Nachdenkenswert #167

,,Für ein richtig gutes Buch mit aufwändiger Fadenheftung und Schutzumschlag kann ich mich immer noch begeistern. Der Klassiker „Mein System“ von Aaron Nimzowitsch ist eines meiner Lieblingsbücher. Auch schöne Schachfiguren mag ich sehr, z.B. edle Staunton Figuren die für mich die Nachhaltigkeit wertbeständiger Arbeit versinnbildlichen.“

     Günter Niggemann, erfolgreicher Schachhändler, im sportinsider Interview

Nachdenkenswert #156

,,So bleibt zuletzt die bange Frage, wie lange der Verfechter des schönen und risikofreudigen Spiels seinen Weg wohl noch wird gehen können, wenn er nicht bald einen großen Triumph erringt. Titel sind zwar keine ästhetische Kategorie, für einen deutschen Bundestrainer aber irgendwann ein Muss.“

Christoph Bausenwein, Gründungsmitglied der Deutschen Akademie für Fußballkultur, in seinem Buch Joachim Löw und sein Traum vom perfekten Spiel im Jahr 2011 auf Seite 347

Buchschwemme

Ich mag Bücher. Sogar sehr. Mein Vater hatte eine gut sortierte Bibliothek. Sehr schöne Schachbücher. Biografien von Weltmeistern wie Aljechin, Lasker oder Capablanca. Selbstverständlich die Reykjavik Bibel von Gligoric über den Schachkampf des Jahrhunderts zwischen Bobby Fischer und Boris Spasskij. Mit allen Details die ich heute bei Rückblicken auf dieses Match so oft vermisse. Aber auch Erzählungen über die Schachcafeszene in Wien reihten sich in die Buchsammlung meines Vaters. Die Atmosphäre in der Hochzeit des Schachspiels im öffentlichen Raum in Österreich konnte ich dabei förmlich schnuppern. Die entspannten Plaudereien über Zigarren, bärtige Männer, Mäzene, Kiebitze und Schachstellungen mochte ich sehr. Keiner störte mit aufgeklappten Laptop. Hochinteressante Werke über die verschiedenen Eröffnungsvarianten befanden sich ebenfalls hinter Glas in der kleinen privaten Bibliothek. Diese halfen mir oft bei meinen internationalen Fernschachpartien. Auch Bücher fernab des königlichen Spiels von Goethe, Balzac oder Stendhal waren dabei.

Geist und Körper sollen ja eine Einheit bilden. Fußballspiel hatte es mir auch angetan. Erfolgreicher und medaillenträchtiger war meine Schachzeit bei Motor Gohlis Nord in den siebzigern.. . Ich kaufte mir in der Jugend auch das eine oder andere Fußballbuch, Werke über die olympischen Spiele im Winter und Sommer. Dazu die tägliche Lektüre einer Sportzeitung. Meine Geburtstagswünsche umfassten auch Sportbücher. Zeitweise konnte ich die Weltrekorde in der Leichtathletik der Männer und Frauen aus dem Bauch heraus aufsagen. Bei Wetten dass …? hätte ich alles abgeräumt. Die Verbindung zum Buch habe ich nie verloren. Trotz Internet gibt es bei mir eine ausreichende offline-Lesezeit. Wenngleich es mittlerweile eine Buchschwemme gibt, die selektive Auswahl notwendiger denn je macht. Maria Höfl-Riesch hat ebenfalls ein Buch herausgegeben. Florian Kinast nahm sich in Die Welt der Sache bereits im Einleitungstext seines Artikels kritisch an:

,,Auf dem Buchmarkt erscheinen in diesen Tagen haufenweise spannende Autobiografien. Von Edmund Stoiber (70) etwa, von Neil Young (66), von Salman Rushdie (65). Menschen, die etwas zu erzählen haben aus einem bewegten und langen Leben. Nun veröffentlicht auch Maria Höfl-Riesch eine Autobiografie. Sie ist 27 und meint, etwas erzählen zu müssen.“

Auch der Nachfolger von Michael Ballack in Sachen Träger der Kapitänsbinde, Buchautor Lahm, war vor gut einem Jahr der Meinung sein bisheriges Leben zwischen zwei Buchdeckeln zu präsentieren.

Ich werde das Schachbrett aufbauen und eine Partie Schach spielen.

Hinz und Kunz über Schach und den Hartplatzhelden Oliver Fritsch

Hinz: Hallo Kunz, schön Dich zu sehen. Du gehst aufrecht durchs Leben. Wie die beiden ehemaligen deutschen Kapitäne der Fußballnationalmannschaften Prinz und Ballack. Ein wenig schade finde ich beide Abgänge schon. Themawechsel Schach. Der Fischer Film wurde auch nicht auf Arte gezeigt und auf unbestimmt verschoben. Immer diese Spartensender. Schade. Wir wollten schon lange unsere spektakuläre Partie weiterspielen. Kunz, wie ich Dich kenne hast Du die Ruhe weg.

Kunz: Gemach, gemach mein Hinz. Erzähle mir erst von Deinen echten Sorgen.

Hinz: Ach, Kunz. Heute wieder sehr angriffslustig. Wollen wir denn nicht endlich unsere Partie Schach fortsetzen? Ohne Formalien von Schachfunktionären oder kleinkarierten Vorschriften.

Kunz: Herr Ober, bitte unser Schachbrett mit der Aufstellung von unserem letzten Besuch, dazu zwei Espresso, zwei Glas Wasser und zwei Stück von dem gedeckten französischen Apfelkuchen mit Nüssen aus der Vitrine. Die Erinnerung ist noch frisch. Es war ein Festtag für den Gaumen. Danke.

Hinz: Unser Schachbrett kommt. In der Stellung wie bei unserer letzten Plauderei über Schach und Spox. Ich bin dran. 13. Sc3Xe4

Kunz: Unser französischer Apfelkuchen mit den Nüssen kommt. Danke, Herr Ober. Dann nehmen wir mit unser Partie Fahrt auf. 13. … Le7Xh4

Hinz: (zieht schnell und unbeirrt) 14. f4-f5

Kunz: Was hast Du zum Frühstück gegessen? Du gehst ja ran wie ein Radsportler im Anstieg an einer dieser steilen Bergwände. 14. … e6Xf5

Hinz: Ist Evans für Dich sauber? 15. Ld3-b5+

Kunz: Nun er war unter anderen von 2003 bis 2004 beim Team T-Mobile. Da kann er eigentlich nur sauber sein. Tour de France ist eh Entertainment. Mir persönlich bereitet sie mehr Spaß wie eine Gewichtheber-WM. Alleine die Landschaftsaufnahmen. Superb. Hinz, Du kommst mir mit einem Figurenopfer. Da sage ich nicht Nein. 15. … a6Xb5!

Hinz: Hast Du letztens den Artikel vom Hartplatzhelden Oliver Fritsch in brand eins gelesen? 16. Se4Xd6+

Kunz: Das war Pflichtlektüre. Irgendwann wird er auch noch den monetären Dreh für seine Seite rauskriegen. Wir trinken hier gemütlich Espresso, verspeisen genüßlich französischen Apfelkuchen. Oh, die Nüsse. Köstlich. Und er trinkt gratis Kaffee aus der Thermoskanne. Ich finde es bemerkenswert das Marcel Reif zu seinem Statement von einst über die Qualität von Hartplatzhelden steht. Andere haben da nicht soviel Rückgrat bewiesen. Ich muss meinen König bewegen. Hinz, Du nervst ein wenig. 16. … Ke8-f8

Hinz: Wie kriegt Hartplatzheld Fritsch Schwung in die Sache? Ich meine mit den Moneten. Er ist ja ein Fußballbesessener. Journalist Fritsch hat viel in der deutschen Internetszene für die Berichterstattung um das Spiel mit dem runden Leder geleistet. Stichwort auch sein Baby indirekter-freistoss. 17. Sd6Xc8

Kunz: Es wird nur über die Akquisition von Sponsoren gehen. Dazu braucht es eine spannende Story. Die hat Fritsch. Sein juristischer Auswärtssieg in Karlsruhe kann er ja in einen modernen Fußball-Thriller in Buchform fassen. Dann reist er durch die Bundesrepublik, Österreich und die Schweiz und erzählt über die Hartplatzhelden. Funktionäre mit kleinen Herzen und eigenartiger Sicht auf die Dinge. Er muss natürlich auch in alle machbaren TV-Shows. Also ich würde ihn bei Plasberg und Hart aber fair sehen wollen, bei Böttinger ihrer Kölner Runde, im Doppelpass, in der Sportschau. Immer dabei seine Thermoskanne. Als Erkennungszeichen. Später dann sein Markenzeichen. Er muss den Weg eines Stars gehen. Irgendwann hat er die Aufmerksamkeit, die auch Geldströme nach sich zieht. 17. … Sb8-c6

Hinz: Du meinst er sollte den Weg in das Fernsehen gehen? Du verteidigst Dich geschickt. 18. Sc8-d6

Kunz: Hartplatzheld Oliver Fritsch muss das als einen Baustein sehen. Von vielen. Er soll und muss dann mit seinem Fußball-Thriller auch auf die Bühne. Wie Messner. Schau Dir die Performance vom Extrembergsteiger an. Volle Häuser. Einsatz von Videomaterial, begeisternde philosophische Erklärungen, Charisma pur, in den Pausen der Veranstaltungen signiert Messner seine Bücher. Begeisternde Zuschauer zahlen gern mehrfach. Erst den Eintritt für den Messner Abend, liegt in der Regel über 20 Euro, dann meistens noch 1-2 Bücher in den Pausen kaufen. Wenn Messner, das weiss ich jetzt nicht, auch noch am Catering in den jeweiligen Hallen beteiligt wäre, ist das schon eine interessante Mehrfach-Vermarktung des Namens. In Kooperation mit dem jeweiligen Buchhändler vor Ort, wie in Oberstdorf passiert, ist dann das Schaufenster vom Buchladen mit über 25 verschiedenen Büchern von Messner geschmückt. Das zieht in der Regel Nachkäufe mit sich. Messner hat den Geldkreislauf in Schwung gebracht. Hinz, spielst Du auf Remis? 18. … Ta8-d8

Hinz: Da muss man aber auch auf die Bühne wollen. Eine Art Rampensau. Oder? 19. Sd6Xb5

Kunz: Messner macht gar nicht den großen Zampano auf der Bühne. Er kommt einfach authentisch rüber. Oliver Fritsch kann ja gerne auch gelegentlich Marcel Reif mit auf die Bühne mitnehmen oder die Männer von den Medienpartnern der Hartplatzhelden,  Tagesspiegel und Spox. Oliver Fritsch braucht nicht Anthony Robbins, Bodo Schäfer oder Jürgen Höller zu imitieren. Die Jungs haben es natürlich auf der Bühne rocken lassen. Jeder auf seine Art und Weise. Alle Veranstaltungen haben Geld eingespielt. Doch den nachhaltigsten Eindruck hat Messner auf mich ausgeübt. Bei Ihm ist es kein kurzfristiger Hype, sondern eine Langzeitstrategie. 19. … Da3-e7   

Hinz: Herr Ober, bitte noch zwei Espresso und für jeden von uns einen Apfelstrudel mit Vanillesoße und ein paar Erdbeeren. Danke. Oliver Fritsch – Hartplatzheld mit Thermoskanne auf Tournee. Im Gepäck seine Story, sein Buch, immenses Videomaterial. Du meinst dann stehen die Sponsoren Schlange? 20. Dd2-f4 

Kunz: Sponsoren stehen bei Bayern München Schlange. Nicht bei der Schachabteilung. Nicht beim Frauenfußballbundesligisten, sondern bei der Marke Bayern München – Rekordmeister. Erfolg macht sexy. Doch in der Regel musst Du um Sponsoren kämpfen, frag bei den Kätzchen in München nach. Für die Akquisition musst Du schon viele Jahre und Zeit und Power investieren. Doch wenn Fritsch im Gespräch ist, Tagesspiegel und Spox können so eine Tournee durch den deutschsprachigen Raum ja begleiten und pushen, ist die Akquise leichter. 20. … g7-g6

Hinz: Unsere Espresso kommen und der Apfelstrudel. Wie würde ein konkreter Handlungsplan aussehen? 21. a2-a4

Kunz: Ich spiele hier mit Dir gemütlich Schach, wir plaudern ein wenig, und Du willst mir jetzt am Wochenende Arbeit aufhalsen. Nein, dass kriegt Hartplatzheld Fritsch schon hin. Wenn er es ernsthaft will. Bobby Fischer, mein persönlicher Schachheld in der Geschichte, hat ja einst so treffend auf den Mut und den Willen zum Sieg hingewiesen. Beides, Mut und einen starken Willen, hat Oliver Fritsch in der Auseinandersetzung mit dem Funktionärsgebiet bewiesen. 21. … Lh4-g5

Hinz: Hartplatzhelden 2.0 und der Kampf im Funktionärsgebiet. Würde ich im Buchladen erstmal in die Hand nehmen. Drin blättern. Aber vielleicht gibt es auch noch spannendere, sprich griffigere Buchtitel für den Fußball-Thriller von Fritsch. Du spielst scharf. 22. Df4-c4

Kunz: Ich muss noch in den Baumarkt ein paar Bretter holen. 22. … Lg5-e3+

Hinz: Herr Ober, die Rechnung bitte. Danke. Ich mach noch einen letzten Zug für heute.23. Kg1-h1

Kunz: Okay, setzen wir die Partie demnächst fort. Die Plauderei mit Dir hat mir Spaß gemacht. Mein heutiger letzter Zug. 23. …  f5-f4

Hinz: (zum Ober gewandt begleicht er die Rechnung und gibt ein sehr großzügiges Trinkgeld) Stimmt so. Können Sie das Schachbrett in dieser Stellung bis zum nächsten Besuch von uns aufbewahren. (Ober nickt zustimmend und ist erfreut). Danke.