Post an Michael Wiemer oder Himmlische Züge

Briefträger sind vielleicht die unterschätzteste Berufssparte Deutschlands. Ich mag sie sehr. Wenn die sympathischen Männer oder Frauen ihre Briefe, kleinen und größeren Sendungen in den Briefkasten werfen. Noch besser, wenn es die Gelegenheit ergibt, am Sonnabend dem Empfänger die Post gar persönlich auszuhändigen mit einem kleinen Plausch über Gott und die Welt. Einer guten Tradition folgend zelebriere ich dann die Öffnung der Post. Der Briefträger ist dann bereits weitergefahren auf seiner Tour. Besonders bei unerwarteter Sendung beschleicht mich dann immer ein Gefühl von Neugier und Vorfreude. Traveler Digital CameraDer Absender ist deutlich zu lesen. Der Werkstatt Verlag aus Göttingen. Sie haben eine ganze Reihe lesenswerter Sportbücher in den letzten Jahren herausgebracht.  Erinnert sei an 50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte von Gerhard Delling oder Das Prinzip Uli Hoeneß – Ein Leben für den FC Bayern von Christoph Bausenwein. Aber auch 1000 verrückte Tischtennis-Tatsachen oder Baseball – Kulturgeschichte eines amerikanischen Sports von Claus Melchior seien an dieser Stelle erwähnt. Traveler Digital CameraJetzt ist es an der Zeit die Sendung zu öffnen. Post ist ja nicht zum ungeöffneten herumliegen bestimmt, wenn sie denn an mich adressiert ist. Also nach dem ersten Kaffee am Samstag genüsslich den Umschlag öffnen. Martin Breutigam kommt zum Vorschein. Der Autor von Todesküsse am Brett hat offenbar ein weiteres Buch über das königliche Spiel Schach aufgelegt.Traveler Digital CameraDas neue Schachbuch von Martin Breutigam trägt den Namen Himmlische Züge. Chess-Tigers, die Schachfreunde erinnern sich sofort an den einen oder anderen bemerkenswerten Artikel über Vishy Anand, hatte auch bereits über das neue Kleinod berichtet. Der von mir sehr geschätzte Mike Rosa leitete seinen Artikel über das neue Schachbuch auf der Schachwebsite von Chess-Tigers mit folgenden schönen Worten ein.

,,Wurden im Vorgänger die Gegner noch zu Tode geküsst, so werden sie im neuen Werk von IM Martin Breutigam von himmlischen Zügen zur Strecke gebracht. Nach Todesküssen am Brett folgt gut drei Jahre später Himmlische Züge. Erneut hat der Autor und Journalist seine Schach-Kolumnen (größtenteils aus dem Berliner Tagesspiegel und dem Bremer Weser-Kurier) vom Frühjahr 2010 bis zum Herbst 2013 zu einem kurzweiligen Buch zusammengefasst. 140 Stellungen – zumeist von den besten Spielern der Welt produziert – möchten von Ihnen gelöst werden. Nahezu jedes schachliche Level wird bedient, und zu jeder Position gibt es eine kleine Geschichte / Anekdote, einen oder auch beide Spieler betreffend.“

Traveler Digital CameraIch habe das Buch fast in einem Ruck an jenem Sonnabend verschlungen. Es ist sehr gut aufgedröselt. Die eine oder andere Anekdote brachte mich zum schmunzeln. Auch die Helden Magnus Carlsen oder Bobby Fischer sind darin verankert. Aber auch Levon Aronian, Daniel Fridman, Bent Larsen, Hikaru Nakamura, Markus Ragger oder Hans-Walter Schmitt, Freund von Vishy Anand, finden ihren gebührenden Platz im Buch von Martin Breutigam.Traveler Digital Camera

Selbst vermeintlich verhinderte Schachspieler wie Che Guevara kommen zu Wort. Er sagte einst zu Schachgroßmeister Ludek Pachman, dessen Eröffnungswerke mir einst bei meinen ersten Gehversuchen im internationalen Fernschach 1977 als 14-Jähriger wichtige Unterstützung leisteten, folgende nachdenklich stimmenden Worte:

,,Viel lieber würde ich Schach spielen wie Sie oder eine Revolution in Venezuela anfangen.“

Traveler Digital CameraAuch der Vizeweltmeister von 2012, Boris Gelfand kommt zu Wort. Er musste sich ja damals einiges anhören von dem einen oder anderen Jugendwahn Vertreter. Sein Alter war für ihn nie das Problem. Entsprechend auch sein Argument mit einer Anleihe aus der Geschichte der Schach-WM :

,,Viktor Kortschnoi hat seinen ersten WM-Kampf mit 47 gespielt.“

Traveler Digital CameraIch mag Bücher sehr. Meine Jahrundertliebe freute sich mit mir. Sie sah mir die Freude beim lesen der Schachanekdoten und dem verharren bei den Schachrätseln an. Das Buch bekommt einen schönen Platz in meiner kleinen Bibliothek. Traveler Digital CameraStammleser meines Blogs wissen von meinem Faible für Bobby Fischer. Das Buch Himmlische Züge hat dort auch für mich noch einen Bonus zu bieten. Dem bemerkenswerten Satz von Komponist Pär Lammers, der mit Daniel Schaub für Lena Meier-Landrut komponiert hat, über das amerikanische Schachgenie, ist nichts hinzuzufügen:

,,Er ist für mich der Rockstar unter den Weltmeistern.“

In diesem Sinne. Einen guten und rockigen Start in die Woche wünsche ich allen meinen Lesern.

Nachdenkenswert #63

,,Ich habe schon genug damit zu tun, Dellings verschachtelten Sätzen zu folgen, damit die für mich Sinn machen. Ich muss mich auch extrem darauf konzentrieren, seine Fragen zu beantworten. Denn die Aussagen müssen sitzen. Präzise und kurz. Ich weiß um die Bedeutung, die das hat. Deswegen kann ich nicht auch noch in die Kamera grinsen. Bei der deutschen Nationalelf versteht der Deutsche ohnehin keinen Spaß. Einer hat mal zu mir gesagt: Dein Fernseherfolg ist mir unbegreiflich. Du sitzt mit einer Steinbeißerfresse da und die Leute mögen dich auch noch. Er hat hundertprozentig Recht.“

Günter Netzer, im Interview mit Gerhard Delling bei Welt Online

Sportwetten zwischen Himmel und Hölle

Immer wieder kommt es zu Meldungen zum Thema Wettskandal. Hand auf´s Herz. Wer von meinen geschätzten Lesern hat meinen Artikel vom 26.11.2009 Das Paradies der kleinen Wettsünder noch im Kopf?

Als Einstiegslektüre zum Thema Sportwetten vielleicht nicht der schlechteste Anlauf. Das Thema ist weiter brandaktuell. Ein Blick auf die Nachrichten zum Beispiel auf NDR Online beweist dies sehr deutlich. Die Schlagzeilen sind unappetitlich. -Ex-Osnabrücker Cichon bestätigt Wettmafia-Kontakt- oder -Neustrelitz angeblich in Wettskandal verstrickt-. Die schlechten Nachrichten sind seit dem November nicht abgerissen. Die Reihe negativer Titelzeilen ließe sich fortsetzen mit -Schuon fühlte sich bedroht- oder -Wollitz fordert lebenslange Sperre für Betrüger-.

Was sagen eigentlich die Verantwortlichen der Wettanbieter zum Thema? Michael Ashelm hat für die faz ein bemerkenswertes Interview unter dem Titel Die deutsche Politik trägt zu Fehlentwicklungen bei mit dem Deutschlandchef vom Wettanbieter betfair, Peter Reinhardt, geführt.

,,In der Tat, in Deutschland werden wir kriminalisiert, und in England verleiht uns die britische Königin gleich zweimal den renommierten Queens Award. Das zeigt nur, wie grotesk die Situation in Deutschland zurzeit ist. Die Haltung der deutschen Politik trägt mit dazu bei, dass es derzeit zu Fehlentwicklungen auf dem Wettmarkt kommt.“

Es wird im Zusammenhang mit dem Markt für Sportwetten in Deutschland ja auch gerne vom Monopol seitens des Staates gesprochen. Reinhardt redet Klartext.

,,Festzustellen ist, dass 95 Prozent der Sportwetten in Deutschland außerhalb des Monopols stattfinden. Da von einer staatlichen Kontrolle des Glücksspielmarktes zu sprechen, ist Augenwischerei.“

Im aktuellen Fußballskandal sei betfair nicht involviert. Bei betfair können Sportwetten ohne Limitierung getätigt werden. Intern kennt das Unternehmen laut Aussage von Peter Reinhardt seine Kunden mit höheren Einsätzen ziemlich gut.

,,Wir kennen jeden unserer Kunden, folglich auch jene, die mit hohen Einsätzen hantieren. Sie sind uns bekannt – mit Bankverbindung, Wohnsitz und Identitätsnummer. Wir unterstehen der englischen Glücksspielkommission, und die hat sehr strenge Auflagen. Zudem beschäftigen wir vierzig speziell geschulte Leute in unserer Sicherheitsabteilung, die Manipulationen und Geldwäsche rund um die Uhr auf der Spur sind.“

Sportwetten ist natürlich ein riesiger Markt. Es geht wie immer um Geld. Um sehr viel Geld. Um den streiten sich in Deutschland der staatliche Anbieter Oddset und die privaten Anbieter. Die Badische Zeitung schrieb einst unter dem Titel Sportwetten: Der leicht verdiente Euro lockt:

,,Sie sind sich nicht grün, die privaten Wettanbieter und der staatlich lizenzierte Betreiber Oddset. Und schon gar nicht können sie sich darauf verständigen, wie ein einigermaßen sicherer und vor Manipulationen gefeiter Wettmarkt aussehen könnte. Die Privaten behaupten, dass das staatliche Monopol eine Einladung für die Zocker sei, auf dem Schwarzmarkt zu wetten. Um ihre These zu untermauern, führen sie eine Studie der Universität Linz an. Danach habe der Umsatz auf dem deutschen Schwarzmarkt bei Sportwetten aufgrund des Verbotes 2008 um 370 Prozent zugelegt.“

Dann gibt es auch noch die Verfechter eines generellen Verbots von Online-Wetten. Professor Dr. Josef Hackforth, Direktor des Instituts für Sportkommunikation an der TU München,  im Gespräch mit Gerhard Delling:

 ,,Der letzte Satz in meinem Gutachten lautet: Die politisch Verantwortlichen müssen unverzüglich handeln und zwar deshalb, weil sich schon im Sommer 2009 sehr genau abzeichnete, dass von außen in Malta, Gibraltar und anderen Nationen Wettanbieter auftreten, die in Deutschland durch Mittelsmänner aktiv werden und versuchen, Spieler, Funktionäre, wie auch immer, zu beeinflussen, um damit Spiele am Ende zu manipulieren.“

Das ganze Thema Sportwetten wird eine unendliche Geschichte bleiben. Die Versuchungen der Manipulation sind da. Ein Patentrezept hat keiner. Das Gebiet Sportwetten umfasst auch mehr, wie nur die Komponente Wettskandal. Es gibt das Suchtpotential. Die Haushaltskasse ist von so manchen Wetter schon geplündert worden. 

Zur Vertiefung des Themas Wettskandal empfehle ich folgende Online-Lektüre:

Auf sportspool.tv gibt es eine Chronologie: Der Fußball-Wettskandal

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