Als Bobby Fischer wie entfesselt aufspielte

Er spielte wie entfesselt. Ihn hätte damals wohl nichts aufgehalten. Es war ein Statement, eine Demonstration von Können, mentaler Power, Siegeswillen und Genialität. Buenos Aires erlebte 1971 einen Bobby Fischer im Kampf gegen Tigran Petrosjan mit derartiger Wucht am Schachbrett, dass dieses Match noch lange nachhallte. Der mit einem Muhammad Ali Selbstbewusstsein ausgestattete 28-Jährige Amerikaner Bobby Fischer hatte sich im Finale des WM-Kandidatenturniers vom 30. September bis 26. Oktober 1971  mit unglaublichen 6,5:2,5 gegen den Weltmeister von 1963 bis 1969 durchgesetzt. Petrosjan galt als einer der stärksten Defensivspieler in der Schachgeschichte. Alleine seine Bilanz bei Schacholympiaden spricht Bände. Tigran Petrosjan erzielte 79 Siegen, 50 Remis und erlitt nur eine Niederlage gegen Robert Hübner 1972 in Skopje. Die Olympiabilanz des von 1968 bis 1977 als Chefredakteur der führenden russischen Schachzeitschrift 64 fungierenden Weltklassespielers ist phänomenal: 80 Prozent der möglichen Punkte aus 130 Partien. Doch Bobby Fischer zerschlug reihenweise die Verteidigungslinien von Tigran Petrosjan in der südamerikansichen Metropole Buenos Aires.

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Bobby Fischer hatte das Momentum. Er war gnadenlos. Wenige Monate vorher spielte sich Fischer warm. Im WM-Kandidaten-Viertelfinale fegte er Mark Taimanow mit 6:0 weg. Im WM-Kandidaten-Halbfinale pulverisierte er seinen dänischen Kontrahenten Bent Larsen mit ebenfalls dominanten und unglaublichen 6:0. Larsen hatte sich im Viertelfinale gegen die DDR-Schachkoryphäe Wolfgang Uhlmann durchgesetzt. Ein Jahr vorher hatte Bent Larsen beim Kampf UdSSR gegen den Rest der Welt am Brett 1, dass ihm Fischer großzügig überlies, sein Duell gegen Boris Spasskij mit 2,5:1,5 gewonnen. Doch zurück zum WM-Kandidatenzyklus vor 45 Jahren. Schachgenie Fischer schlug in jenem ereignisreichen 1971 mit Taimanow (beste Elo-Zahl seiner Laufbahn mit 2600 im Juli 71), Larsen und Petrosjan also kein Fallobst. Es war beeindruckend wie Bobby Fischer seine erlesenen Gegner vernichtend am Schachbrett schlug. Die Weltklasse sah keinen Stich gegen den ehrgeizigen Amerikaner, der seit Jahren ein Ziel mit Vehemenz verfolgte: Schachweltmeister zu werden.

Mark Taimanow musste für die Niederlage gegen Bobby Fischer büßen

Mark Taimanow, der Bobby Fischer in den damals im K.o. Modus ausgetragenen Kandidatenturnier als erster zum Opfer fiel, musste büßen. Der an 23 Schachmeisterschaften der führenden Schachnation UdSSR teilnehmende Großmeister fiel bei den  Behörden in Ungnade. Die Polit-Bürokraten hielten es für unmöglich, das ein starker sowjetischer Schachspieler mit einem solchen verheerenden 0:6 geschlagen werden konnte. Die ideologisch verbitterten Behörden unterstellten Mark Taimanow gar politische Motive. Der Schachgroßmeister bekam alle nationalen Titel entzogen. Die Sanktionen wurden von den Polit-Kraken erst schrittweise aufgehoben, als auch andere Schachspieler klar gegen den Amerikaner verloren.

Bobby Fischer spielte wie entfesselt und gewann die Duelle gegen Taimanow, Larsen und Petrosjan vor 45 Jahren in einem eng getakteten Zeitraum. 16. Mai bis 1. Juni 1971 war das Viertelfinale gegen Taimanow, einen Monat später dann vom 6. Juli bis 20. Juli das Match gegen Larsen und wie eingangs erwähnt vom 30. September bis 26. Oktober 1971  der Kampf gegen Petrosjan.

Erinnerungen von Boxchampion Henry Maske an die DDR

Guten Tag.

Spox, jenes im Markt ganz passabel etablierte Sportportal, hatte diese Woche zur Interview-Legendenwoche aufgerufen. Sie brachten Interviews mit der Handballikone Thiel, Schwimmstar Groß, Zehnkämpfer Busemann, Rallye-Fahrer Röhrl und Boxchampion Maske. Letzterer wuchs ja bekanntlich in der DDR auf, jenem sozialistischen Laborversuch, der 1989 ein jähes Ende fand. Der kapitalistische Laborversuch westwärts der Elbe hatte den ideologischen und ökonomischen Kampf gewonnen. Ein Jahr später gab es die D-Mark auch in Dresden, Oschatz, Gera, Rostock, Leipzig, Warnemünde etc. Wochen später dann am 3. Oktober 1990 die Deutsche Einheit. Henry Maske im Spox Interview  dem Titel „Bei McDonalds hieß ich Peter Sahr“ mit dem Rückblick auf seine 25 Jahre in der DDR, in der amerikanische Imbissketten nicht zum Straßenbild gehörten:

 ,,Es herrschte diese Freiheit und Entspanntheit, die ich gerade als kleiner Junge genossen habe. Wenn ich aus meinem Kinderzimmer geschaut habe, habe ich nur Wiesen und Felder gesehen, ein kleiner Bach, Hühner, Kühe. Meine Eltern mussten nicht die ganze Zeit auf mich aufpassen, ich konnte mich frei bewegen, ohne dass sie sich Sorgen machen mussten.“

Henry Maske traf als DDR-Boxer auch auf Kontrahenten aus der Bundesrepublik. Der spätere gesamtdeutsche Publikumsliebling zu jener Zeit:

,,Nein, wir haben uns gegenseitig respektiert. Aber es war jedem klar, dass diese Kämpfe eine spezielle Note hatten. Jede Niederlage wäre eine Klatsche für uns gewesen, die wir uns nicht leisten wollten. Dafür wurden wir auch viel zu gut gefördert. Sehen Sie: Wir trainierten in der Woche zehn- bis zwölfmal, die Boxer aus dem Westen nur vier- bis fünfmal. Natürlich kam es mal vor, dass einer von uns einen Kampf verloren hat. Aber das war eine Seltenheit.“

Doch in Sachen materieller Zuwendung für die Sportler hatten die Boxer aus der BRD selbstredend die komfortableren Autos. Henry Maske focht dies jedoch nicht an:

,,Auf der anderen Seite bekamen wir zu hören: „Ihr tut mir ja schon leid mit eurem Trabi.“ Aber mir war das egal, ich war stolz auf meinen Trabi. Und mit der Zeit haben wir gemerkt, dass auch im Westen bei weitem nicht alles Gold ist, was glänzt.“

Okay, das lasse ich mal so stehen.

Insgesamt muss ich Spox ein Kompliment für die Interview-Legendenwoche mit Thiel, Groß, Röhrl, Busemann und Maske machen. Das waren zum Teil sehr rockige Interviews, Facetten wurden hervorgeholt, die selbst eingefleischten Sportfans nicht immer geläufig gewesen sein sollten. Gerne mehr davon.