ARD ist anders. ZDF auch.

[Reblog vom 08. März 2010]

Olympia ist durch. Gott sei Dank sagen die einen. Schade meinen die anderen. Begleitet werden diese olympischen Leibesübungen auch immer von TV-Sendern. So weit, so gut. Oder?

Eine kleine Fernsehnachlese zu Vancouver.

Jochen Hieber meint in der FAZ Beim Biathlon verkauft sich Bier am besten und verweist auf den monetären Charakter der TV-Sportberichterstattung:

,,Weitgehend also ist Sport zum Fernsehsport geworden. Und Fernsehsport generiert Fernsehwerbung. Entsprechend frohgemut bot die gemeinsame Werbe-Akquisition von ARD und ZDF potentiellen Kunden die Olympischen Winterspiele denn auch an, für Preise zwischen 4000 und 40 000 Euro pro zwanzig Sekunden Werbung – je näher die gebuchten Spots an die öffentlich-rechtliche Werbegrenze von 20 Uhr rücken und je beliebter die Sportarten sind, zwischen deren Übertragung sie geschaltet werden, desto teurer wird der Spaß: Biathlon und die alpinen Skidisziplinen erzielen Spitzenwerte.“

Olympia hat ARD und ZDF total überfordert meint Jörg Winterfeldt auf Welt Online  und verweist auf die teure Doppelexpedition nach Vancouver:

,,Die öffentlich-rechtlichen Sender hat Olympia überfordert. Die gemeinsame Bilanz scheint zulässig, weil der Masse der Gebührenzahler ohnehin schleierhaft ist, warum ARD und ZDF teure Moderatoren-, Reporter- und Expertenteams nach Kanada fliegen müssen, um miteinander zu konkurrieren.“

Die ARD ließ einen Spezialisten für meteorologische Prognosen in den Olympiaort einfliegen. Nebenbei durfte er auch ein „Sportinterview“ mit einem Landsmann führen.

,,Fassungslos beobachtete die Nation etwa, dass die ARD tatsächlich ihren Wetterexperten Jörg Kachelmann vor Ort hatte, um Vorhersagen für Vancouver zu erstellen. Ungeschlagenen Nonsens der Spiele lieferte der Fachmann, der sonst zielsicher jedes Tief vorhersieht, als er seinen Schweizer Landsmann Simon Ammann zum Skisprunggold interviewte: Auf Schweizerdeutsch, ohne Untertitel, dabei beherrscht Ammann auch die Amtssprache der ARD dialektfrei.“

Schuster bleib bei Deinen Leisten. Sportreporter Dieter Kürten hat auch nie versucht einen Wetterbericht an der meteorologischen Karte dem geneigten Publikum zu offerieren.

Wie sah es beim ZDF aus? Nun einen Wetterexperten vor Ort leistete sich der gebührenfinanzierte Pay-TV Sender ebenfalls.  Wettermann Tarik El-Kabbani berichtete vom Schmuddelwetter aus Vancouver.

Thilo Maluch schreibt auf Welt Online über Die blutleeren Winterspiele bei ARD und ZDF und fühlt sich an die Vermeldung von Börsenkursen erinnert:

,,Trotz aller deutschen Erfolge und exzellenter Wettkämpfe wirkt die Berichterstattung aus Vancouver dagegen oft seltsam blutleer und oberflächlich. Die Moderatoren finden keinen rechten Zugang zu den Wettkämpfen und präsentieren Medaillengewinner so routiniert, als wären es die Börsenkurse.“

Wie kam eigentlich Eurosport in der Beurteilung der Medien weg? Nun ein Blick auf Eurosport – mit Herzblut und knackender Leitung von André Schweins auf Der Westen bringt folgende Einschätzung zu Tage:

,,ARD oder ZDF? Wer hat im olympischen Rennen um die Gunst der TV-Zuschauer die Nase vorn? Bei mir siegt Eurosport!

Moderator, Kommentator, Experte, vielleicht noch eigene Kameras — die Personal- und Materialschlacht der öffentlich-rechtlichen Sender soll für die Rundum-Versorgung stehen.

Und doch fehlt mir viel zu oft etwas Elementares: Herzblut. Nicht allein für deutsche Hoffnungsträger. Herzblut für den Sport über Ländergrenzen und Medaillenspiegel hinweg ist es, den die Eurosport-Kommentatoren trefflich über den Sender juchzen.“

Henrik Lerch (Der Westen) setzt sich in Gold bis Blech – so gut sind die ARD/ZDF Experten mit einigen Personalien auseinander und vergibt Medaillen. Exemplarisch greife ich zwei Namen aus der Einzelkritik heraus:

Michael Antwerpes von der ARD:

,,Kompetenz:Wintersport; Nervfaktor: Kühler als der Schnee von Whistler. Nachrichtensprecher können in punkto Seriösität noch von ihm lernen. Wenn etwas auffällt, dann nur die Brille…

Medaille: Dabeisein ist alles.“

Wolf-Dieter Poschmann vom ZDF:

,,Kompetenz: Der lange (1,91 Meter) Leichtathlet mit der großen Erfahrung ist ausgewiesener Olympia-Fachmann. Nervfaktor: Schwärmte von Schenkeln der Eisläuferinnen. Altmänner-Gerede.

Medaille: Reden ist: Blech.“

Qualitätsfernsehen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Auch für ARD und ZDF.

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Biathlon-WM in Ruhpolding 2012: Magdalena Neuner Spiele?

Biathlon taucht heute hier im Blog nicht zur Premiere auf. Am 12. Februar 2010 wagte ich einen kleinen Rückblick auf die olympischen Winterspiele in Innsbruck 1976. Sie waren meine ersten intensiv medial erlebten Wintersportkämpfe. Dabei nutzte ich weder ARD noch ZDF. Es gab damals noch einen anderen deutschen sportaffinen Sender (im Laborversuch DDR) mit einem Faible für Sport im Schnee. Biathlon war noch sehr überschaubar:

,,Das heutige aufgeblähte Programm an Biathlon Wettkämpfen kam in sehr asketischer Form 1976 mit zwei Wettbewerben aus. Die Männer durften über 20 Kilometer und in der 4 x 7,5 km Staffel ihre Kräfte messen. Frauen mit dem Gewehr auf dem Rücken hatten gar keine Wettkämpfe.

Die UdSSR und die DDR belegten vor den USA die Plätze 1 und 2 in der Medaillenwertung. Auf Platz 5 kam die Bundesrepublik Deutschland. Die zwei erstgenannten Nationen gibt es heute auf der politischen Landkarte nicht mehr.“

 Nun, jetzt schreiben wir das Jahr 2012. Wintersport hat sich auch medial gemausert. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF zelebrieren seit Jahren Biathlon in der intensiven Dosis. Manch einer spricht gar von Überdosis.  Christian Spiller zog kürzlich auf Zeit Online in einem TV-Experiment Bilanz. Seine Einleitungsworte des Textes Nach 15 Stunden Wintersport schlief ich ein hatten diesen Rhytmus:

,,Der Kühlschrank ist voll, das Handy aus, die Heizung auch, Besucher werden abgewimmelt. 15 Stunden wird das ZDF an diesem Wochenende Wintersport übertragen. Ich werde die ganze Zeit vor dem Fernseher sitzen, fokussiert wie ein Biathlet am Schießstand. Weil ich die knapp zwei Millionen Zuschauer verstehen möchte, die jedes Wochenende einschalten, acht Stunden pro Tag und der ARD und dem ZDF Traumquoten verschaffen. Und weil die Fußball-Bundesliga Winterpause macht.“

Im Blickpunkt seit Jahren auch die Wettkämpfe der Frauen mit dem Gewehr auf dem Rücken. Es gibt unzählige Geschichten, Bilder, Interviews, Werbebotschaften (von Bankzertifikaten bis zur Wolle) etc. über und von Magdalena Neuner. Der Star einer einstigen Randsportart.

Die WM in Ruhpolding 2012 (hier geht es zur offiziellen Website) soll der Schlußstrich unter ihre Laufbahn sein. Vielleicht werden es Magdalena Neuner Spiele. Sechs Medaillen in sechs Wettbewerben sollen es am Ende der Medaillenjagd bei der heimischen WM sein. Die Medien werden sich festbeißen an der Personalie Neuner. Wer noch keine Substratsättigung zu verzeichnen hat, mag vielleicht auch noch ein wenig im Interview „Ich bin nicht nur die kleine süße Lena“ auf Welt Online stöbern.

Magdalena Neuner hat noch nie eine Heim-WM bestritten. Die Erwartungen der Zuschauer vor Ort und an den Fernsehgeräten sind hoch. Dabei hat keiner einen Anspruch darauf enttäuscht zu sein, wenn es dann doch nicht nur die insgeheim erhofften goldenen Medaillen geben sollte.  Die Welt würde sich weiterdrehen, die Sonne weiter täglich aufgehen. Also ganz entspannt der Dinge entgegensehen.

Update: Das Sportportal Spox kann sich dem Phänomen Neuner auch nicht entziehen. Dabei wird auch nach links und rechts geschaut. Die Kultseite hat sich elf Kandidaten der Damen- und Herrenkonkurrenz vorgenommen: Die Biathlon-WM Ruhpolding 2012 im Spox Medaillencheck. Wird Ruhpolding zur großen Neuner-Show? Schaun mer mal!

Büroarbeitstag während der Olympiade

08:35 Mantel im Büro aufgehangen. E-Mail Eingang checken. 

08:45 Kollegen an gewonnene Sportwette auf Biathlonsieg erinnern

08:50 Ersten Kaffee im Büro trinken, Rosinenbrötchen tunken

09:30 Konferenz. Kollegen an ausstehenden Wetteinsatz erinnern

10:00 Zurück im Büro. Ablage. Blick auf eurosport.yahoo und sport1

11:15  Zweites Frühstück mit Kollegen T. Austausch über Vancouver

11:45 Kantine. Vancouver Diskussion fortsetzen

12:40 Eiligen Außentermin vorschützen: schnell mal rüber zu Kaufhof

13:45 Beim Bereichsleiter Sorge über Zustand von T. äußern

14:30 Am Drucker Powerpoint-Präsentation der Kollegin R. abgreifen

14:55 Druckerpapier und Textmarker Stabilo für daheim einstecken

15:15 All-inclusive-Angebote für Südafrika checken

15:40 Präsentation von R. unter eigenem Namen der Zentrale senden

16:10 Auszubildenden (1860 Fan) im Großraumbüro hochnehmen

16:20 Die Bundesligawettgelder von den Kollegen einsammeln

17:10 Endlich Feierabend. In der Tiefgarage auf Bereichsleiter warten:

             ,,So spät noch?“

17:50 Von der Frau wegen aufreibenden Bürotag bedauern lassen

Achtung: Werbepause mit Magdalena Neuner

Magdalena Neuner ist Biathletin. Sie macht auch Werbung für Unternehmen. Einst lächelte sie mir mit einem Wollknäul von der Plakatwand an einer Kreuzung in der Nähe des Nürnberger Hauptbahnhofs entgegen .

In der Financial Times Deutschland vom 29.01.10 macht die Wintersportlerin Werbung für eine Bank. Société Générale.

Magdalena Neuner wirbt für Capped Bonus-Zertifikate der französischen Bank. Lassen wir doch einfach den Werbetext auf uns ein wenig wirken:

,,Mit Capped Bonus-Zertifikaten der Société Générale haben Anleger die Möglichkeit sowohl von einer Seitwärtbewegung als auch eingeschränkt von einer positiven Entwicklung weltweiter Aktienindizes zu profitieren und eine Bonuszahlung am Laufzeitende zu erhalten. Dies ist der Fall, wenn der jeweilige Basiswert an keinem Tag während der Laufzeit auf oder unter der jeweiligen Barriere notiert.“

Es wird auch auf das Risiko des Totalverlusts hingewiesen. Der charmante Werbetext lässt keine Unklarheit aufkommen.

„Sollte dagegen die Barriere während der Laufzeit verletzt werden, kann es zu einem Verlust bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals kommen und im Fall der Insolvenz der Emittentin und Garantin zum Totalverlust der Forderung.“

Irgendwie fand ich die Werbung mit dem Wollknäul sympathischer.