Fußball-WM 2014: Meine Tage mit Übungsleiter Löw (29)

Fußball-WM 2014: Meine Tage mit Übungsleiter Löw (29)

Ich bin noch wie im Trance.

7:1 Auswärtssieg in Belo Horizonte.

Der in Buenos Aires lebende Christoph Wesemann bringt auf Twitter zwei Sätze aus einem argentinischen Radio:

„Nie werdet ihr Brasilianer das 1:7 vergessen. Und falls doch, wird es immer einen Argentinier geben, der euch dran erinnert.“

Andererseits ist es schon blöd, wenn der Höhepunkt vor dem Finale war.

Jetzt also am Sonntag im Estádio do Maracanã in Rio de Janeiro gegen Argentinien. Die Statistik beider Mannschaften in den gegenseitigen Endspielen 1986 und 1990 steht 1:1. Am Wochenausklang wird es eine signifikante Verschiebung der Bilanz geben. Traveler Digital CameraArgentinien hatte 1986 das Finale gegen die Beckenbauer Elf mit 3:2 gewonnen. Es war die WM von Diego Maradona, dem Grenzgänger zwischen Genie und Wahnsinn. Aber er hatte auch eine funktionierende Mannschaft um sich. Sie kam auch mit den komplizierten klimatischen Bedingungen und den infrastrukturellen Gegebenheiten in Mexiko vor 28 Jahren gut zurecht. 1990 spielte Maradona immer noch für Argentinien. Aber die Dynamik, Leidenschaft gepaart mit unglaublichen Toren und dem finalen Biss war nicht mehr da. Der Einzug ins Endspiel gelang über das Elfmeterschießen gegen Italien im Halbfinale. Deutschland siegte dann im Finale von Rom mit 1:0.

Franz Beckenbauer liegt mit einer Prognose daneben

Beckenbauer prognostizierte damals seinem Nachfolger Berti Vogts, mit Blick auf die Wiedervereinigung und dem Reservoir an talentierten Spielern mit DDR Wurzeln, eine Unbesiegbarkeit auf Jahre. Nun, es kam bekanntermaßen etwas anders. Franz irrte ein wenig. Deutschland verlor 1992 gegen Dänemark das EM Halbfinale und schied 1994 und 1998 jeweils im Viertelfinale der WM aus. Gegner waren da Bulgarien und Kroatien. Einzig 1996 konnte die deutsche Elf letztmalig einen Titel bei der EM in England feiern. Über die Auftritte bei der EM 2000 und 2004 decke ich jetzt mal den Mantel des Schweigens.

Argentinien diesmal mit einem Lionel Messi in seinen Reihen

Nun, 24 Jahre nach der Nacht von Rom, hat Deutschland also wieder eine große Chance auf den Weltmeistertitel. Die Sehnsucht ist groß zwischen Rostock und Friedrichshafen. Der Kontrahent kommt wieder aus dem südamerikanischen fußballverrückten Land vom River Plate. Diesmal hat Argentinien einen Lionel Messi in den Reihen. Auch er hat eine funktionierende Mannschaft um sich. In der Vorrunde spielten sie sehr kräftesparend. In den anschließenden K.o. Spielen gegen die europäischen Teams der von Hitzfeld gecoachten Schweiz mit ihren Bundesligalegionären, dem mit vier Siegen hintereinander ins Turnier gestarteten Geheimfavorit Belgien und dem Vizeweltmeister Niederlande mit Robben und Co. ließen sie in 330 Minuten kein Gegentor zu. Wie einst 1990 qualifizierte man sich für das Finale über ein gewonnenes Elfmeterschießen.

Peter Stolterfoht hat sich heute auf der Titelseite der Stuttgarter Zeitung auch mit dem Stil der Elf von Übungsleiter Löw auseinandergesetzt und bescheinigt ihr einen stilvollen Umgang mit dem historischen Sieg gegen Gastgeber Brasilien. Er wirft aber auch einen Blick voraus und schreibt am Ende seines Leitartikels:

,,Wenn die deutsche Nationalmannschaft nach Deutschland zurückkehrt, wird ihr viel Sympathie entgegenschlagen. Das hat maßgeblich mit dem Auftritt in Belo Horizonte zu tun. Und selbst wenn nach dem Finale am Sonntag in Rio der WM-Pokal nicht mit im Flugzeug sein sollte, wird das Team von Joachim Löw zuvor sicher bewiesen haben, dass es nicht nur ein guter Sieger, sondern ein ebensolcher Verlierer ist. Das hätte dann auch wieder Klasse.“

Das Endspiel ist auch aus marketingtechnischer Sicht ein großartiger Coup für Adidas. Der Sportartikelhersteller stattet Deutschland und Argentinien aus. Nach dem frühzeitigen Ausfall ihres Klienten Spanien ist dieses Turnier vom Sportmarketing aus ideal für den Konzern aus Herzogenaurach gelaufen. Im Spiel um Platz 3 stehen sich am Samstag die Nike Teams Brasilien und Niederlande gegenüber. Frühzeitig ohne Chance auf Titelehren war Puma bei dieser Weltmeisterschaft. Vier Teams hatte Puma ins Achtelfinale gebracht. Nur eine Mannschaft weniger wie Nike und Adidas mit jeweils fünf. Doch die Puma Teams Chile, Uruguay, Schweiz und Algerien blieben alle in der ersten K.o. Runde hängen. Wer die Rivalität zwischen den fränkischen Playern Adidas und Puma kennt, kann sich in etwa die aktuelle Stimmungslage ausmalen.Traveler Digital CameraDas Finale wird in der ARD übertragen. Kommentator ist Tom Bartels. In der aktuellen Sport Bild wird er im Interview nach seinem persönlichen Sicherheitsgefühl in Brasilien gefragt. Reporter Bartels:

,,Rund um die Hotels und die Stadien stehen alle 50 Meter Polizei oder Militär. Solche Massen sind surreal. Ich gehe ohne Uhr, Kreditkarten, oft auch ohne Smartphone los. Nur mit etwas Bargeld.“

So, jetzt also noch 3 Tage bis zum Endspiel, dann steht auch der Weltmeister 2014 fest. Aus 32 Mannschaften haben sich zwei Anwärter darauf herauskristallisiert. Tief durchatmen.

Günter Netzer: „Wir lebten in verschiedenen Welten. Helmut Schön hat das respektiert. Das war seine Größe.“

Platzfrage hin oder her. Für gute Fußballwerke wird sich immer noch ein Platz finden lassen. Die Zeit der WM-Bücher ist auch eine Frage der Selektion. Dieser Tage nahm ich aus meinem Regal das Buch Argentinien 1978 aus der Reihe Süddeutsche Zeitung WM-Bibliothek in die Hand. Traveler Digital Camera

Es war das letzte Weltmeisterschaftsturnier von Bundestrainer Helmut Schön, dem erfolgreichsten Nationaltrainer in der Geschichte des DFB. Vizeweltmeister 1966, WM-Dritter 1970, Weltmeister 1974. Dazu kam der EM-Titel 1972 und die Vizeeuropameisterschaft 1976. An dieser Bilanz müssen sich alle seine Nachfolger messen lassen. Am nächsten kam ihr Franz Beckenbauer mit dem Finaleinzug 1986 und dem Weltmeistertitel 1990. Danach erreichte nur Rudi Völler einen WM-Finaleinzug. Weder den oft in den Medien überschwenglich gehypten Jürgen Klinsmann oder Joachim Löw gelang dieses deutsche Klassenziel. Berti Vogts konnte immerhin 1996 die Europameisterschaft gewinnen. Seither auch keine Domäne der DFB-Elf mehr. Das Kapitel Ribbeck lasse ich hier an der Stelle bewusst außen vor.

Im besagten Fußballbuch über die Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien aus der WM-Bibliothek der Süddeutschen Zeitung kommt auf Seite 82 und 83 auch Günter Netzer, den ich kürzlich beim SWR UniTalk in Konstanz smart und entspannt auf der Bühne plaudernd erlebte, zu Wort und schreibt über seinen Bundestrainer unter dem Titel „Wir lebten in verschiedenen Welten. Helmut Schön hat das respektiert. Das war seine Größe.“, in höchster Anerkennung:

,,Und das ist es, was mich Frieden schließen ließ mit Helmut Schön: Er hat es erkannt. Er wusste, dass er uns, diese Mannschaft der ersten siebziger Jahre, einfach laufen lassen musste. Und er hatte es nicht nötig, sich auf unsere Kosten zu profilieren. Er wollte gewinnen, wir wollten gewinnen, wir wussten, dass wir dazu unsere Freiräume brauchten und uns taktische Zuordnungen langweilten, er wusste es auch. Er ließ uns gewähren. Ein großer Trainer. Ein großer Mensch.“

Der gebürtige Dresdner Helmut Schön hatte nicht nur ein Händchen im Umgang mit seinen Spielern, ihm gelang auch die Balance zwischen überragenden sportlichen Erfolg mit der Nationalmannschaft und einer schönen Spielweise. Speziell die Europameisterschaft 1972 lässt Fußballkenner immer noch mit der Zunge schnalzen. Das er hin und wieder doch eine taktische Zuordnung vornahm, wie im WM Finale 1974 mit der Manndeckung von Berti Vogts gegen den niederländischen Regisseur und König Johan Cruyff, war nicht zum Schaden der Mannschaft.

Derweil geht es weiter im WM-Fahrplan von Übungsleiter Löw.

Noch ein abschließendes Wort zum Thema Fußballbuch. Jetzt drängeln ja viele Verlage mit Publikationen in diversen Buchhandlungen und Online-Plattformen. Ich mag dabei auch immer Verlage die eine gewisse Kontinuität und Qualität fernab der reinen Massenware vorweisen können. Dieser Tage werde ich auch nochmal beim Verlag Die Werkstatt vorbeischauen. Deren Fußballbücher haben  oft das besondere, die liebevoll aufbereiteten Werke haben mich da auch noch nie enttäuscht. Auch zwischen den WM-Jahren.

Konstanz: Smarter Auftritt von Günter Netzer beim SWR UniTalk am Bodensee

Der Bodensee ist eine wunderbare Region. Mit sehr schönen Städten. Konstanz gehört ohne Wenn und Aber in die Reihe der Orte mit Flair dazu. Zur Zeit spielt auch wieder der in italienisches blau gefärbte Himmel mit. Ein idyllisches Postkartenwetter. Die Schiffe nehmen verstärkt nach ihrem Winterschlaf den Betrieb wieder auf. Motive für Hobbyfotografen ergeben sich von alleine. Der Touristenstrom ist bereits am fließen. Die Sonne hat eine angenehme Temperatur für den Monatsanfang April zu bieten. Die Naturkulisse der Berge am Bodensee tut ihr übriges. An so einem Tag ist bei vielen Menschen die Grundstimmung positiv. Das der unmittelbare Parkplatz am Haupteingang bei meinem Eintreffen bereits überfüllt ist und ich auf den Nachbarplatz ausweiche, nach einem Hinweis eines mit stoischer Ruhe agierenden Parkplatzeinweiser, trübt die Stimmung und Vorfreude nicht im geringsten. Der sonnige Tag senkt sich langsam. Abends um 19.00 Uhr also dann eine gut vorbereitete Veranstaltung im Audimax der Universität Konstanz mit Günter Netzer.Foto (9)Meine Sicht auf die Bühne ist sehr gut. Der Hörsaal proppenvoll. Im Vorfeld ist fleißig promotet wurden. Einen Tag vor dem SWR UniTalk in Konstanz gibt es das bemerkenswerte Interview von Südkurier-Sportchef Ralf Mittmann mit der Fußballikone Günter Netzer beim südkurier unter dem Titel „Einen wie Guardiola habe ich noch nicht erlebt“.

Die eigenmächtige Einwechslung im DFB-Pokalfinale 1973 gegen den 1. FC Köln

Das Publikum will an diesem Abend im Audimax der Universität Konstanz mehr zum Motto des Abends Taktik, Teamgeist, Traummgeschäfte – was können wir vom Fußball lernen? und über den einstigen Mittelfeldstar hören. Der Moderator Fritz Frey plaudert angenehm unangestrengt mit dem gut gelaunten Günter Netzer. Die Haare immer noch lang, ein Schwenk in eine Kurzhaarfrisur kommt wohl für ihn nicht mehr in Frage. Einst war dies ja eine Empfehlung einer Freundin. Lange Haare würden besser aussehen. Klar, die eigenmächtige und legendäre Einwechslung im DFB-Pokalfinale 1973 in der Verlängerung gegen den 1. FC Köln inklusive Siegtor fehlt auch nicht. Hennes Weisweiler und Günter Netzer sprachen anschließend nie darüber. Auch später in Spanien nicht. Das Verhältnis zu Berti Vogts wird angesprochen. Klinsmann profitierte einst sehr von der Fürsprache Vogts bei der Besetzung des Nationaltrainerpostens im Jahr 2004. Jetzt hat sich der Nationalcoach der USA mit der Verpflichtung von Berti Vogts dankbar revanchiert. Der Tod von Günter Netzer seiner Mutter 1973 und die medialen Giftküchenabfälle seinerzeit ihm gegenüber wird ebenfalls angesprochen. Einige Medien hatten den Wechsel von Netzer zu Real Madrid in den Kontext zum Tod stellen wollen.

Top-Stars sind ihr Geld wert

Es wird an diesem Abend auch über Geld gesprochen. Netzer beziffert sein Einkommen in der Hochphase als Spieler mit 200.000 Mark brutto abzüglich 56%. Den Ferrari und die Diskothek leistete er sich trotzdem. Einst rechnete er den Verdienst aus seiner Laufbahn quer mit dem Einkommen der Galaktischen um Figo, Raul, Zidane etc. 10 Tage hätten die Jungs in der Neuzeit gebraucht um an das damalige Jahreseinkommen von Netzer in den Siebzigern ranzukommen. Er positioniert sich auch deutlich. Die Top-Stars sind ihr Geld wert. Sie bringen Leistung und sorgen für die Attraktivität im Geschäft Fußball. Er findet jedoch die mittelmäßigen Spieler finanziell überbewertet. Dies steht konträr zum Statement von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke über die Philosophie in Sachen Spielergehälter beim Vizemeister und Champions-League Finalisten der vergangenen Saison auf sponsors:

„Wir legen unheimlich viel Wert darauf, dass es eine Hygiene gibt, dass der Spread zwischen dem normalen und dem Topspieler nicht so groß ist.“

Günter Netzer plaudert im Laufe des Abends auch über die Sportvermarktung mit Infront. Steht zur Langlebigeit von Verträgen wie zwischen Trikotsponsor Gazprom und Schalke.  Verweist auf eine der Basics bei Geschäften mit Osteuropa. Trinkfestigkeit. Leber und Magen müssen robust sein. Sonst hätte man keine Chance das Vertrauen für eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Äußert sich kritisch über die bedenkliche Situation im Katar. Nicht nur in Sachen klimatischer Bedingungen im Sommer.

Günter Netzer ist sich seines Lebensglücks bewusst, wenn er sagt:

,,Jeder bekommt im Leben seine  Chancen. Er muss sie nur wahrnehmen. Und ich habe immer gewusst, was  ich kann, aber auch, was ich nicht kann. Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben.“

Es gibt auch die Anekdote vom Lottogewinn. Ein jugendlicher Fan schenkte ihm einst im Kuvert einen Lottoschein im Rahmen eines Altherren-Spiels. Verdienstvolle Nationalspieler gaben sich die Ehre. Eigentlich als Geburtstagsgeschenk gedacht. Doch das Datum war falsch. Günter Netzer hatte noch gar keinen Geburtstag. Dafür waren die getippten Zahlen richtig. Der Schein von Netzer war dabei inzwischen zerrissen. Er hatte den Lottoschein bereits weggeworfen. Mühsam puzzelte er ihn wieder zusammen. Am Ende gewannen beide Scheine, der Fan hatte die selben netzerspezifischen Zahlen seit Jahren getippt und ebenfalls einen Lottoschein für sich eingelöst, insgesamt gab es die Gewinnsumme 300.000 DM. Günter Netzer gab dem Fan die Hälfte vom Gewinn seines Spielscheins ab. Alleine diese Anekdote war den Gang in den Hörsaal wert. Auch wenn die Tippreihe mit den exakten Zahlen an diesem Abend nicht zur Sprache kam. Was waren jetzt die glücklichen netzerspezifischen Zahlen? Nun, wenn mich mein Gedächtnis aus vergangenen Gesprächsrunden und Artikeln über den einstigen Star von Borussia Möchengladbach nicht im Stich gelassen hat, waren es Günter Netzers Geburtstag 14.9.44, dann die Anzahl seiner Spiele im Dress der Nationalmannschaft (37), die Torausbeute von Netzer in der Länderspielkarriere mit 6 und die legendäre Schugröße 47.Traveler Digital Camera

Noch ein paar Sprenkel des Abends. Uli Hoeneß will er auch in der JVA Landsberg besuchen. Die Dominanz der großen Geldvereine wie Bayern, Real, Barcelona wird weiter bestehen bleiben. Infront engagiert sich auch bei Alemannia Aachen. Fußball ist nicht kaputt zu kriegen. Red Bull Chef Dietrich Mateschitz sein Engagement bei RB Leipzig sieht er solide, wenngleich aus seiner Sicht Mäzenatentum Risiken hat. Ich sehe dies ein wenig anders. Dietrich Mateschitz praktiziert seit Jahren erfolgreiches professionelles Sponsoring mit dem marketingtechnisch gut aufgestellten Unternehmen Red Bull. Beim Thema RasenBallsport Leipzig, angesprochen in der anschließenden Fragerunde, offeriert Netzer jedoch auch, dass er am Leipziger Fußball nicht so nah dran ist. Einer der besten Protagonisten in Sachen faktenkundiges Wissen um den derzeitigen Tabellenzweiten in der 3. Liga ist seit Jahren rotebrauseblogger.

Günter Netzer lobt auch seinen ehemaligen Mitspieler Herbert Wimmer und dessen enormes Laufpensum. Durch eine Motivationsansprache konnte er ihn zum mitlaufen ermuntern. Der eher im läuferischen zurückhaltende Netzer dachte im Austausch dafür mit. So seine Version. Apropos Laufleistung. Die einstige Gladbacher Fußballikone hält die Statistiken der Neuzeit für überbewertet. Wenn einer 12 Kilometer auf dem Tacho nach Ablauf der 90 Minuten hat, sagt dies noch nichts über die Effektivität aus. Vielleicht waren 6 Kilometer in die falsche Richtung dabei. So sinngemäß die Reminiszenz von Günter Netzer.

Deutschland, Brasilien, Spanien, Italien und Argentinien im WM-Favoritenkreis

Die Aussichten auf einen WM-Titel von Übungsleiter Löw, denn er sehr lobt, sind vorhanden. Jedoch gibt es selbstverständlich keinen Garantieschein. Riesig talentierter Kader voller Qualität. Realistisch sieht Netzer auch Probleme in Sachen Sturm. Stichwort aktuelle Fitness von Miroslav Klose und Mario Gomez sowie die fehlende Weltklasse des Außenverteidigerpaares. Auch der Ausfall von Khedira wirkt schwer. Brasilien, wenn sie denn mit dem Druck klarkommen sieht er als starken Mitfavoriten. Auch Spanien. Und die unangenehmen Italiener. Argentinien sieht er im erweiterten Kreis. Jedoch stark auf Messi fokussiert, und er zeigte immer seine besten Leistungen im Trikot von Barcelona.

Fazit: Ein gelungener Abend. Der SWR UniTalk mit Günter Netzer war jede Minute wert.

Jogi Löw und die Touren mit dem Mountain Bike

Wo wohnt eigentlich Übungsleiter Löw? Kennt jeder die richtige Antwort Freiburg? Da will er auch nicht weg und unterliegt nicht den Verlockungen der Metropolen. In der Stuttgarter Zeitung (Hat-Tip geht an Trainer Baade) gibt es auch die Gründe dafür, mit Verweis auf zwei reizvolle Mountain Bike Touren:

,,Natürlich wäre es für den Bundestrainer weitaus bequemer, in Frankfurt, Hamburg oder Berlin zu wohnen. Und wenn ich samstags abends nach einem Bundesligaspiel von Wolfsburg oder Hannover, nach einem Besuch im „Aktuellen Sport-Studio“ noch zurück will nach Freiburg, stelle ich mir manches Mal die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, in eine dieser Metropolen zu ziehen. Aber eine Tour mit dem Mountain Bike von Freiburg Richtung Schwarzwald oder eine Tour am Schluchsee entschädigt dann doch für alles.“

Die Zeit im Sommer dieses Jahr ist dann für Touren mit dem Bike vielleicht etwas knapp. Es steht die EM 2012 auf dem Programm. Übungsleiter Löw ist mit der Nationalmannschaft noch titellos. Der Erwartungsdruck liegt bei ihm, ganz klar. Seit 2004 arbeitet er beim DFB. Erst im Schatten von Medienstar Klinsmann (hat der jetzige Trainer der Amis diesen Ruf eigentlich noch?), nach der WM 2006 dann eigenverantwortlich. Die Bilanz nach Titelgewinnen abzugrasen mag dem einen oder anderen übertrieben erscheinen, andererseits wonach soll sonst gemessen werden?

Am schönen Spiel der Niederländer bei der Weltmeisterschaft 1974 konnten sich die Fans im Nachbarland und andernortens erfreuen, ein Titel für die Ewigkeit war ihnen mit König Johan nicht vergönnt. Der kleinere Bruder der WM ist die Europameisterschaft. Die EM konnten einst sogar Jupp Derwall und Berti Vogts nach Deutschland holen. Ein richtig großer ist, wer wie einst Sepp Herberger, Helmut Schön oder Franz Beckenbauer den Weltmeistertitel nach Deutschland holt. Davon ist Übungsleiter Löw noch ein gutes Stück entfernt.

König Johan Cruyff

Die Verantwortlichen von Bayern München schauen sicherlich auch nach Amsterdam. Louis van Gaal war doch fast von der Gehaltsliste an der Säbener Straße verschwunden. Da taucht der König Johan auf und führt einen erbitterten Kampf gegen die Personalie van Gaal und dessen neuen Sportdirektor-Engagement bei Ajax Amsterdam.

Michael Horeni zeichnete präzise in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein Bild vom Kampf von Johan Cruyff.

,,Dabei geht es nur auf den ersten Blick allein darum, ob Cruyff doch noch Louis van Gaal als künftigen Sportdirektor verhindern kann. Der ehemalige Bayern-Trainer war über Cruyffs Kopf hinweg von dessen vier Aufsichtsratskollegen, darunter dem ehemaligen Nationalspieler Edgar Davids, für die kommende Saison engagiert worden. Es war eine plumpe Intrige. Seine Kollegen hatten gewartet, bis Cruyff wieder in Barcelona war, dann schickten sie ihm eine Mail an die Adresse seiner Tochter mit der Einladung für ein Treffen am selben Abend in Amsterdam. Es ist allerdings nicht ganz leicht, mit dem Allgegenwärtigen in Kontakt zu treten. Cruyff besitzt kein Handy, eine eigene Mailadresse hat er auch nicht.“

Johan Cryff konnte zu seiner aktiven Spielzeit mit dem Ball tanzen. Weil es immer wieder schön ist, werfe ich nochmals diese atemberaubenden Szenen vom König ein. 

Er war aber auch außerhalb des Spielfeldes immer ein Mann der bis zur letzten Patrone kämpfte. Machtbewusst. Mit riesigen Ego. Selbst Elfmeter trat Johan Cruyff anders. Er war im Sommer 1974 bei der Fußball-WM in den Spielen der niederländischen Mannschaft überragend. Bis das Endspiel gegen Deutschland und Berti Vogts kam. Die Geschichte vom Terrier machte seine Runde. Wadenbeißer der Extraklasse. Kaiser Franz hielt den Pokal anschließend in den Münchner Himmel. König Johan war traurig. Die Fußball-WM blieb eine Unvollendete für ihn.

Doch zurück zur aktuellen Situation. Johan Cruyff zieht jetzt juristisch und mit Hilfe des von Michael Horeni im obigen verlinkten Artikel gut skizzierten Vertrauensverhältnis zum Sportjournalisten mit Reichweite gegen Louis van Gaal zu Werke. Womöglich muss Bayern München ihren einstigen Trainer noch ein wenig mit auf der Gehaltsliste führen.  

Glückslos für DFB-Elf und Übungsleiter Löw

Freibier für alle. Der Letzte bezahlt. Menschenskinder, besser hätte ich die Auslosung für den monetären Wettbewerb nächstes Jahr in Polen und der Ukraine auch nicht hingekriegt. Die vanilleeisweiße Punkteweste aus der EM-Quali steht gleich ab dem ersten Spiel auf dem Prüfstand. Eins habe ich am Freitag jedoch nicht so richtig auf die Reihe gekriegt. Antenne Bayern brachte vor der Auslosung eine Sequenz mit Übungsleiter Löw. Da sprach er mehrfach von Freude. Freude auf die bevorstehende Auslosung. Später bei den TV-Bildern vom öffentlich-rechtlichen Qualitätsfernsehen konnte ich in den Gesichtszügen des ehemaligen Spielers vom SC Freiburg keine überbordende Freude ob der Gegnerschaft aus den Niederlanden, Portugal und Dänemark feststellen. Warum eigentlich?

Alle drei zugelosten Kontrahenten haben Deutschland in der Historie bereits empfindliche Niederlagen bei Fußballeuropameisterschaften beigebracht. 1988 gewann die Niederlande das Prestigeduell in Deutschland gegen die Elf von Franz Beckenbauer. 1992 gab es gegen die fröhlichen und relaxten Dänen eine schmerzende Finalniederlage. Berti Vogts sein erstes Turnier als Bundestrainer. Dänemark war 1992 sowas von tiefenentspannt. Unglaublich. Dann bliebe noch die klare Niederlage von Deutschland in der Vorrunde 2000 gegen Portugal. Der eloquente Erich Ribbeck hatte den Laden irgendwie nicht richtig im Griff. Aus dieser historischen Konstellation sollte Übungsleiter Löw und sein Betreuerstab genug Motivation ziehen.

Sollte es mit dem Einzug in die nächste Runde nicht klappen hat man zudem eine prima Ausrede parat. Es war eine Hammergruppe. Schwer wie Blei. Es waren halt unsere Angstgegner. Wir haben nie von Glückslos gesprochen. Die Favoritenrolle hatten wir spätestens seit der Auslosung an der EM Garderobe abgegeben. Blick nach vorn. Unsere Aufmerksamkeit ist jetzt auf die WM 2014 in Rio de Janeiro gerichtet.

Aber es kann ja auch vollkommen anders kommen. Ein geschmeidiger Durchmarsch durch die Gruppe. Irgendwann trifft die Elf dann auf Wunschgegner Spanien… Menschenskinder, jetzt mach ich schon fast den Uli Hoeneß. Die Berliner Morgenpost brachte jenes feine Bonbon:

,,Geht es nach Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß ist allerdings ohnehin egal, gegen wen der dreimalige Europameister in der Gruppenphase spielt. „Es ist nur die Frage, wer gegen Deutschland ins Endspiel kommt. Deswegen ist es wurscht, wer sonst noch in der Gruppe rumturnt“, sagte Hoeneß dem SID.“

Nun, Übungsleiter Löw war es nach der Auslosung jedoch offenbar nicht wurscht mit wem er in der Vorrunde zusammen turnen muss. Der Blick auf die verdichteten Gruppen bei einer EM gegenüber einer WM, mit dem Querverweis – das Teams wie Ecuador oder Costa Rica eben nicht zugelost werden können -, klang nicht nach dem Selbstverständnis eines Uli Hoeneß (Europameister 1972, Weltmeister 1974, Vizeeuropameister 1976).