Heuchelei um Lance Armstrong

Heute ploppte die Pantani Geschichte auf. Aus dem Anlass vielleicht auch Gelegenheit einen Text vom Oktober 2012 vom einstigen Velo-Jesus Lance Armstrong rauszuholen.

Reblog (vom 24. Oktober 2012)

Hat jemand die 15 Tonnen Sekundärliteratur zur Causa Armstrong durch? Es ist die Stunde der Heuchler. An Lance Armstrong wird sich abgearbeitet. Riecht ein wenig nach dem Versuch die Thematik Doping im Radsport wieder einmal als Einzeltäterschaft hinzustellen. Man muss den Texaner nicht mögen. Armstrong hat das Ding ja nie alleine durchgezogen. Bei seinem Comeback 2009 griff Christian Ewers im Stern Nr. 28 am 2.7.2009 in seinem Artikel über Lance Armstrong eine Episode vom März des selbigen Jahres heraus:

,,Im März ließ Armstrong einen Dopingkontrolleur 20 Minuten warten, vorgeblich, weil er erst mal duschen wollte. In 20 Minuten kann man auch bequem eine Dopingprobe manipulieren, verschleiernde Medikamente nehmen oder gar den Urin austauschen. Ein klarer Verstoß gegen die Vorschrift, der normalerweise wie ein Dopingvergehen geahndet wird – für Armstrong kein Problem. Er telefonierte mit dem Chef des Internationalen Radsportverbandes, ein paar Tage später war die Sache aus der Welt.“

Die jetzt zur Schau gestellte Naivät von Sponsoren des einstigen Tourgott Lance Armstrong kann ich nicht nachvollziehen. Klar, in dieser Ausführlichkeit, wie jetzt vorliegend, gab es noch keinen Roman über die ausgeklügelten Dopingpraktiken mit all seinen Verästelungen, Abgründen, Manipulationen und gezahlten Provisionen für Kurierfahrer auf dem Motorrad incl. Spitznamen. Doch die Tour ist offenbar nicht mit Brot und Wasser zu gewinnen. Derweil wird die Tour de France 2013 präsentiert. Der Radsportzirkus geht weiter. Die monetären Interessen vom Veranstalter, von Sponsoren, Funktionären und Verbänden (ich hab sicherlich noch einige Interessenten und Nutznießer vergessen) müssen bedient werden. Die Frankreichrundfahrt ist eine unendliche Geschichte des Dopings. Der surreale Tod von Tommy Simpson im Jahr 1967 am Mount Ventoux sei stellvertretend hier nochmals erwähnt und zu sehen. Jugendliche Leser meines Blogs unter 18 Jahren mögen an dieser Stelle bitte aussteigen.

Tief durchatmen.

Die Tour de France verlor ihre Unschuld.

2 Jahre vorher hatte Simpson dem Magazin The People ein Interview gegeben. In der tabellarisch aufbereiteten Dopingübersicht von Cycling4Fans steht vermerkt:

,,Tom Simpson gibt in einem Interview mit dem Journal „The People“ zu sich zu dopen – niemand fand das besonders schockierend.“

21 Jahre nach der Todesfahrt von Tomy Simpson gab es 1998 den Festina-Skandal. Die Branche war unverbesserlich. Dann trat Lance Armstrong nach überstandener schwerer Hodenkrebskrankheit auf den Plan und schickte sich an die Tour de France von 1999 bis 2005 zu gewinnen. Es gab großartige Duelle gegen das deutsche Radsporttalent Jan Ullrich. Er hatte erstmalig für Deutschland 1997 die Höllentour gewonnen. Er hatte viele Fans. Einer davon war damals der SPD Politiker Rudolf Scharping. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hatte große Momente in der euphorischen Übertragungswelle. Doch gegen Lance Armstrong zog Jan Ullrich immer wieder den kürzeren. Rudolf Scharping äußerte sich dieser Tage in seiner Funktion als Radsportfunktionär (Präsident Bund Deutscher Radfahrer) zur Ära Armstrong gegenüber dem kicker:

„Die Entscheidung der UCI ist nach der Beweislast nur konsequent. Entscheidend ist, dass ein verseuchtes Jahrzehnt aufgearbeitet und endlich abgeschlossen wird.“

Endlich das Kapitel zumachen. So wünscht sich dies der ehemalige SPD Hoffnungsträger für das Bundeskanzleramt. Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Troika Scharping, Lafontaine und Schröder?

Ist es Zeit für ein Begräbnis der Sportart Radsport? Vor einigen Jahren sagte ein Bestatter zu mir:

,,Sehr viele Trauernde essen lieber trockenen Kuchen.“

Ehemalige deutsche Sponsoren im Radsport wie Telekom, Gerolsteiner oder Milram haben bereits vor Jahren ihre Sponsorships in der skandalumwitterten Branche der Lohnfahrer beendet.

Eigentlich hätten wir alle bereits trockenen Kuchen essen müssen.

Tour de France Scroll Dossier auf Zeit Online

Für alle Freunde und Gegner des harten Radsports sei auf das Scroll Dossier auf Zeit Online verwiesen. Philipp Katzer und Jonathan Sachse, beides engagierte freie Journalisten, haben im Zusammenspiel mit der Redaktion alles gegeben. Der Bogen wird von einem Hotelier über den Österreicher Kohl bis zu einem Investmentbanker schön gespannt und dargeboten. Philipp Katzer hat das Stück über den Investmentbanker Keith Tuffley geschrieben und dabei eine seiner spektakulärsten Autofahrten erlebt. Auf seinem Blog gibt er dies so wieder:

,,Am Sonntag haben wir Keith Tuffley, so heißt der Verrückte, auf seiner 11-stündigen Fahrt begleitet. Sind nur wenige Meter hinter ihm den steilen Anstieg zum Mont Ventoux hochgeklettert. Im Auto, selbstredend. Die zehntausenden Zuschauer standen bereits dicht gedrängt am Straßenrand. Feuerten an, schrien, fackelten Bengalos ab. Eine der denkwürdigsten Autofahrten meines Lebens.“

Hier am Bodensee geht es dafür etwas ruhiger in Sachen Rad zu. Traveler Digital CameraDabei ist der Ehrgeiz Gelb zu tragen bei dem einen oder anderen durchaus vorhanden.Traveler Digital CameraDie Tour de France gilt ja auch als Werbekarawane. Die Radsportler trugen einst Radtrikots mit den Schriften für Phonak, Gerolsteiner, Telekom oder Milram. Im Jahr 2013 ist Sky in. Hier am See werden die Räder diskret mit der jeweiligen Botschaft abgestellt.Traveler Digital CameraTraveler Digital CameraErmüdungserscheinungen oder brutalen Kräfteverschleiß wie bei der Tour de France wird hier am Bodensee mit entsprechenden Pausen entgegengewirkt. Ganz im Entspannungsmodus. Traveler Digital CameraTraveler Digital CameraTraveler Digital CameraAuch die Tierwelt scheint relaxt und zufrieden zu sein.Traveler Digital CameraEs gibt hier am Bodensee auch keine Dopingkontrollen. Im oben erwähnten Dossier wird auch wieder auf die Möglichkeit einer Manipulation im Jahr 2013 verwiesen.

Heuchelei um Lance Armstrong

Hat jemand die 15 Tonnen Sekundärliteratur zur Causa Armstrong durch? Es ist die Stunde der Heuchler. An Lance Armstrong wird sich abgearbeitet. Riecht ein wenig nach dem Versuch die Thematik Doping im Radsport wieder einmal als Einzeltäterschaft hinzustellen. Man muss den Texaner nicht mögen. Armstrong hat das Ding ja nie alleine durchgezogen. Bei seinem Comeback 2009 griff Christian Ewers im Stern Nr. 28 am 2.7.2009 in seinem Artikel über Lance Armstrong eine Episode vom März des selbigen Jahres heraus:

,,Im März ließ Armstrong einen Dopingkontrolleur 20 Minuten warten, vorgeblich, weil er erst mal duschen wollte. In 20 Minuten kann man auch bequem eine Dopingprobe manipulieren, verschleiernde Medikamente nehmen oder gar den Urin austauschen. Ein klarer Verstoß gegen die Vorschrift, der normalerweise wie ein Dopingvergehen geahndet wird – für Armstrong kein Problem. Er telefonierte mit dem Chef des Internationalen Radsportverbandes, ein paar Tage später war die Sache aus der Welt.“

Die jetzt zur Schau gestellte Naivät von Sponsoren des einstigen Tourgott Lance Armstrong kann ich nicht nachvollziehen. Klar, in dieser Ausführlichkeit, wie jetzt vorliegend, gab es noch keinen Roman über die ausgeklügelten Dopingpraktiken mit all seinen Verästelungen, Abgründen, Manipulationen und gezahlten Provisionen für Kurierfahrer auf dem Motorrad incl. Spitznamen. Doch die Tour ist offenbar nicht mit Brot und Wasser zu gewinnen. Derweil wird die Tour de France 2013 präsentiert. Der Radsportzirkus geht weiter. Die monetären Interessen vom Veranstalter, von Sponsoren, Funktionären und Verbänden (ich hab sicherlich noch einige Interessenten und Nutznießer vergessen) müssen bedient werden. Die Frankreichrundfahrt ist eine unendliche Geschichte des Dopings. Der surreale Tod von Tommy Simpson im Jahr 1967 am Mount Ventoux sei stellvertretend hier nochmals erwähnt und zu sehen. Jugendliche Leser meines Blogs unter 18 Jahren mögen an dieser Stelle bitte aussteigen.

Tief durchatmen.

Die Tour de France verlor ihre Unschuld.

2 Jahre vorher hatte Simpson dem Magazin The People ein Interview gegeben. In der tabellarisch aufbereiteten Dopingübersicht von Cycling4Fans steht vermerkt:

,,Tom Simpson gibt in einem Interview mit dem Journal „The People“ zu sich zu dopen – niemand fand das besonders schockierend.“

21 Jahre nach der Todesfahrt von Tomy Simpson gab es 1998 den Festina-Skandal. Die Branche war unverbesserlich. Dann trat Lance Armstrong nach überstandener schwerer Hodenkrebskrankheit auf den Plan und schickte sich an die Tour de France von 1999 bis 2005 zu gewinnen. Es gab großartige Duelle gegen das deutsche Radsporttalent Jan Ullrich. Er hatte erstmalig für Deutschland 1997 die Höllentour gewonnen. Er hatte viele Fans. Einer davon war damals der SPD Politiker Rudolf Scharping. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hatte große Momente in der euphorischen Übertragungswelle. Doch gegen Lance Armstrong zog Jan Ullrich immer wieder den kürzeren. Rudolf Scharping äußerte sich dieser Tage in seiner Funktion als Radsportfunktionär (Präsident Bund Deutscher Radfahrer) zur Ära Armstrong gegenüber dem kicker:

„Die Entscheidung der UCI ist nach der Beweislast nur konsequent. Entscheidend ist, dass ein verseuchtes Jahrzehnt aufgearbeitet und endlich abgeschlossen wird.“

Endlich das Kapitel zumachen. So wünscht sich dies der ehemalige SPD Hoffnungsträger für das Bundeskanzleramt. Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Troika Scharping, Lafontaine und Schröder?

Ist es Zeit für ein Begräbnis der Sportart Radsport? Vor einigen Jahren sagte ein Bestatter zu mir:

,,Sehr viele Trauernde essen lieber trockenen Kuchen.“

Ehemalige deutsche Sponsoren im Radsport wie Telekom, Gerolsteiner oder Milram haben bereits vor Jahren ihre Sponsorships in der skandalumwitterten Branche der Lohnfahrer beendet.

Eigentlich hätten wir alle bereits trockenen Kuchen essen müssen.

Nachdenkenswert #109

,,Ganz und gar nicht. Ich bin mit diesem Sport im Reinen. Ich bin aber auch der Faszination des Radsport erlegen. Ich habe mich nach meinem Ausstieg 2008 doch sehr diszipliniert, bin zurück als Lehrer an meine alte Schule. Ich habe aber durch meine Aktivitäten als Repräsentant von Skoda gespürt, dass der Name Holczer im Radsport immer noch einen guten Klang besitzt. Und doch hätte ich vor allem vor dem Hintergrund einen deutschen Sponsor zu finden nie geglaubt, dass ich noch einmal zurückkomme. Denn eines war für mich Grundbedingung: Wenn, dann nur mit einem großen Team.“

               Hans-Michael Holczer, ehemaliger Chef des deutschen

           Radsportteams Gerolsteiner, jetzt Generalmanager von

           Katjuscha, im Interview mit der Frankfurter Rundschau

Die nackte Tour de France

Entzauberungen schmerzen. Dies mussten bei der Frauenfußball-WM die deutschen Frauen deutlich spüren. Das mediale Nachbeben über viele Tage und Halbfinalspiele ohne fest geplante Teilnahme wirken ernüchternd für Sportfunktionäre, Übungsleiterin Neid und die Spielerinnen. Entzaubert. Auch die Tour de France ist entzaubert. Dennoch bleibt eine Restfaszination. Der in New York lebende Journalist Sebastian Moll hat in zahlreichen Sommerwochen früher für Financial Times Deutschland live von der Tour de France berichtet.

Sebastian Moll bleibt seit zwei Jahren der Höllentour fern. Er verfolgt die Frankreichrundfahrt dennoch weiter und hat einen bemerkenswerten Artikel in der Financial Times Deutschland unter dem Titel Darf man sich an der Tour de France erfreuen? geschrieben.

,,Seit wir in den vergangenen Jahren mehr über die Produktionsbedingungen und Hintergründe dieser formidablen Show erfahren haben, als wir je wissen wollten, stellt sich nun aber die Frage, inwiefern man sich den Genuss des Spektakels noch gestatten darf. Kann man einfach ignorieren, dass das gezeigte Leistungsniveau erlogen ist, dass die vermeintlich edlen Helden in Wirklichkeit nicht besser sind als Hedge-Fond-Manager, die sich ein paar Linien Koks reinziehen, damit sie spät in der Nacht fit genug sind, um noch ein paar Millionen mehr scheffeln zu können? Kann man das einfach weiter in sich hineinstopfen wie Hormonfleisch aus industrieller Massentierhaltung?“
Die zahlreichen Dopingskandale, Contadors Fleischstory, die Floyd Landis Soap, der inflationäre Rückzug von Sponsoren aus dem Radbusiness (erinnert sich noch jemand an das Team Gerolsteiner bzw. Telekom oder Phonak) haben dem Mythos der Tour de France bröckeln lassen. In Deutschland ist man ja fast ein sozialer Außenseiter wenn man keine permanente Abstinenz zum größten Radsportspektakel der Welt verkündet.
 
Leser Winfried Timmermanns schrieb hier kürzlich im Blog: 
 

,,Naja, es mag ja Freaks geben, die sich in passendes Out-fit werfen und dann ein paar Kilometer radeln…
Die sind aber in der Minderheit. Minderheitenprogramm ist Nachtprogramm. -Traditionell in Deutschland. Wen sonst interessiert noch die Tour de Spritz?“

Ein paar unverbesserliche (mich mit eingeschlossen) verfolgen die Tour gerne bei Eurosport. Sicherlich nicht mehr so exzessiv wie in den Zeiten der Duelle von Lance Armstrong und Jan Ullrich. Beim Sportsender ist man ob der kürzeren Berichterstattung von ARD und ZDF nicht böse und zeigt sich über die eigenen Zuschauerzahlen erfreut. Auf quotenmeter kommt Werner Starz, Direktor Kommunikation bei Eurosport in Deutschland, zu Wort:

„Für Eurosport war und ist die Tour de France ein TV Top-Event und das spiegeln die Zuschauerzahlen auch wider“

Da wird die Tour ohne Scham tatsächlich als Top-Event bezeichnet. Ohne Wenn und Aber. Die oben gestellte Frage von Sebastian Moll: Darf man sich an der Tour de France erfreuen? unterliegt also keinem kategorischen Nein.