Nachdenkenswert #116

,,Ich bin generell ein ängstlicher Mensch, auch wenn sich das niemand vorstellen kann. Wenn ich in der Natur allein bin und über Gletscher gehe, bin ich ununterbrochen wach – die Angst hilft mir, nicht umzukommen. In der Wildnis wird man mit einer sehr greifbaren Form der Furcht konfrontiert. Ich würde mir wünschen, dass viele Menschen diese Erfahrung machen könnten. Wir leben in einer sonderbaren Welt, die gefährlicher und unsicherer ist denn je, während wir alle uns trotzdem sicherer fühlen als früher.“

        Reinhold Messner, Grenzgänger und Extrembergsteiger, im

        Interview mit Spiegel Online

Nachdenkenswert #114

 ,,Zehn Jahre lang war ich ein extremer Felskletterer. Mich hat in dieser Zeit nichts anderes interessiert (lacht). Nicht mal die Frauen. Später wurde ich, weil ich meine Zehen durch Erfrierungen verloren hatte, gezwungenermaßen Höhenbergsteiger. Mit Projekten wie der Durchquerung der Antarktis entwickelte ich mich zum Abenteurer oder Grenzgänger. Das Bücherschreiben entstand aus reiner Neugierde heraus und weil ich etwas Bleibendes hinterlassen wollte. Heute schreibe ich auch, um mein Gehirn zu trainieren, damit ich nicht „veralzheimere“. Und wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich eben Vortragender.“

         Reinhold Messner, Grenzgänger, im Interview mit der tz

Gipfelstürmer auf 7246 Meter

Neun Gipfelstürmer sind dann durchgekommen. 7246 Meter bei der aktuellen Expedition zum Putha Hiunchuli. Stefan Nestler schaffte es bis 7100 Meter, dann zwang ihn sein Daumen in die Knie

,,Das Thermometer zeigte minus 27 Grad Celsius. Am Tag zuvor war die Haut am Daumen aufgeplatzt. Ich hatte ein Pflaster darauf geklebt. Jetzt merkte ich, dass es gefror und anschwoll. Dass ich einen Daumen verlor, war mir der Putha Hiunchuli dann doch nicht wert. Ich sagte Pemba, der auf mich wartete, dass ich zurückkehren werde. Schweren Herzens ließ ich die Gruppe ziehen.“

Respekt für die sportliche Leistung, das kontinuierliche bloggen von der Expedition und ein – Auf ein Neues – an Stefan Nestler und herzlichen Glückwunsch an die neun Gipfelstürmer. Der große Bergpionier und Grenzgänger Reinhold Messner betont bei seinen Live-Auftritten immer wieder, wie wichtig für ihn das Scheitern war. Der Lernprozess war dann immer besonders intensiv. Das mag vielleicht im Moment für Stefan Nestler nicht besonders tröstlich sein, doch das Leben geht weiter.

Interessant wird sein, wann er wieder einen neuen Anlauf nimmt. 

Was macht eigentlich Stefan Nestler?

Er bloggt. Er bloggt auch in der Höhe. Er bloggt unaufhörlich. Dabei erklimmt er Meter für Meter den Berg. Power-Blogger und Bergsteiger Stefan Nestler setzt Signale. Auf seinem Kultblog Abenteuer Sport lässt er uns Zivilisten in der gemütlichen Bundesrepublik mitlesen und fiebern. Vor dem Finale wurde es nochmal so richtig ungemütlich:

,,In der vergangenen Nacht dachte ich ernsthaft, die Expedition sei gelaufen. Ein Sturm schüttelte die Zelte heftig. Es schneite. Graupel gelangte ins Zeltinnere. Ich wälzte mich von einer Seite auf die Andere und schlief kaum. Als der Morgen graute, war fast alles vergessen. Etwa 20 Zentimeter Neuschnee lagen auf den Hängen. Der Himmel war wolkenlos. Die Aussicht von Lager 2 atemberaubend.“

Mittlerweile hat Stefan Nestler mit den anderen Teilnehmern der Expedition Lager  3 auf 6560 Metern erreicht. Am morgigen Tag soll es gelingen, Zeitdruck ist ob des angekündigten Schneefalls ebenfalls da. Bis 10.00 Uhr soll der Gipfel erklommen werden. Es dürfen die Daumen gedrückt werden.

Bergsteigen und der Verkauf von Abfallprodukten

Er ist ein Grenzgänger, ein Freigeist, ein Individualist der besonderen Art. Die Aussagen im folgenden Video werden vielleicht den einen oder anderen provozieren oder gar die Stirn ernsthaft in Falten legen lassen. Schlimmstenfalls wird gar der Weg auf meinen Blog in den nächsten Wochen gemieden. Mir egal. Ich mag den Extremsportler. Er ist einer meiner persönlichen Helden. Alleine wie selbstbewusst er zur Vermarktung seiner Person steht. Der Grenzgänger finanziert sein Leben durch den Verkauf von Abfallprodukten des Bergsteigens. So die Aussagen eines jungen Reinhold Messner. Dabei sieht er sich nicht unbedingt als Leistunssportler, der Gipfelstürmer und Philosoph nimmt durchaus Anleihen aus der Kunstwelt auf.

Doch genug der Vorrede. Schaut´s selber. 

Gipfelstürmer: Von Vettel über Nestler bis Kaltenbrunner und Messner

Während Sebastian Vettel in Suzuka seinen 2. WM Titel in der Formel 1 am nächsten Sonntag einfahren sollte (mehr dazu bei spox unter dem Titel Historie: WM-Entscheidungen in Suzuka – Das Schlachtfeld der Genialen) berichtet der zur Nepal Expedition aufgebrochene Stefan Nestler auf seinem Blog Abenteuer Sport von einem anderen schnellen und offenbar talentierten Mann hinter dem Lenkrad: 

,,Jedes Land hat seine Automobilsport-Talente. Der Sebastian Vettel Nepals steuerte unseren Kleinbus von Nepalgunj ins nördlich gelegene Surkhet. Der Bus war voll beladen. Innen drängten sich die Expeditionsteilnehmer mit ihren Rucksäcken, auf dem Dach stapelten sich die Packtaschen mit unserer Ausrüstung. Das hinderte den jungen Formel-Nepal-Piloten jedoch nicht daran, kräftig Gas zu geben. Wenn wir Straßensperren des Militärs passiert hatten, bekreuzigte sich der Fahrer, als suche er göttlichen Beistand für seine Raserei. Ich quetschte mich mit Expeditionsleiter Herbert auf der Vorderbank. Nicht angeschnallt, weil die Gurten fehlten.“

Stefan Nestler peilt den Siebentausender Putha Hiunchuli an und berichtet in bester Blogger Manier kontinuierlich davon. Der Fahrer telefonierte noch nebenbei mit dem Handy und landete mit einer Punktlandung vor dem Hotel in Rekordzeit. Ganz so schnell wird der erfahrene Bergsteiger Nestler nicht auf den 7246 m hohen Gipfel vom Putha Hiunchuli kommen. Gemach, gemach. Er bringt die nötige Expeditionserfahrung für ein erfolgreiches Gelingen des neuen Bergprojekts mit. In Stefan Nestler und seine Nepal Expedition schrieb ich vor 14 Tagen: 

,,Der Deutsche Welle Reporter Nestler hat bereits in der Vergangenheit einige lesenswerte Blogs geführt. Erinnert sei an den Everest-Blog 2005, den Manaslu-Blog 2007 oder den Nordpol-Blog 2009.“

Was macht eigentlich Gerlinde Kaltenbrunner? Kürzlich erklomm sie erfolgreich den K2 und war damit die erste Frau der Welt die alle Achttausender ohne die umstrittene Unterstüzung von Sauerstoffflaschen bezwang. Mit ihrem Multivisionsvortrag – Leidenschaft Leben über 8000 – hat sie einen gut gefüllten Terminkalender. Altdorf, Markt Schwaben, Villingen-Schwenningen und Hechingen sind die Stationen in dem Zeitfenster vom 4. bis 10. Oktober 2011. Respekt. Die mediale Ernte beginnt ja nach dem Abstieg. An ihrer Seite Ehemann Ralf Dujmovits

Noch ein Wort zum Thema Sauerstoff. Extrembergsteiger und Grenzgänger Reinhold Messner erklärte dazu kürzlich im Spiegel-Online Interview:

,, Theoretisch ist der Berg dann ohne Sauerstoffgerät 2000 Meter höher. Man muss öfter verschnaufen, man hyperventiliert, man hat weniger Kraft in den Beinen und bringt auch weniger Willen auf, die Entscheidungsfreude sinkt spürbar. Dieses letzte Stück vor dem Gipfel erscheint unendlich lang, man denkt, die Qual hört nicht mehr auf. Kurzum: Man lässt sich früher von Hoffnungslosigkeit überwältigen.“

Ansonsten äußert sich Bergsteigerpionier Messner auch über die Leistung von Gerlinde Kaltenbrunner anerkennend. Jedoch kann er sich nicht den Verweis auf den seiner Meinung nach nicht vorhandenen Alpinstil verkneifen. Ach, ich bin ja kein Berufsbergsteiger, doch ich ahne welche Eitelkeiten und welches Konkurrenzdenken zwischen den einzelnen Protagonisten der Gipfelstürmer herrschen müssen. Siehe zum Verständnis der Beziehung zwischen Messner und Kaltenbrunner auch das Focus Interview vom August 2008 ,,Messner hat keine Ahnung“. Ich find das gegenseitige beharken nicht immer gut. Andererseits lebt das Extrembergsteigen von den Storys. Vom Charisma der Beteiligten. Von den Büchern. Den Multivisionsvorträgen. Vom Disput. Den unterschiedlichen Philosophien. Reinhold Messner habe ich selber live im vergangenen Jahr in Oberstdorf gesehen. Einer meiner persönlichen Helden. Gar keine Frage. Er gratulierte Gerlinde Kaltenbrunner nach ihrem K2 Aufstieg nicht per E-Mail, die traditionellen handschriftlichen Glückwünsche waren seine Alternative. 

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Reinhold Messner Spezial – Teil 2 –

Steigung und Risiko gemäßigt

Bergsteiger-Weltrekord: Kaltenbrunner schafft alle Achttausender ohne Sauerstoffmaske

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Nachdenkenswert #104

,,Smith Show war seinerzeit ein Riesenerfolg. Da begann man, die Alpen als Spektakel zu inszenieren, sie wurden zum „Playground of Europe“ erklärt. Damit begann der alpine Massentourismus, wie eine Lawine. Noch vor zwei Generationen aber hatte das Leben hier nichts von einem romantischen Idyll. Meinen Großvater konnte der Hof seiner Eltern nicht ernähren – er musste barfuß über die Pässe, die man höchstens mit einem Ochsenkarren passieren konnte. Später hat er an der Dolomitenstraße mitgearbeitet.“

       Reinhold Messner, Extrembergsteiger und Grenzgänger,

       im Interview mit taz

Mehr wie eine geologische Formation

Meine geschätzten Stammleser wissen von meinem Faible für Reinhold Messner. Erinnert sei an Reinhold Messner Spezial – Teil 1 – oder auch an Reinhold Messner Spezial – Teil 2 -. 

Wie er in der folgenden Sequenz über den Mount Everest voller Hochachtung und Ehrfurcht spricht… wollte ich meinem treuen Publikum nicht vorenthalten.

Reinhold Messner Spezial – Teil 1 –

Er ist Grenzgänger.

Er ist Extrembergsteiger. Er ist Bergpionier. Er ist Abenteurer. Er ist Filmautor. Er ist Buchautor. Er ist eine faszinierende Sportpersönlichkeit. Er ist Bergbauer. Er ist Museumsbesitzer. Er ist Lebensphilosoph. Er lotet seit Jahrzehnten die Grenzen aus und sprengt sie. Er ist ein Freigeist. Er ist sich seiner inneren Stärke bewusst. Physisch und psychisch.

Im vergangenen Jahr habe ich mit meiner Liebsten am 1. Oktober 2010 Reinhold Messner im Oberstdorf Haus bei seiner Multivisionsshow – Passion for Limitslive gesehen. Es war ein wunderbarer Abend.

Wir betraten das Veranstaltungshaus und sahen Messner sofort bei der Arbeit. Er signierte Bücher. Die ortsansässige Buchhandlung Edele hat am Buchstand zahlreiche Messner-Bücher und Personal bereitgestellt. Der Grenzgänger ruht in sich. Später in der Pause wird er ebenfalls wieder am Buchstand arbeiten. Ich beobachte die Szenerie. Als Kind habe ich einst nach Fußballspielen mir die Autogramme von Nationalspielern geholt. Fein säuberlich ausgeschnittene Zeitungsausschnitte in einer von mir zusammengestellten Mappe. Die Fußballstars brauchten nur meinem Zeigefinger folgen und zu unterschreiben. Aus dem Alter der Autogrammjagd bin ich jedoch schon längst rausgewachsen. Ich habe auch bewusst auf die Digitalkamera verzichtet. Ich will die Eindrücke pur in mir aufsaugen. Messner ist eigentlich kein Star zum anfassen. Fast habe ich den Eindruck, der ganze Rummel ist ihm etwas zu intensiv. Andererseits sind es seine Kunden die seine Bücher kaufen, seine Veranstaltungen buchen. Am nächsten Abend gehen meine Liebste und ich durch Oberstdorf und bleiben vor dem Schaufenster der Buchhandlung Edele stehen. Ich zähle allein in der Auslage 26 verschiedene Bücher von Reinhold Messner. Ein Vielschreiber.

Meine Jahrhundertliebe und ich geben unsere Garderobe ab. Gehen voller Vorfreude in den Saal. Die Plätze sind nummeriert. Wir haben Glück und sitzen neben einem Paar mit dem wir sofort ins Gespräch kommen. Sie kennen Peter Habeler persönlich. Jenen Peter Habeler, mit dem Messner einst ohne künstlichen Sauerstoff auf den Mount Everest stieg. So vergehen die Minuten bis zum Beginn der Veranstaltung im angeregten Gespräch.

Dann betritt Reinhold Messner die Bühne. Der 66-Jährige hat eine authentische Bühnenpräsenz. Seine Worte sind mit Bedacht gewählt. Er macht nicht den Motivations-Guru. Trotzdem oder gerade deswegen ist der Extrembergsteiger motivierend. Er ist nicht auf den schnellen und gierig erheischenden Beifall des Publikums im Saal aus. Dann die ersten Bilder. Atemberaubend. Messner steht während der jeweils gezeigten Filme und Fotos fast mediativ auf der Bühne. Der Abenteurer erzählt von der einschneidenden Nanga Parbat Expedition 1970 mit dem tragischen Tod seines Bruders Günther. Tiefe Stille im Saal. Reinhold Messner war danach mehrere Monate in der Gefäßchirurgie in Innsbruck. Viele sogenannte Experten sagten ihm damals voraus, nie wieder einen Berg besteigen zu können. Messner stand wieder auf. Die Zweifler, Skeptiker und Unkenrufer trauten ihren Augen nicht. Zwischen 1970 und 1986 bezwingt er alle 14 Achttausender.

Reinhold Messner erzählt auch von der Antarktis Expedition mit Arved Fuchs. Den Komplikationen. Der Kälte. Den Vorbereitungen. Der Weite. Die Durchquerung über den Südpol zu Fuß. Im Buch Berge versetzen – Das Credo eines Grenzgängers bei BLV attestiert Messner seinem Kompagnon Fuchs Konditionsschwäche. Diesen Seitenhieb verkneift er sich auf der Bühne. Dabei ist das aufeinanderprallen zweier Egomanen immer von Spannungen zwischen den Protagonisten begleitet.

Vorfreude auf Reinhold Messner und die Passion for Limits

Ich freu mich wie ein Kind 4 Wochen vor Weihnachten. Es ist die Vorfreude auf den Grenzgänger. Am 1. Oktober, 20.00 Uhr erlebe ich den Bergpionier Reinhold Messner  live in seiner Multivisionsshow Passion for Limits im Oberstdorf Haus. Leben am Limit. Anschließend geht es mit meiner Liebsten noch zwei Tage selber aktiv in die Berge. Messner ist ein Freigeist. Er lotet die Grenzen aus und sprengt sie. In dem den Eintrittskarten beigelegten Einleitungstext heißt es:

,,Keiner ist so oft an das Limit gegangen wie Reinhold Messner. Im Fels, an den Achttausendern und in den Eiswüsten dieser Erde. Reinhold Messner ist sicher der bekannteste Bergsteiger der Welt und seine Biographie wohl einzigartig.“

Der charismatische Messner kann auch erzählen. Er ist auch darin ein Meister. Meine Liebste und ich freuen uns riesig auf den Abend. Der beigefügte Text verspricht ein emotionales Erlebnis.

,,Messner hat eine faszinierende Präsenz, wenn er von stillen, manchmal spektakulären, oft gefahrvollen Abenteuern auf den höchsten Bergen der Welt berichtet. Seine nie enden wollende Sehnsucht nach den höchsten Gipfeln der Welt, seine Liebe zu den Bergen, und seine Faszination für ihre erhabene Schönheit spiegeln sich im Titel seines neuen Vortrages wieder. Die Leidenschaft, immer wieder Grenzen zu überqueren: Passion for Limits.“

Reinhold Messner hat den Bogen in Sachen Vermarktung bereits länger heraus, verweist aber auch auf eine 10-Jährige Durststrecke. Mittlerweile kann er auf eine lange Strecke erfolgreichen Selbstmarketings zurückblicken. Messner ist eine Marke im monetären Spiel der Aufmerksamkeiten. Seine Tourneedaten zeigen einen gut gebuchten Terminkalender.