Huch, die Leichathletik-EM in Barcelona ist auch bereits wieder Geschichte. So richtig spektakulär war sie nicht. Eher Hausmannskost. Kein Robert Harting mit zerissenem Nike-Shirt wie beim WM Gold in Berlin 2009. Keine Ariane Friedrich mit einem siegreichen Ende im Hochsprung-Krimi mit vorhersehbaren Ende. Mir persönlich fehlte auch Stabhochsprung Queen Jelena Issinbajewa. Ein kleiner Blick in den Pressespiegel.
Die Süddeutsche Zeitung geht der Frage nach: Wie viele Mitarbeiter braucht eine Leichathletik-EM Sendung?
,,Überhaupt nicht bescheiden wollten sich ARD und ZDF offenbar bei der Entsendung von Mitarbeiter. 177 sind es derzeit in Spanien. Öffentlichkeitswirksam – bei Bild – beschwerte sich nun der medienpolitische Sprecher der FDP, Burkhardt Müller-Sönksen: ,,Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Deutschen bei solchen Großereignissen das größte Aufgebot stellen.“ Die Crew der Rai soll 81 Personen umfassen, die der BBC nur 49. Auf jeden deutschen aktiven EM-Teilnehmer, so eine Rechnung, sollen beinahe drei Mitarbeiter von ARD und ZDF kommen.“
Thomas Hahn erinnert in seinem Kommentar Die Leichtathletik kämpft für die Süddeutsche Zeitung auch an die überzogene Schelte nach den ersten zwei Tagen ohne Medaillen für das deutsche Leichtathletikteam in Barcelona:
,,Die Kritik am deutschen Team nach den ersten beiden medaillenlosen EM-Tagen ist überzogen gewesen. Die leistungssportliche Ausrichtung des Verbandes DLV sieht Führung mit Rücksicht auf den freien Wettbewerb der Ideen vor und ein strenges Bekenntnis gegen dopingförderndes Anspruchsdenken – das bleibt auch dann richtig, wenn die deutsche Mitfavoritin ihr Diskus-Finale verpatzt.
Die FAZ zieht eine Bilanz aus deutscher Sicht und titelt Der deutsche Weg heißt Individualismus. Sie verweist unter anderen auf die sehr bemerkenswerten und recht unterschiedlichen Ausgangspositionen der Goldmedaillengewinnerinnen:
,,Von der angehenden Ärztin Linda Stahl, die in ihrer Freizeit zweimal täglich Speerwerfen trainiert, über die Polizeiobermeisterin Betty Heidler, die Hammerwerfen als Beruf versteht und ein Jurastudium als Hobby pflegt, bis zur Sprinterin Verena Sailer, die mit gestrecktem Bein durch die Halle hoppelt und an Maschinen trainiert, die ihr Trainer zusammengeschweißt hat, stehen diese drei Europameisterinnen für die ganz individuellen Wege zum persönlichen Erfolg.“
So ganz ohne Blick auf den Medaillenspiegel geht es dann auch bei der FAZ nicht. Die heilige Kuh Nationenwertung ist immer ein Dauerthema.
,,Die Führung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes hat in Spanien erlebt, dass ihr Ziel, die Nummer eins in Westeuropa zu werden, offenbar (noch?) ein bisschen hoch gegriffen ist. Obwohl die deutsche Nationalmannschaft 16 Medaillen gewann – und damit mehr als bei der EM vor vier Jahren in Göteborg und bei der Heim-WM im vergangenen Sommer – hatten das britische und das französische Team, ganz zu schweigen vom überlegenen russischen, deutlich öfter gesiegt.“
Die Nationenwertung kennt einen souveränen Sieger. Russland. Nicht überraschend. Zeit Online widmet sich dem Thema Warum die Russen die EM dominiert haben.
,,Die Russen haben in quasi allen Bereichen ein Reservoir an Talenten. Die treiben sich durch gegenseitigen Konkurrenzkampf nach oben, am Ende schaffen es die körperlich und mental stärksten ins Nationalteam. Die Athleten, die dann bei einem Höhepunkt antreten, sind enorm nervenstark, weil sie diese Wettkampfhärte im eigenen Land hatten ausgiebig trainieren können.“
Die Berliner Morgenpost wirft einen Blick auf den letzten Wettkampftag und titelt Ein glänzendes Finale und widmet sich Weitsprung-Europameister Christian Reif:
Schon in der Qualifikation hatte es Christian Reif sehr spannend gemacht: Erst im dritten Versuch sicherte er sich den Platz im Endkampf, allerdings mit 8,27 Meter. Das war dann auch der weiteste Satz aller Teilnehmer, und der Deutsche hatte damit seine europäische Jahresbestleistung eingestellt. Und gestern im Finale ging’s ihm erst einmal genauso: erster Versuch ungültig, der zweite nur 7,87 Meter, das Aus drohte.
Dann war Nervenstärke gefragt. Christian Reif zeigte eine bemerkenswerte mentale Kraft.
„Doch dann: 8,47 Meter im dritten Versuch, die klare Führung. Noch keiner sprang 2010 weltweit weiter. Gleich um 20 Zentimeter verbesserte der Saarbrücker seine persönliche Bestweite. Niemand sollte mehr weiter springen. Und dann konnte man den 25-Jährigen kaum noch einfangen.“
Der nächste Höhepunkt in der Leichtathletik findet am 19. August statt. Ein Spektakel. Die Rede ist vom Züricher Diamond-League-Meeting.