Fußball-WM 2014: Meine Tage mit Übungsleiter Löw (27)

Fußball-WM 2014: Meine Tage mit Übungsleiter Löw (27)

Nach der Völkerschlacht zwischen Brasilien und Kolumbien hat Feldherr Scolari jetzt erstmalig nach vier Spielen hintereinander gegen nichteuropäische Mannschaften wieder ein Team aus Europa vor der Brust. Sehr schöne Halbfinalpaarung.

Brasilien – Deutschland  

Dienstag, 08. Juli, 22.00 Uhr, Belo Horizonte, im ZDF

Ein Sporthändler hier am Bodensee dekorierte Wochen vor Beginn der WM sein Schaufenster unter anderen mit einem leuchtenden Gelb.Traveler Digital Camera

Wie stark wirkte eigentlich der Heimvorteil für den Gastgeber im Halbfinale der bisherigen WM-Geschichte? Ein kleiner Ausflug wenige Stunden vor Beginn des Spektakels.

Der letzte WM-Gastgeber der seinen Heimvorteil in einem Halbfinale versemmelte war Deutschland 2006. An der Seitenlinie Jürgen Klinsmann und sein damaliger Assistent Joachim Löw. In der Kathedrale des deutschen Fußballs, in jenem eindrucksvollen Stadion in Dortmund, gab es jene schmerzhafte Niederlage gegen den späteren Weltmeister Italien. Auch vier Jahre vorher konnte der Gastgeber seinen Vorteil nicht in eine Finalteilnahme umwandeln. Südkorea schied 2002 in Seoul an Kahn und Ballack im Halbfinale mit 0:1 aus. Wir schauen ins Jahr 1998. Da gelang es Gastgeber Frankreich im Duell mit Kroatien den Einzug ins Endspiel mit einem knappen 2:1 Sieg nach einem Rückstand in der 46. Minute durch Davor Suker zu realisieren. Für die französische Mannschaft traf damals der beim AC Parma unter Vertrag stehende Verteidiger Lilian Thuram zweimal in der 47. und 69. Minute. 5 Minuten später dann die rote Karte für Laurent Blanc. Frankreich rettete in Unterzahl den Vorsprung ins Ziel gegen starke Kroaten, die im Viertelfinale Deutschland mit 3:0 aus dem Turnier geworfen hatten.Traveler Digital Camera

1990 gelang es ebenfalls dem Gastgeber nicht seinen Heimvorteil in einen geschichtsträchtigen Finaleinzug umzumünzen. Italien führte lange durch das Tor von Salvatore Schillaci aus der 17. Minute. Jedoch glich Claudio Caniggia in der 67. Minute aus. Dann die Verlängerung und das Drama Elfmeterschießen. Der damals für den SSC Neapel spielende Diego Maradona schoss den letzten Elfmeter für Argentinien und verwandelte. Aldo Serena verschoss anschließend und da auch Roberto Donadoni für die gastgebenden Italiener nicht getroffen hatte, war das italienische Sommermärchen für die Nerven zeigende Mannschaft von Coach Azeglio Vicini vor 24 Jahren beendet.Traveler Digital Camera

1966 gab es einen Gastgebersieg im Halbfinale. England mit Banks, den Charlton Brüdern, Cohen, Wilson, Stiles (der hätte Spaß gehabt bei der Völkerschlacht Brasilien gegen Kolumbien am letzten Freitag – er ging keinem körperlich robusten Zweikampf aus dem Weg, mit dem Hang bis zur Nutzung aller legalen Grenzen und bisweilen auch dem Überschreiten der Regeln),  Moore, Ball, Peters, Hunt und Hurst. Diese Mannschaft besiegte in dieser Aufstellung Portugal mit dem großen Eusebio 2:1. In dem Jahr 1966 war übrigens der TSV 1860 München deutscher Meister. Bayern München holte sich den deutschen Pokalsieg und Borussia Dortmund gewann den Europacup der Pokalsieger. Deutschland unterlag damals dem Gastgeber England im Finale nach Verlängerung mit 2:4.Traveler Digital Camera

Bei der WM in Chile gab es im Halbfinale die Paarung von Gastgeber Chile gegen Brasilien. Brasilien hatte damals im Turnier ihren Star Pele durch Verletzung in der Vorrunde verloren. Doch sie hatten noch andere Stars in ihren Reihen. Der unvergessliche Garrincha erzielte die Tore zum 0:2 in der 9. und 32. Minute. Am Ende mussten sich die Chilenen den Brasilianern mit 2:4 geschlagen geben.Traveler Digital Camera

1958 musste der amtierende Weltmeister Deutschland beim Gastgeber Schweden im Halbfinale antreten. Die schnelle Führung der Deutschen durch Schäfer glich Skoglund aus. Mit dem 1:1 ging es für beide Teams in die Pause. Die schwedische Mannschaft erzielte in der 80. Minute das vorentscheidende 2:1. In der 89. Minute erhöhte Hamrin auf den 3:1 Endstand. Der Heimvorteil trug die Skandinavier ins Endspiel gegen die damalige Übermannschaft Brasilien. Mit Gilmar, Djalma Santos, Bellini, Orlando, Nilton Santos, Zito, Didi, Garrincha, Vava, Pele und Zagallo hatten die Südamerikaner ein Dream-Team zusammen.Traveler Digital Camera

Jetzt tief durchatmen. 1934 gewann Gastgeber Italien gegen Österreich im Halbfinale knapp mit 1:0. Die Umstände des Sieges der Italiener gegen das damalige Wunderteam der Österreicher liest sich bei Bruder Wikipedia so:

,,Mit diesem Erfolg stand die österreichischen Nationalelf im Weltmeisterschaftshalbfinale, wo man auf die Mannschaft des Gastgebers traf und knapp mit 0:1, nach einer zweifelhaften Schiedsrichterleistung des Schweden Eklind, verlor. Dieser war tags zuvor noch Ehrengast Benito Mussolinis gewesen. Österreich begann sehr ambitioniert und vergab in der Anfangsphase bereits eine große Chance durch Sindelar. In der 18. Minute jedoch brach der Italiener Orsi am linken Flügel durch und flankte zur Mitte. Platzer sprang hoch und konnte den Ball fangen, wurde aber von Meazza und Schiavio gefoult und im Fallen über die Torlinie gestoßen. Stark benommen blieb Platzer am Boden liegen, der schwedische Schiedsrichter Eklind erkannte trotz dieser unfassbaren Regelwidrigkeit das Tor an.“

Fair geht anders.Traveler Digital Camera

1930 bezwang Gastgeber Uruguay den Kontrahenten Jugoslawien mit 6:1 und zog ins Endspiel ein. Dort sollten sie die erste Weltmeisterschaft in der Geschichte gegen Argentinien mit einem 4:2 gewinnen. Die Jugoslawen hatten in der Vorrundengruppe 2 gegen Brasilien und Bolivien gewonnen und damit den heutigen Halbfinalgegner der Deutschen aus dem Turnier geworfen.Traveler Digital Camera

Insgesamt gibt es eine Bilanz von 9 Halbfinalspielen von WM-Gastgebern und davon kamen fünf ins Endspiel. Uruguay 1930, Italien 1934, Schweden 1958, England 1966 und Frankreich 1998. Auf der Strecke blieben kurz vor dem Finaleinzug Chile 1962, Italien 1990, Südkorea 2002 und Deutschland 2006.

Übersteht die Mannschaft von Übungsleiter Löw die ersten 25 Minuten ohne Gegentor gegen die leidenschaftlichen Brasilianer bestehen die Chancen 50% zu 50%. In der Vorrunde haben die Brasilianer eher sehr durchwachsen gespielt. Das ist Schnee von gestern. jetzt stehen sie im Halbfinale. Scolari ist bekannt dafür, seine Mannschaften notfalls mit der nötigen Härte aufs Feld zu schicken. Siehe die Partie damals 2006 in Nürnberg zwischen dem von ihm betreuten Portugal und der Niederlande im Achtelfinale. Die sueddeutsche seinerzeit:

,,Die Partie Portugal gegen Holland entwickelte sich zum Skandalspiel: Vier rote und 16 gelbe Karten machten das Spiel zu einer dramatischen Rauferei. Die Portugiesen kämpften sich besser durch und gewannen mit 1:0. Portugal hat in einer wahren Fußball-Schlacht den niederländischen Titeltraum zerstört.“

Feldherr Felipe Scolari machte sich damals nicht sehr viele Freunde unter den niederländischen Fußballfans. Apropos Anhänger aus den Niederlande. Ein schachspielender Fußballfreund aus unserem sympathischen Nachbarland mailte mir gestern einen Lesehinweis auf mochinegun:

,,For José Pekerman this was a chance to right the wrongs of the Germany match, but he must have been feeling a sense of dread as the parallels with 2006 continued to grow (and no one has beaten Brazil in a competitive home game since Peru turned them over in 1975). Was another tragedy on the horizon, or could Pekerman defeat his demons and Brazil to guide his brilliant Colombia side into the World Cup Semi-Finals?“

Auf Betriebstemperatur in diesen entscheidenden Tagen auch Fokus Fussball, allesaussersport, sportspool.tv und spielverlagerung.

Nachdenkenswert #209

,,Der stern hat recht darin, Michael Schumacher in einem Atemzug mit Pelé und Muhammad Ali zu nennen. Warum? Wenn diese Sportler in Aktion waren, habe ich mir immer den Wecker gestellt. Mehr Respekt geht nicht.“

      Angelika Schwarz-Prause, Oldenburg, auf der Leserbriefseite im stern Nr. 4/2014

Live WM-Auslosung Brasilien 2014

Guten Abend. ARD ist drauf. Ich sehe Elber und Scholl. Schalte in den Saal.

Es werden bewegende Bilder von Nelson Mandela gezeigt.

Auslosung wird in 180 Länder übertragen. Es kommt jetzt ein 45-minütiger Show-Teil, bevor es mit der Auslosung ernst wird.

Brasilianische Sequenzen der Lebensfreude werden gezeigt.

Ein Gesangspaar bringt eine musikalische Note. Eine Frau und ein Mann. Er ist Rapper. Sie trägt rot.

Der FIFA-Boss und die Präsidentin Brasiliens kommen auf die Bühne. Es folgt eine Schweigeminute im Gedenken an den großen Nelson Mandela.

Präsidentin Dilma Roussef hält eine Rede. Ihr Kleidungsstil erinnert mich irgendwie an den von Frau Merkel.

Jetzt Blatter. Schwer zu ertragen.

Jetzt wieder Frau Roussef. Sie outet sich als Fan der brasilianischen Nationalmannschaft. Verweist auf 5 Titel. Die ununterbrochene Teilnahme an allen Turnieren in der Geschichte der Weltmeisterschaften. Sie hebt Pele heraus. Nennt Ronaldo als Rekordtorschütze der WM-Historie.

Uhrenvergleich 17.20 Uhr.

Es werden schöne historische Sequenzen aller WM-Turniere gezeigt. Schmerzhaft die Niederlage von Brasilien 1950 gegen Uruguay und die der deutschen Elf 1966 in Wembley.

Maradona 1986. Das Jahrhunderttor gegen England. Die englischen Verteidiger werden wie Slalomstangen umkurvt.

Sommermärchen 2006 mit dem Sieg der Italiener. Gab es auch 1982.

Schnelldurchlauf der WM-Geschichte ist durch.

Vincente del Bosque bringt den WM-Pokal auf die Bühne.

Es folgt eine erneute Gesangseinlage. Diesmal eine Sängerin im gelben Kleid und ein Sänger im weißen Anzug. Klingt lebenslustig. Im Hintergrund auf der Videoleinwand Fußball-Sequenzen.

Der ARD Moderator stellt im Schnelldurchlauf alle WM-Teilnehmer vor. Geordnet nach geografischer Herkunft. Vorstellung erfolgt zweigeteilt. Dazwischen hat Ronaldo einen Kurzauftritt. Er hat zugelegt. An Gewicht. Habe ihn noch vom Auftritt im Finale 2002 vor meinen Augen. Ich lege eine kleine Oliver Kahn Gedächtnisminute ein.

Zeit für Maskottchen. Flankiert von Frauenfußballerin Marta und Romario. Kleine Tanzeinlage.

Was macht eigentlich Jürgen Klopp gerade?

Auf der Bühne geht es weiter. Balletteinlage. Sieht etwas wie Gymnastik nach Noten aus. Die Akteure haben aber Spaß. Der Beifall aus dem Saal fällt etwas spärlich aus.

Jetzt plaudert der brasilianische Moderator über Pele. Ein großer. Die Moderatorin nimmt ihm den Glauben ab. Er glaubt an den Einzug von Brasilien in das Endspiel. Pele erzählt von seinem Vater und dessen Tränen im Jahr 1950. Jene 1:2 Niederlage im Maracana vor 200.000 Zuschauern. Pele steigert sich hinein. Er glaubt jetzt sogar an einen Sieg. Die Tränen seines Vaters soll seine Familie nicht wieder erleben müssen.

Die Spielorte werden im Schnelldurchlauf vom ARD Moderator vorgestellt.

Die Auslosung soll jetzt konkreter werden. Von der FIFA tritt Herr Valcke auf die Bühne. Er benötigt Hilfe. Die brasilianische Moderatorin ruft jetzt den Engländer Hurst auf. Dann folgt der argentinische Sturmtank Mario Kempes. Für Italien kommt Fabio Cannavero auf die Bühne. Nun folgt Lothar Matthäus. Jetzt Zidane. Für Brasilien Cafu. Für Uruguay kommt Alcides Edgardo Ghiggia auf die große Schaubühne.

Einen muss ich noch nachtragen. Der spanische Vertreter. Fernando Hierro.

Auslosung erfolgt.

Gruppe A Brasilien, Kroatien, Mexiko, Kamerun

Gruppe B Spanien, Niederlande, Chile, Australien

Gruppe C Kolumbien, Griechenland, Elfenbeinküste, Japan

Gruppe D Uruguay, Costa Rica, England, Italien,

Gruppe E Schweiz, Ecuador, Frankreich, Honduras,

Gruppe F Argentinien, Bosnien-Herzegowina, Iran, Nigeria

Gruppe G Deutschland, Portugal, Ghana, USA

Gruppe H Belgien, Algerien, Russland, Südkorea

Boateng Festspiele. Klinsmann trifft Löw. Klinsi lächelt verschmitzt.

Hitzfeld kann bis jetzt zufrieden sein.

Spanien und die Niederlande treffen diesmal bereits in der Vorrunde aufeinander.

Ronaldo trifft mit Portugal auf die deutsche Elf.

Gruppe D ist schön knackig mit Urugay, Italien, England und der Mannschaft aus Costa Rica.

Musikalische Untermalung mit einer Sängerin und Hintergrundtrommlern.

Mehmet Scholl findet Gruppe machbar.

Gute alte Bekannte. Scholl:

,,Jürgen kann auch nicht zaubern.“

Dann noch Boateng und Ronaldo. CR7. Was hängt man sich eigentlich immer an seiner Haarfrisur auf?

Jetzt geht es in die Werbung. Media Markt mit der lauten Reklamewelle. Harndrang wird in einem anderen Spot thematisiert. Saturn darf auch in Sachen Technik ran. BMW zeigt auch eine Werbesequenz.

Okay, für heute nehme ich die Fernbedienung in die Hand. Kieser Training steht noch an. Ich freu mich drauf.

Einen schönen Abend noch.

Fußball WM 2010: Brasilien setzt Prioritäten

Die deutsche Nationalmannschaft musste vor der WM auf den PR-Besuch von Angela Merkel verzichten. Die protestantische Pfarrerstochter hatte andere Probleme. Horst Köhler verhagelte Frau Merkel den Termin bei Jogi Löw, indem er das Amt des Bundespräsidenten lustlos wegwarf. Schlechtes Timing. Seitdem war nicht viel von verbaler Unterstützung für die deutschen Fußballer aus dem Bundeskanzleramt für die Mission 4. Stern zu hören.

Ganz anders präsentiert sich da Brasiliens Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva. Im Sonntagsblitz bekommen wir seine emotionalen Power-Worte zu lesen:

,,1994 hatten wir ein Team von Hinkebeinen, aus dem nur Romario herausragte. Wir haben hässlich gespielt und trotzdem die WM gewonnen. Schönes Spiel zählt nicht. Das Einzige was zählt, ist der Gewinn des WM-Pokals.“

Ist das eine Ansage? Absage an das Schönspielen. Klare Prioritäten werden gesetzt. Okay, er lässt den südamerikanischen Macho raushängen. 1994 benötigte Brasilien im Finale gegen Italien ein untypisches Elfmeterschießen zum WM-Titel. 1970 schlug die brasilianische Pele-Elf in Mexico-City Italien nach 90 Minuten mit begeisternden Offensivfußball 4:1. Mein Vater und mein Onkel schwärmten bei manchen Geburtstagsfeiern von diesem Spiel.

Schiedsrichter im WM-Endspiel vor 40 Jahren war übrigens Rudi Glöckner aus Markranstädt. Jenes Markranstädt ist heute die Heimstätte von RB Leipzig, die mit Hilfe von Red Bull konsequent das Projektziel Bundesliga verfolgen. Der aktuelle Aufstieg bringt einen Umzug in das Leipziger Zentralstadion mit sich.

Doch zurück zu Brasilien. Sie gehören zu meinen 3 Turnierfavoriten. Den Ball von Lula da Silva nimmt Coach Carlos Dunga auf und unterstreicht die Prioritäten im Sonntagsblitz.

,,Es geht allein um Effizienz. Alles andere ist unwichtig.“

Er weiß wie es geht. 1994 war Kapitän Dunga einer der „Hinkebeine“ um Romario herum und stemmte den WM-Pokal in den amerikanischen Himmel.

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