Über Pep Guardiola reden wir ein andermal. Es ist Lance Armstrong Beichtzeit. Oder ist das mit der Beichte ein wenig hochgegrifffen? Bevor wir weiter in das Thema einsteigen vorab ein Statement von Pepe Danquart, Filmemacher von Höllentour, in einem legendären Interview mit der Freitag unter dem Titel Die Moral der Käfer:
,,Von Politik und Wirtschaft denken die Leute, die sind eh alle korrupt. Beim Sport ist das vielleicht nicht so, das transportieren die Medien, Sport ist etwas Reines, das sind alle Leute wie du und ich, da geht es nicht um Geld. Aber es geht da um Geld, und Spitzensportler wird man nicht, nur weil man ein guter Mensch ist.“
Jonathan Sachse ist ein profunder Kenner der Radsportszene. Die letzten zwei Jahre begleitete er die Tour de France live mit und berichtete unter anderen für das ZDF. Jetzt hat er ein wenig vorgeschlafen. Er widmet in seinem Blog unter dem Titel Lanceoprah – Business Day One dem Ex-Tour de France Seriensieger Lance Armstrong und der charmanten Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey die volle Aufmerksamkeit.
,,Ich werde meinen Schlafrhythmus bis Samstag ein wenig auf amerikanische Zeitzonen verschieben, sodass ich heute irgendwann am späten Nachmittag hoffentlich im Bett liege und dafür über Nacht eine Live-Versorgung garantieren kann.“
Nun denn. Live-Versorgung klingt gut. Jonathan Sachse will die Ausstrahlung der Armstrong Verteidigungstaktik intensiv begleiten. Das TV-Interview mit den zwei Prominenten aus dem Show-Business ist bereits in einem Hotel in Austin aufgezeichnet worden. Peter Ahrens titelt auf Spiegel Online Dopingbeichte im TV: Tröpfchenweise Wahrheit und bescheinigt dem Anwalt von Lance Armstrong eine gewissenhafte Vorbereitung des medialen Auftritts:
,,Auch wenn Armstrong gesagt hat: Winfrey könne „fragen, was immer sie will, ich werde direkt, ehrlich und offen antworten“, darf man davon ausgehen, dass jedes Wort, das Armstrong vor den Kameras gesprochen hat, von seinem Staranwalt Tim Herman im Vorfeld sorgfältigst abgewogen und zurechtgelegt worden sein wird. Direkt, ehrlich, offen – das sind nicht die Attribute, mit denen man Armstrong zuallererst in Verbindung bringt.“
Die TV-Show ist selbstverständlich ausgeklügelte PR-Strategie. Da ist sicherlich nichts dem Zufall überlassen worden. Gleichzeitg auch ein gutes Lehrbeispiel für alle PR-Agenturen. Lehrstoff für den Umgang mit scheinbar ausweglos erscheinenden Situationen. Krisenmanagement in Reinkultur. The Guardian hebt derweil für das Publikum vorsorglich schon den Zeigefinger:
„Die PR-Strategie der Tropf-fürTropf-Veröffentlichung wurde perfekt umgesetzt. Lasst Euch nicht verkohlen: Das einzige, was Lance derzeit beschäftigt, sind die Gerichtsverfahren, mit denen er umgehen muss.“
Eigentlich darf beim Thema Doping auch nicht die Stimme von Prof. Werner Franke fehlen. Der vielleicht bekannteste Dopingexperte Deutschlands flüchtet sich im Interview mit Focus Online unter dem Titel ,,Armstrong bei Oprah? Das ist für mich Satire!“ fast ein wenig in Ironie und verweist auch auf die Problemstellen im eigenen Land
,, Er hat ja immer noch beste Kontakte. Vielleicht kommen auch Georg Bush oder Bill Clinton während dieser Oprah-Sendung hereingeradelt, mich überrascht da nichts mehr, mich bringt das alles eher zum Lachen. Was mich aber stört: Jetzt zeigen wieder alle mit dem Finger auf die USA. Dabei darf in Deutschland niemand etwas Erschreckendes über die Geschehnisse dort sagen, hier geht es genauso zu. Hier gab es sogar noch nie eine Strafe für einen West-Sportmediziner wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz oder wegen Beihilfe zur Körperverletzung. Das zeigt doch, wie korrupt das Land ist. In Deutschland hat auch noch nie ein Arzt wegen Dopings die Approbation verloren, das sagt alles.“
Menschenskinder, dass es den Begriff West-Sportmediziner 22 Jahre nach der deutschen Einheit noch gibt. Bei genauerer geografischer Ortung heißt es vielleicht dann irgendwann Süd-West-Sportmediziner. Ansonsten ist kehren vor der eigenen Haustür natürlich immer zu empfehlen. Gar keine Frage.
Die Heuchelei um Lance Armstrong wird so schnell kein Ende nehmen. Es ist guter Filmstoff. Gemixt mit allen Komponenten einer klassischen Hoolywoodstory. Irgendwann wird die Geschichte vom gefallenen Radsporthelden und Krebsbezwinger verfilmt werden. Da bin ich mir sehr sicher.