrong und der charmanten Talkshow-Moderatorin  Oprah Winfrey die volle Aufmerksamkeit.

,,Ich werde meinen Schlafrhythmus bis Samstag ein wenig auf amerikanische Zeitzonen verschieben, sodass ich heute irgendwann am späten Nachmittag hoffentlich im Bett liege und dafür über Nacht eine Live-Versorgung garantieren kann.“

Nun denn. Live-Versorgung klingt gut. Jonathan Sachse will die Ausstrahlung der Armstrong Verteidigungstaktik intensiv begleiten. Das TV-Interview mit den zwei Prominenten aus dem Show-Business ist bereits in einem Hotel in Austin aufgezeichnet worden. Peter Ahrens titelt auf Spiegel Online Dopingbeichte im TV: Tröpfchenweise Wahrheit und bescheinigt dem Anwalt von Lance Armstrong eine gewissenhafte Vorbereitung des medialen Auftritts:

,,Auch wenn Armstrong gesagt hat: Winfrey könne „fragen, was immer sie will, ich werde direkt, ehrlich und offen antworten“, darf man davon ausgehen, dass jedes Wort, das Armstrong vor den Kameras gesprochen hat, von seinem Staranwalt Tim Herman im Vorfeld sorgfältigst abgewogen und zurechtgelegt worden sein wird. Direkt, ehrlich, offen – das sind nicht die Attribute, mit denen man Armstrong zuallererst in Verbindung bringt.“

Die TV-Show ist selbstverständlich ausgeklügelte PR-Strategie. Da ist sicherlich nichts dem Zufall überlassen worden. Gleichzeitg auch ein gutes Lehrbeispiel für alle PR-Agenturen. Lehrstoff für den Umgang mit scheinbar ausweglos erscheinenden Situationen. Krisenmanagement in Reinkultur. The Guardian hebt derweil für das Publikum vorsorglich schon den Zeigefinger:

 „Die PR-Strategie der Tropf-fürTropf-Veröffentlichung wurde perfekt umgesetzt. Lasst Euch nicht verkohlen: Das einzige, was Lance derzeit beschäftigt, sind die Gerichtsverfahren, mit denen er umgehen muss.“

Eigentlich darf beim Thema Doping auch nicht die Stimme von Prof. Werner Franke fehlen. Der vielleicht bekannteste Dopingexperte Deutschlands flüchtet sich im Interview mit Focus Online unter dem Titel ,,Armstrong bei Oprah? Das ist für mich Satire!“ fast ein wenig in Ironie und verweist auch auf die Problemstellen im eigenen Land

,, Er hat ja immer noch beste Kontakte. Vielleicht kommen auch Georg Bush oder Bill Clinton während dieser Oprah-Sendung hereingeradelt, mich überrascht da nichts mehr, mich bringt das alles eher zum Lachen. Was mich aber stört: Jetzt zeigen wieder alle mit dem Finger auf die USA. Dabei darf in Deutschland niemand etwas Erschreckendes über die Geschehnisse dort sagen, hier geht es genauso zu. Hier gab es sogar noch nie eine Strafe für einen West-Sportmediziner wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz oder wegen Beihilfe zur Körperverletzung. Das zeigt doch, wie korrupt das Land ist. In Deutschland hat auch noch nie ein Arzt wegen Dopings die Approbation verloren, das sagt alles.“

Menschenskinder, dass es den Begriff West-Sportmediziner 22 Jahre nach der deutschen Einheit noch gibt. Bei genauerer geografischer Ortung heißt es vielleicht dann irgendwann Süd-West-Sportmediziner. Ansonsten ist kehren vor der eigenen Haustür natürlich immer zu empfehlen. Gar keine Frage.

Die Heuchelei um Lance Armstrong wird so schnell kein Ende nehmen. Es ist guter Filmstoff. Gemixt mit allen Komponenten einer klassischen Hoolywoodstory. Irgendwann wird die Geschichte vom gefallenen Radsporthelden und Krebsbezwinger verfilmt werden. Da bin ich mir sehr sicher.

Tour de France Sieger Jan Ullrich steigt bei LOWOXYGEN® ein

Jan Ullrich war einst der Quotenbringer für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. ARD und ZDF erlebten jedesmal einen warmen Sommer voller gebannter Zuschauer vor dem Fernseher. Die Duelle am Berg oder gegen die Zeit vom Rostocker Energiebündel Jan Ullrich waren legendär. 

Bei Erfolg sonnen sich immer gerne viele im Rampenlicht. Sportjournalisten suchten seine Nähe. Sponsoren suchten seinen Namen für den Verkauf Ihrer Produkte und zur Steigerung des Imagefaktors. Politiker suchten den Schulterschluss um positive Bilder zu erzeugen. Jan Ullrich war in aller Munde. Dann wurde es ruhiger um ihn. Blieben die Schulterklopfer und Händeschüttler in seiner Nähe? Erfolg ist sexy. Läuft es dagegen einmal weniger gut verkrümeln sich sehr viele. Diese Erfahrung musste auch Jan Ullrich machen.

Wie ein Damoklesschwert gab es dann immer wieder dieses eine Wort mit …. Eine ganze Sportart schien vom Sattel zu fallen. Auf einmal galt der einst so populäre Radsport als Schmuddelkind der Nation.

Filmregisseur Pepe Danquart in jenem spektakulären Interview mit Theatermacher René Pollesch (Dank nochmals an die bemerkenswerten Fragen von Matthias Dell) auf Der Freitag im Jahr 2009, erinnerte an die Anfänge der Tour:

,,Bei der Recherche für meinen Film „Höllentour“ habe ich mir die Entstehungsgeschichte angeguckt. Der erste Fahrer, der auf dem Tourmalet ankam, hat die Organisatoren, die da oben waren, angeschrien: Mörder, Mörder, Mörder. Das sollten wir uns beim Thema Doping in Erinnerung rufen: Es ist mörderisch.“

Den Film Höllentour habe ich einst selber mit meiner Jahrhundertliebe im Kino in Nürnberg gesehen. Beeindruckende Bilder. Faszination Radsport. Dagegen wirkt eine Sportschau mit müden Kicks aus der drittklassigen Liga wie ein Kaffeekränzchen. Danquart hat den Film damals sensationell hingekriegt.

Am 24. Juli 2011 schrieb ich hier im Blog unter dem Titel Jan Ullrich mit neuem Management und Perspektiven unter anderen:

,,Die CHARLYSTEEB GmbH beschäftigt sich mit Vermarktung, Marketing, Klientenmanagement und Eventmanagement. Jan Ullrich will nochmals beruflich durchstarten. Ich finde Lebensläufe mit einem Hoch und einem folgenden Tal und dem sich wieder aufrappeln und aufstehen sehr spannend. Als Reinhold Messner 1970 am Nanga Parbat seinen Bruder Günther verlor und selber sechs Monate in der Innsbrucker Klinik für Gefäßchirurgie zubringen musste, gab keiner der sogenannten Experten noch einen Pfifferling auf den jungen Bergsteiger. Messner bestieg anschließend noch alle Achttausender, durchquerte die Antarktis, gründete ohne staatliche Fördergelder einzigartige Museen und wurde ein erfolgreicher Buchautor und charismatischer Redner.

Doch ich will Jan Ullrich nicht zuviel Last aufbürden. Mich würde es freuen wenn er ein starkes Comeback hinlegen kann.“

Das Comeback nimmt Konturen an. Jan Ullrich will beruflich richtig durchstarten. Auf seiner neu gestalteten Website liest sich das ganze unter der verheißungsvollen Überschrift Jan Ullrich steigt bei zukunftsweisendem Technologie-Unternehmen für Höhenklima ein unter anderen so:

,,Jan Ullrich macht einen weiteren richtungsweisenden Schritt in seine Zukunft und startet als Unternehmer: Der gebürtige Rostocker ist ab sofort als Gesellschafter im Board of Directors der LOWOXYGEN® International mit Sitz in Dubai tätig. LOWOXYGEN® International vereint internationales Know How in der Trainingsmethodik und Patente rund um künstliches Höhenklima. Die zukunftsweisende Technologie LOWOXYGEN® SYSTEMS ermöglicht die Entstehung und Erhaltung von Höhenklima bzw. Atmosphären mit geringerem Sauerstoffpartialdruck, ohne dabei den Luftdruck senken zu müssen. Zu dem Referenzkreis von LOWOXYGEN® Systems zählen zahlreiche Olympiasieger, Welt -und Europameister, sowie Nationalteams.“

Da kann ich doch nur viel Erfolg wünschen, Durchhaltevermögen, gute Ideen, Energie und unternehmerische Toursiege.

Mentale Einstimmung auf die Tour de France 2011

Nein, heute wird kein Tatort geschaut. Ich mag nicht. Zeit Online titelt Gefangen im Klischee und beschäftigt sich mit dem Krimi zur 20.15 Uhr Prime Time zum Thema Frauenfußball und wagt auch einen Rückblick:

,,Eigentlich undenkbar in Zeiten der „schönsten WM aller Zeiten“ 2011: Als Kind durfte Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts in einem Dorf bei Kassel noch in keinem Verein spielen.“

Der Fernseher bleibt heute Abend aus. Dabei mag ich das Ermittlerduo Folkerts und Hoppe. Doch mir wird das Frauenfußball Thema einfach zu laut, zu marktschreierisch, zu nervend, mit dieser einfach unsensibel angeschmissenen Marketingmaschinerie angeboten. Ich muss leider ablehnen.

 Stattdessen wird es noch ein wenig mentale Einstimmung auf die Tour de France geben. Ich werde mir noch einige spektakuläre Interviews zu Gemüte führen. Da fällt mir doch das Frage-Antwort Spiel zwischen Matthias Dell und Filmemacher Pepe Danquart sowie Theatermacher René Pollesch auf Der Freitag aus dem Jahr 2009 ein. Legendär. Dieses Interview hat einfach Charme. Alleine der Einstieg in das Gespräch:

Pepe Danquart (kommt etwas später): ,,Entschuldigung, ich musste noch die Etappe zu Ende gucken.“

Danquart, Macher des Films Höllentour   im weiteren Verlauf des Interviews zur Tour de France und einstweiliger Sehgewohnheit während der Frankreichrundfahrt:

,,Das stimmt. Ich hab‘s eine Weile nicht mehr angeguckt. Die Deutschen haben so eine Art, was sie machen, richtig zu machen, und wenn sie gegen Doping sind, dann so, dass man‘s nicht mehr ertragen kann. Das war eine richtige Hysterie. Wobei ich mich dann immer frage, warum Langstreckendistanzen bei Olympia übertragen werden. Oder Wintersport. Eisschnelllauf.“

Nach dem erneuten intensiven Lesen des Interview ist meine mentale Einstimmung auf den 2. Juli 2011 jedoch noch nicht beendet. Ich brauch jetzt noch eine Prise philosophisches zur Tour. Da gibt es ja noch jenes Spiegel Interview mit Hobbyradler und Philosoph Peter Sloterdijk unter dem Titel Hundsgewöhnliche Proletarier aus dem Jahr 2008. Lance Armstrong wird aus dem proletarischen Basislager herausgenommen und bekommt folgende Worte zu lesen:

,,Etwas in dieser Art, ja. Da soll ein numinoser Sprung passieren, wie man es zuletzt 2003 an Lance Armstrong auf der Pyrenäenetappe nach Luz Ardiden beobachten konnte, als sein Lenker bei einem Anstieg in der Plastiktüte eines Zuschauers hängenblieb, so dass er stürzte, elf Kilometer vor dem Ziel. Daraufhin geschah das, was Barthes ein halbes Jahrhundert zuvor den „Jump“ genannt hatte. Ein plötzlicher Energiestoß, der Armstrong erlaubte, mit dem Zorn des Achilles noch einmal anzugreifen. Der trieb ihn zum Gipfel und an allen Konkurrenten vorbei.“

Lance Armstrong wird dieses Jahr nicht mehr an den Start gehen. Sein Comeback hat einst für Schlagzeilen gesorgt. Der Teamkollege von 2009, Alberto Contador, geht jedoch auch munter 2011 an den Start. Die Kritik vom ehemaligen Gerolsteiner Radsport-Teamchef Michael Holczer am erneuten Start von A.C. (bei Spox nachzulesen) wird den Spanier nicht tangieren. Contador geht da unbeirrt seinen eigenen Weg. Die Geschichte mit dem Fleisch wird aus seiner Sicht wohl auch total überbewertet.

Die Tour braucht natürlich wieder Helden und Wasserträger. Es gehen ja wieder die zwei Schleck Brüder an den Start. Im Leopard Trek Team stehen mittlerweile mit Linus Gerdemann, Fabian Wegmann, Jens Voigt, Robert Wagner und Dominic Klemme 5 Deutsche unter Vertrag. Weitere Mitglieder im illustren Kreis des luxemburgischen Teams sind Fabian Cancellara oder Stuart O’Grady. Hier geht es zur kompletten Mannschaft auf wikipedia.

Zum Abschluss zieh ich mir auch nochmals das damalige Sonntagsinterview vom Tagesspiegel mit Jörg Jaksche unter dem Titel „Am Ende war ich der Idiot“ rein und schau kurz dabei aus dem Fenster in die phantastische Landschaft am Bodensee. Jaksche prägnant:

,,Diese ganzen Schreihälse, die gerufen haben: der Ullrich, der Ivan Basso, der Jaksche – auf den Scheiterhaufen mit ihnen, verbrennt sie! Die waren mir schon immer zuwider. Der selbst gedopte Bjarne Riis hat viermal am Tag gesagt, der Basso ist für mich wie ein Bruder, und plötzlich war er ganz enttäuscht, als Basso erwischt wurde.“

Enttäuschung. Ein großes Wort. Enttäuschung ist auch immer das Ende der Täuschung. 

Die Höllentour im Juli – Tour de France

Für die einen ist es die größte rollende Apotheke auf Rädern und für die anderen das faszinierendste Radrennen der Welt. Die Höllentour im Juli. Die Tour der Leiden. Die Tour der Berge. Kaum eine Sportveranstaltung polarisiert so wie die Tour de France. 2004 brachte Pepe Danquart den Film Höllentour in die Kinos.

Meine Liebste und ich haben uns damals diesen Film in Nürnbergs größten Kino angeschaut. Die Bilder sind faszinierend. Ich steh dazu. Im vergangenen Jahr hat Matthias Dell für Der Freitag ein bemerkenswertes Interview mit dem Filmregisseur Pepe Danquart und Theatermacher René Pollesch unter dem Titel Die Moral der Käfer geführt. Danquart zum Mythos der Tour:

,,Für mich ist der Mythos nicht zerstört. Der wurde mir genommen von denjenigen, die glauben, mir ihr verlogenes Moralgehabe mitgeben zu müssen. Dass gedopt wurde in dem legalen und halblegalen Rahmen, war immer bekannt. Das Faszinosum für mich ist der Held, der Gott, auch sein Fall, wenn er wieder Mensch wird.“

In seinem Film ist auch die Szene mit Andreas Klöden aus dem Tourjahr 2003 zu sehen. Schwer angeschlagen besteigt er den Besenwagen. Diese Bilder sieht der Fernsehzuschauer normal bei Eurosport oder den Öffentlich-Rechtlichen nicht.

,,Die wahren Helden sind die, die niemand wahrnimmt, die aussteigen, im Besenwagen weinen, über die keiner berichtet. Darum ging es mir in meinem Film. Natürlich ist der Kampf um die Spitze interessant. Aber die Frage ist doch: Was macht einer, wenn er auf die Fresse fliegt und am nächsten Tag wieder aufs Rad steigen muss? Das kannst du nicht mit Doping erklären. Und es interessiert sich kein Massenmedium, wenn ein Team Telekom immer nur sechster wird.“

Das Thema Doping wird einem beim Radsport immer entgegengebracht. Eigentlich hat Ralf Meutgens in seinem Buch Doping im Radsport fast alles dazu gesagt. Unbedingt Lesen.

Eurosport konnte einst folgende Bilder zeigen. Ein deutscher Radheld im Gelben Trikot. Jan Ullrich auf Platz 1 der  Gesamtwertung mit phänomenalen Abstand zum Zweitplazierten.  Oder die Bilder vom nicht mehr unter unter den Lebenden weilenden italienischen Radprofi Marco Pantani. Oder den einstigen französischen Bergspezialisten Richard Virenque im rot-weiß gepunkteten Bergtrikot.

Heute schreiben wir das Jahr 2010. Der bestplatzierte deutsche Radsportler ist Andreas Klöden. Er fährt im Armstrong Team RadioShack. Der Texaner erlebt bei seiner letzten Tour gerade den Absturz vom Radgott zum Mensch. Alberto Contador fährt wieder im Gelben Trikot. Das deutsche Team Milram wird es nächstes Jahr nicht mehr geben. Radsportler mit bewegter Vergangenheit wie Basso und Winokurow sind ebenfalls wieder munter mit im Peleton. Die Karawane zieht weiter.