Ranking des ostdeutschen Fußballs in der Saison 2012/2013

Übrigens kann sich eigentlich noch jemand an den Spruch von Franz Beckenbauer bei der Staffelstabübergabe an Berti Vogts 1990 erinnern? Die Hoffnungen in die Stärke des ostdeutschen Fußballs und einer damit unschlagbaren Nationalelf erfüllten sich dann nicht ganz, wie die Fußballgeschichte lehrte. Ja, ja der Kaiser und seine Prognosen.

Auf transfermarkt.de gab es kürzlich die Diskussion Sind ostdeutsche Fußballvereine nach wie vor strukturell benachteiligt? Man ist geneigt voreilig hineinzurufen: Kommt auf die Sichtweise und den Sponsor drauf an. User dude23 erinnert an strukturell-geografische Besonderheiten beim Blick auf die Fußballlandschaft, die bei der Diskussion oft auch vernachlässigt wird.

,,Ich finde nicht, dass ostdeutsche Fussballvereine per se strukturell benachteiligt sind. Es gibt im Grunde genommen eher auch ganz Deutschland verteilt viele fussballerisch strukturell schwache Regionen. Beispielsweise haben die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland zusammen ganze 4 Vereine in den ersten beiden Ligen, davon 2 aus Frankfurt. Auch aus dem gesamten Norden kommen genauso viel Vereine wie alleine aus Bayern.“

Doch werfen wir ein Blick auf den ostdeutschen Fußball. Zeit für ein Ranking der abgelaufenen Saison 2012/2013 anhand der Abschlusstabellen. Ergo ist der Abstieg von SV Babelberg 03 und der Aufstieg von RB Leipzig von mir bewusst nicht mit eingepreist.

Ranking Ostfußball TOP 20   Saison 2012/2013

1.   1. FC Union Berlin               (7. der 2. Bundesliga)

2.   Energie Cottbus                  (8. der 2. Bundesliga)

3.   Erzgebirge Aue                    (15. der 2. Bundesliga)

4.   Dynamo Dresden               (16. der 2. Bundesliga)

5.   Chemnitzer FC                    (6. der 3. Liga)

6.   Hallescher FC                      (10. der 3. Liga)

7.   Hansa Rostock                    (12. der 3. Liga)

8.   Rot-Weiß Erfurt                  (13. der 3. Liga)

9.   SV Babelsberg 03                (19. der 3. Liga)

10. RB Leipzig                            (1. der Regionalliga Nordost)

11. FC Carl Zeiss Jena               (2. der Regionalliga Nordost)

12. FSV Zwickau                        (3. der Regionalliga Nordost)

13. 1. FC Magdeburg                 (6. der Regionalliga Nordost)

14. ZFC Meuselwitz                   (7. der Regionalliga Nordost)

15. TSG Neustrelitz                   (8. der Regionalliga Nordost)

16. Germania Halberstadt       (9. der Regionalliga Nordost)

17. 1. FC Lokomotive Leipzig  (10. der Regionalliga Nordost)

18. FSV Optik Rathenow          (11. der Regionalliga Nordost)

19. 1. FC Union Berlin II           (12. der Regionalliga Nordost)

20. VFC Plauen                          (13. der Regionalliga Nordost)

Anmerkung: Hertha BSC und Berliner AK 07 sind nicht in der Kategorie Ostfußball eingeordnet.

Der 1. FC Union Berlin, einst im dramatischen und legendären Abstiegskampf gegen die BSG Chemie Leipzig im Mai 1984 unterlegen, führt das Ranking im Ostfußball TOP 20 an.

Energie Cottbus, ebenso wie Union Berlin, zu DDR-Oberligazeiten eher mit dem Prädikat Fahrstuhlmannschaft etikettiert folgt auf Platz 2. Da darf dann schon die Frage erlaubt sein: Was haben eigentlich die etablierten Vereine mit ruhmreicher Vergangenheit falsch gemacht?

Die Erzgebirgler notieren auf einem achtbaren 3. Platz.

Dynamo Dresden stellte einst den Beckenbauer des Ostens. Ein Radioreporter aus dem Westen sagte einst nach einem gewonnenen FDGB-Pokalendspiel gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig sinngemäß über den Libero mit der ausgefeilten Technik:

,,Dixie Dörner könnte in jeder Mannschaft der Welt spielen.“

Die Dresdner spielten wunderschönen Fußball und bereitete mit dem Dynamo Kreisel manch internationaler Mannschaft (erinnert sei an Juventus Turin oder Bayern München im Herbst 1973) schwindlige Momente. Jetzt war im Jahr 2013 harter Abstiegskampf angesagt. Tief durchatmen. 2. Bundesliga gibt es auch nächstes Jahr.

RB Leipzig schiebt sich in die TOP 10. Weitere Steigerungsraten dürfen erwartet werden. Dank der finanziellen Power von Red Bull haben die Leipziger sicherlich große Perspektiven eines Tages in diesem Ranking auf Platz 1 zu liegen. Tradition hin oder her.

Die einstigen Europapokalfinalisten spielen in der vierthöchsten Klasse

Der einzige Europapokalsieger der DDR (Sieg am 8. Mai 1974 gegen AC Mailand in Rotterdam), der 1. FC Magdeburg notiert auf Platz 13. Carl Zeiss Jena, der Europapokalfinalist von 1981liegt auf Platz 11 und der 1. FC Lokomotive Leipzig, Endspielgegner 1987 im Europapokal der Pokalsieger gegen Ajax Amsterdam, ist 17.  Da ist einiges in den Jahren nach der Wende schief gelaufen. Ich will jetzt hier keinen Katalog aufstellen. Aber die Summe der Versäumnisse ist ellenlang.

Kontinuität und Sachverstand beim ZFC Meuselwitz

Bemerkenswert der 14. Platz von ZFC Meuselwitz. Seit Jahren eine sehr solide Arbeitsweise. Ironie der Geschichte. Einst fragte auch Red Bull bei der Suche nach einem Engagement im ostdeutschen Fußball beim Präsidenten Hubert Wolf an. Er erteilte damals den Bestrebungen der Österreicher ein Nein. Der fußballbegeisterte Wolf steht auch für Kontinuität. Dies scheint ja bei vielen Vereinen im Ostfußball ein generelles Problem der letzten Jahre gewesen zu sein.

Anders das Modell vom ZFC Meuselwitz. Der Vorstandsvorsitzende der bluechip Computer AG Hubert Wolf paarte wirtschaftliche Vernunft mit solider sportlicher Aufbauarbeit und dem rechtzeitigen Festlegen realistischer Ziele, fernab von Größenwahn. Ein beständiger Platz im vorderen Drittel der Regionalliga ist das ausgerufene Ziel. Bemerkenswert. Mehr sein wie Schein. Gut auf den Punkt gebracht von ABG-Info.de, der News- und Onlinecommunity für das Altenburger Land.

,,Über ein Jubiläum, das im schnelllebigen Fußballgeschäft Seltenheitswert hat, freut sich heute der ZFC Meuselwitz. Präsident Hubert Wolf ist mit dem 28. Februar seit genau 20 Jahren in diesem Amt. In diese lange Amtszeit fielen im sportlichen Bereich sechs Aufstiege bis in die Regionalliga, 2 Landespokaltitel im Männerbereich und die Entwicklung eines leistungsfähigen Nachwuchsbereiches mit derzeit 11 Kinder- und Jugendmannschaften, die auf Landesebene in Thüringen das Leistungsniveau prägen. Im Infrastrukturbereich sind nach dem Bau eines Rasenplatzes Ende der 90er Jahre die umfassende Sanierung und Erweiterung der heutigen bluechip-Arena seit dem Jahr 2002 nicht minder beachtlich.“

Man sieht die eingangs von transfermarkt.de gestellte Frage nach der strukturellen Benachteiligung von ostdeutschen Fußballvereinen ist nicht pro Forma mit Ja oder Nein zu beantworten. Die jetzige Situation hat bei einigen Vereinen Potenzial.

Michael Ballack schießt Tore für den Chemnitzer FC

Die 4. Jahreszeit ist kalt und zeigt sich von ihrer bezauberndsten Seite. Kristallweiß, glitzernd, prächtig und eindrucksvoll. Derweil zieht es Vizeweltmeister Michael Ballack in die Halle. Beim Chemnitzer Oldie-Hallenturnier steuert er zwei Tore beim 4:3 Sieg des Chemnitzer FC gegen Erzgebirge Aue bei. Früher lautete diese Paarung ja FC Karl-Marx-Stadt gegen BSG Wismut Aue – zu Zeiten der DDR-Oberliga im Laborversuch des Sozialismus. Die Himmelblauen gegen die Veilchen. Spieler wie Jürgen Bähringer, Joachim Müller, Uli Ebert oder Konrad Schaller trugen unzählige Partien in den Trikots ihrer Mannschaften aus.

Ich habe einst auch in der Halle Fußball gespielt. Immer eine willkommene Abwechslung. So kann ich die Ambitionen des ehemaligen Bayern München Spielers durchaus nachvollziehen. Hallenfußball hat etwas. Nur Orthopäden mögen diese Sportart nicht so. Verletzungsgefahr. Nicht gesundheitsförderlich. Ist aus ihren Mündern zu vernehmen. Nun ja. Bei der Personalie Ballack frage ich mich allerdings immer noch, wieso beide Seiten, der DFB und der ehemalige Nationalmannschaftskapitän, nicht das Ding mit den 100 Länderspielen hingekriegt haben.

Nostalgie

Blogger und Eishockeyexperte Tilman Pauls hat kürzlich auf seinem Eishockey-Blog eine spezielle Wunschliste auserkoren. Meine 14 für die DEL. Meinen Augen wollte ich fast nicht trauen. Da findet sich doch auch der 25-fache Eishockeymeister der DDR, SG Dynamo Weisswasser, wieder. Jahr auf, Jahr ab duellierte  sich die SG Dynamo Weisswasser mit dem SC Dynamo Berlin um die Meisterschaft. Mehr Teilnehmer gab es nicht. Es war eine 2-er Liga. Eine der vielen Kuriositäten im DDR Sport. Eishockey war wie Schach als nicht förderungswürdig von den SED-Bonzen eingestuft worden. Die gesamtdeutsche Karte aller Meister hat dieses wikipedia Aussehen.

Nostalgie weht ab sofort verstärkt auch in der 2. Fußball-Bundesliga. Zu den ehemaligen DDR Oberliga Vereinen BSG Wismut Erzgebirge Auge, Energie Cottbus und Union Berlin gesellen sich jetzt noch Hansa Rostock sowie Dynamo Dresden dazu. Rostock sammelte ja bereits in der DDR massiv Erfahrungen mit dem Eigenleben einer Fahrstuhlmannschaft. Sie legten zwischen 1975 und 1980 sagenhafte 6 Ab- und Aufstiege in Serie hin. 1975 ging es mit dem Abstieg in die Niederungen des DDR Fußballs. 1976 der Aufstieg. Im selbigen Jahr coachte Georg Buschner die DDR Nationalelf zu jenem historischen Olympiasieg in Montreal gegen den damaligen Weltmeisterdritten Polen. 1977 wieder ein trostloser Abstieg für Hansa Rostock. 1978 im Jahr der Fußball WM in Argentinien ein Aufstieg der Hanseaten. 1979 wieder ein tränenreicher Abrutsch in die unteren Gefilden. 1980 ein erneuter Aufstieg in die DDR Oberliga.

Dynamo Dresden weckte in den Duellen 1973 gegen Bayern München meinen Faible für Bayern München. Für Freunde der gepflegten Spielaufstellung hier die Details vom Spiel im Europapokal der Landesmeister am 24. Oktober 1973 Bayern München – Dynamo Dresden 4:3 (2:3). Im Rückspiel am 7. November 1973 führte Bayern München durch zwei schnelle Tore von Uli Hoeneß nach 12 Minuten mit 2:0 in Dresden. Dann drehte Dynamo Dresden ab der 42. Minute innerhalb von 14 Minuten durch Tore von Wätzlich, Schade und Häfner das Spiel. Mit der 3:2 Führung wäre Dynamo Dresden weiter gewesen. Arithmetik der Europapokalspiele kann so einfach sein. Doch es kam anders. Die kompletten Daten zum legendären Rückspiel gibt es hier.

Energie Cottbus trat einst in der DDR Oberliga im Stadion der Freundschaft mit Libero Fritz Bohla an. Auch die Lausitzer waren öfters unten wie oben. Die Big Points setzte man nach der Wende. Legendär der Durchmarsch mit Coach Ede Geyer bis in die Bundesliga sowie die DFB-Pokalfinalteilnahme gegen den VfB Stuttgart. Bei den Schwaben stand damals ein gewisser Joachim Löw an der Seitenlinie.  Unverständlich bis heute blieb mir der kampflose und desolate Auftritt in den Relegationsspielen 2009 gegen den 1. FC Nürnberg. Damit hat Energie Cottbus eigentlich die moralische Berechtigung in der Bundesliga zu spielen für die nächsten 50 Jahre verwirkt.

Die aktuellen Leistungen von BSG Wismut Erzgebirge Aue in der 2. Bundesliga sind bemerkenswert. Einst stand der viel zu früh verstorbene Uli Ebert zwischen den Pfosten. Die Trainer bekamen den begehrten Grubenschnaps. Der ehemalige Aue Coach Uli Thomale (später feierte er mit dem 1. FC Lokomotive den Einzug in das Europapokalfinale der Pokalsieger gegen Ajax Amsterdam) wird in der Chronik von Ronny John wie folgt zum Nutzen des Schnaps zitiert:

„Der war bei Werkstatt-Terminen für das Auto oft sehr hilfreiche, denn er war ziemlich begehrt.“

Heute im Jahr 2011 haben sich die Dinge im deutschen Werkstattnetz deutlich entspannt. Meine Liebste telefonierte diese Woche kurz mit ihrer Mercedes Werkstatt wegen der großen Inspektion. Unmittelbar danach hatte sie ihren Wunschtermin für den nächsten Tag. Okay, durch Umzug etc. war der Termin etwas verrutscht. Grubenschnaps musste meine Jahrhundertliebe nicht anbieten.

Bliebe noch der 1. FC Union Berlin. Die Tour mit dem kultigen – Eisern Union – zieht bei mir nicht. Ich fand die Truppe noch nie kultig oder erfolgreich. Das Fans in altbewährter sozialistischer Manier Subbotnik leisteten um das Stadion hinzukriegen… Mein Beileid. Es gab dazu auch andere Stimmen.

Matthias Dell schrieb auf der freitag am 6. April 2009:

,,Dabei ist Fußballkult eigentlich das falsche Wort. Es greift zu kurz. Union ist ein Lebensmodell, eine Mikrogesellschaft. Ein Musterbeispiel für gemeinschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten, in denen die ARD Themenwochen übers „Ehrenamt“ veranstaltet, Bildungsexperten den Verlust von Partizipation beklagen und Gesellschaftskritiker auseinanderbrechende Milieus diagnostizieren. Union ist deshalb exemplarisch, weil der Klub den Spagat hält zwischen einem Vereinsleben, das schon immer Bindemittel einer heterogenen Gesellschaft gewesen ist, und den Ansprüchen, die eine Kommerzialisierung an den Sport richtet.“

Rotebrauseblogger wusste unlängst von einer kleinkarierten Spielabsage von Union Berlin zu berichten. Die Herren wollten nicht gegen RB Leipzig spielen. Wehe wenn ich einen Union Spieler mit einer Red Bull Dose in der Hand sehe. Dabei werden die Fußballer von Union nicht mit Erdnüssen bezahlt. Auch in der Saison 2011/2012 nimmt man von den Zuschauern Eintrittsgelder. Hier die aktuellen Ticketpreise. Diese moralin-sauere Miene und das – Nein, mit RB Leipzig wollen wir nicht spielen – hat auf Jahre alle meine etwaigen Bonuspunkte für Union Berlin verspielt.