Heiner Brand macht aus seinem Herzen keine Mördergrube

Er ist der Beckenbauer des deutschen Handballs. Heiner Brand gewann als Spieler in Kopenhagen 1978 den Weltmeistertitel. 2007 coachte er seine Sieben in Köln zum Weltmeister im begeisternden Finale gegen Polen. Doch nach dem Heimerfolg stellten sich keine weiteren großen Erfolge ein. Peking ging total daneben. Ein bitteres Vorrunden-Aus. Heiner Brand hat immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und auf die Defizite in der heimischen Liga hingewiesen. Seine damalige Erkenntnis :

„Seit nahezu zwölf Jahren haben ich immer wieder angemahnt, dass junge Spieler gefördert werden müssen, sonst wird irgendwann dieser Zustand, den wir jetzt gerade erleben, zum Normalfall, und das darf im Sinne des Handballs nicht sein.“

Der Normalfall trat ein. Negativer Höhepunkt war das Abschneiden bei der EM im vergangenen Jahr in Österreich. Ein weiterer Imageschaden für den deutschen Handball. Das Durchhaltevermögen von Brand ist bewundernswert. Manch anderer Coach hätte bereits da hingeschmissen. Jetzt hat der Macher des deutschen Wintermärchens von 2007 in der FAZ ein lesenswertes Interview unter dem Titel Es gibt zu viele Stinkstiefel im deutschen Handball gegeben und macht aus seinem Herzen keine Mördergrube und beantwortet auch die Frage ob eines etwaigen Ausstiegs aus seinem bis 2013 laufenden Vertrags:

,,Solche Gedanken kommen sicherlich immer mal zwischendurch. Ich setze mich mit meiner Situation schon seit längerem auseinander. Die Arbeit mit der Mannschaft, mit dem Präsidium des Verbandes macht mir zwar sehr viel Spaß. Das läuft alles hundertprozentig, das ist ein Teil meiner Motivation. Dass sich allerdings zum Beispiel bei der Ausländerregelung in der Bundesliga gar nichts tut, dass ein Großteil der Leute nur kurzfristige egoistische Ziele anpeilt und sich nicht strategisch mit der Zukunft des Handballs beschäftigt, ist für mich auf Dauer zermürbend. Das Drumherum im Handball ist nicht das, was ich mir vorstelle. Das bringt die Sportart nicht weiter.“

Handball EM 2010

Die Handball EM 2010 geht in die entscheidende Phase. Deutschland wird dabei keine Rolle spielen. Bereits in der Vorbereitung tat sich Deutschland schwer. Beim Freundschaftsspiel in Innsbruck gegen die lernenden Handballer von Österreich gab es ein knappes 30:29. Heiner Brand reklamierte später die überharte Gangart der Gastgeber. Auch die zwei Heimniederlagen gegen Island in der Vorbereitung waren nicht für den Aufbau von Selbstvertrauen geignet. Die Generalprobe gewann Deutschland gegen Brasilien mit 34:22. Doch speziell die erste Hälfte mit dem knappen Halbzeitstand von 17:14 zeigte abermals Schwachpunkte auf.

Projekt Gold war 2010 nicht zu erwarten. 2007 ist immer noch gegenwärtig.

Der Journalist Marc Hankmann äußerte sich im Interview mit mir auf die Frage – Bei welchem sportlichen Großereignis wärst Du gerne als Zuschauer dabei gewesen?- wie folgt:

,,Ich wäre gerne bei der Handball-WM 2007 als Zuschauer bei den Spielen der deutschen Nationalmannschaft gewesen. Da ich vom Handball nicht viel verstehe und für mich als Fußballer ein 2-Tore-Rückstand schon nahezu uneinholbar ist, bin ich bei den Krimis gegen Spanien und Frankreich vor dem Fernseher tausend Tode gestorben. Bei solchen Herzschlagspielen live dabei zu sein, muss nochmal ein viel größerer Kick sein.“

Diese Herzschlagspiele konnte die sehr junge deutsche Mannschaft diesmal nicht liefern. Der Sportsender DSF wirbt immer mit der stärksten Handball-Liga der Welt. Die stärksten Nationalmannschaften der Welt kommen 2010 nicht aus Deutschland. Bundestrainer Heiner Brand zeigte sich nach der 20:25 Niederlage gegen Spanien enttäuscht ob der fehlenden kämpferischen Gegenwehr seines Teams. Im EM Tagebuch schreibt er:

,,Da war nur Olli Roggisch, der – auch wenn er manches Mal den Überblick verlor – immer in Bewegung war. Alle anderen haben nur gestanden und geguckt. Um eine gute Abwehr zu spielen, müssen aber alle sechs Spieler in Bewegung sein. Zum ersten Mal habe ich bei meinen Spielern den allerletzten Willen vermisst, einen Zweikampf zu gewinnen.“

Die Mannschaft ist im Umbruch. Jedoch schmerzen Niederlagen den ehrgeizigen Bundestrainer immer. Er wurde als Spieler 1978 in Kopenhagen Weltmeister und 2007 in Köln beim Wintermärchen coachte er seine Mannschaft zum Titel. Er mahnt seit Jahren die Misstände in der eigenen Liga an. Der deutsche Nachwuchs bekommt in den Vereinen oft fertige ausländische Spitzenspieler vor die Nase gesetzt. Jens Bierschwale schreibt hierzu auf Welt Online  in seinem Kommentar EM ist ein Imageschaden für den deutschen Handball:

,,Der Absturz des Weltmeisters von 2007 trägt dramatische Züge und zeigt, dass die Auswahl drei Jahre nach dem euphorisch gefeierten Titelgewinn im eigenen Land den Anschluss an die Großen der Branche verloren hat. Die Bundesliga rühmt sich zwar damit, stärkste Spielklasse der Welt zu sein. Doch das liegt vornehmlich an den ausländischen Ausnahmekönnern. Rekordmeister THW Kiel stellt gerade einmal einen Nationalspieler für Trainer Heiner Brand ab.“

Im November 2009 spitzte sich der Streit zwischen HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann und Heiner Brand zu. Thema war, wie so oft in den vergangenen Jahren, die Ausländerbegrenzung im deutschen Handball. In den Spitzenvereinen kommen zu wenig deutsche Spieler zum Einsatz. Bohmann wünschte sich einen Dialog und keine Dauerschleife an Vorwürfen. Bundestrainer Brand in der Handballwoche:

„Ich sehe  es als Unverschämtheit an, wenn mich Herr Bohmann zum Dialog auffordert. Den suche ich seit 13 Jahren, seit ich Bundestrainer bin.“

Quo vadis deutscher Handball?

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