Reblog: Kommentar von Michael Wiemer zum Schach-WM Kandidatenturniersieger Sergey Karjakin

So, wie entlasse ich meine treuen Leser in ein besinnliches und entspanntes 4. Adventswochenende? Vielleicht mit einer Momentaufnahme aus London. Phil Ehr, porträtiert vom englischen Fotografen Ray Morris-Hill, der mir dankenswerterweise seit vielen Jahren aus der englischen Metropole Päckchen mit wunderbaren Schachmomentaufnahmen zusendet. An dieser Stelle auch nochmals herzlichen Dank. Dank gebührt auch meinen zahlreichen Stammlesern, die mich wieder ein weiteres Jahr begleitet haben.

Phil Ehr

Foto: © Ray Morris-Hill  www.rmhphoto.eu

Da auch bei mir die To-do-Liste vor Jahresende ellenlang ist, bediene ich mich eines Kunstgriffs und greife ins Blogarchiv. Sergey Karjakin hat ja kürzlich in New York Magnus Carlsen das Leben schwer gemacht. Harten Widerstand gezeigt und den Weltmeister ins Tie-Break gezwungen. Viele Experten hatten vor dem WM-Kampf einen klaren Sieg für Carlsen in der regulären Spielzeit vorhergesagt. Ich war mir da nicht so sicher. Sergey Karjakin hatte seine Zähigkeit und sein Potential beim Schach-WM Kandidatenturnier im März in Moskau zur Genüge unter Beweis gestellt. Genug der Vorrede. Vorhang auf!

Reblog: [vom 29. März 2016] Kommentar von Michael Wiemer zum Schach-WM Kandidatenturniersieger Sergey Karjakin 

Nörgler befürchteten einen 3. C & A Kampf um den begehrten Schachweltmeistertitel. Und einen erwartbaren Ausgang. Doch Vishy Anand tritt im November nicht gegen Magnus Carlsen an. Auch nicht der für den amerikanischen Schachverband startende Fabiano Caruana. Auch nicht Armeniens David Beckham, der wieder im geschlagenen Feld gelandete Levon Aronian. Auch nicht der selbstbewusste Lautsprecher Hikaru Nakamura. Auch nicht der Bulgare Topalov oder Remiskönig Anish Giri. Auch Peter Svidler buchte nicht das WM-Ticket für New York.

Sergey Karjakin feierte am 12. Januar 2016 seinen 26. Geburtstag. Zweieinhalb Monate später machte er sich mit dem Sieg beim WM-Schach Kandidatenturnier von Moskau nachträglich das schönste Geburtstagsgeschenk. Jetzt wartet Weltmeister Magnus Carlsen auf den russischen Großmeister mit ukrainischen Wurzeln. Karjakin wurde im ukrainischen Simferopol geboren und spielte bis 2009 für die Ukraine. 2004 gewann er mit der ukrainischen Mannschaft die Schacholympiade. Am 25. Juli 2009 erhielt Sergey Karjankin die russische Staatsbürgerschaft. Seit Oktober 2009 spielt der Carlsen Herausforderer für Russland.

Prophezeiung von Kasparow

Nein, der Sieg nach 14 Runden von Karjakin beim Schach-WM Kandidatenturnier in Moskau ist keine Überraschung. Seit längerem erzählt sich die Schachszene die Prophezeiung vom mehrfachen Schachweltmeister Gari Kasparow, der Karjakin des öfteren als einen der Anwärter für den Weltmeistertitel bezeichnete. Beim Kandidatenturnier 2014 in der sibirischen Erdölstadt Khanty Mansiysk belegte Sergey Karjakin hinter Vishy Anand Platz 2. Im selben Jahr bekam er die Auszeichnung des Ehrentitels Verdienter Meister des Sports in Russland. Sein überragendes Schachtalent zeigte sich früh. Herausforderer Karjakin errang seinen Großmeistertitel am 12. August 2002 im Alter von 12 Jahren, 7 Monaten und 0 Tagen. Damit hält er den Rekord als jüngster Schach-Großmeister aller Zeiten, wenn mich meine Statistiken nicht im Stich gelassen haben.

95.000 Euro für Karjakin

Der Preisfonds von Moskau belief sich auf 420.000,- Euro. Die Summe verteilte sich wie folgt:

1. 95.000,-
2. 88.000,-
3. 75.000,-
4. 55.000,-
5. 40.000,-
6. 28.000,-
7. 22.000,-
8. 17.000,-

Turniersieger Sergey Karjakin geht mit 95.000 Euro nach Hause. Die Börse vom WM-Kampf im November in New York gegen Megastar Magnus Carlsen wird erheblich höher sein. Apropos Kontrahent Carlsen. Sergey Karjakin hat keinen Carlsen Minderwertigkeitskomplex. Den Norweger distanzierte er im Juli 2012 bei der Schnellschach Weltmeisterschaft in Astana auf Platz 2.

Karjakin zeigte in Moskau Nervenstärke. Seine gute Ausgangsposition nach 13 Runden verteidigte er mit den weißen Figuren gekonnt in der abschließenden Partie gegen Fabiano Caruana. Ein Remis hätte Karjakin für den Turniersieg und das Ticket für New York gereicht, er beendete die Partie mit einem Sieg. 8,5 Punkte aus 14 Partien sind ein bemerkenswertes Resultat. 2013 hatte Magnus Carlsen mit Wladimir Kramnik in London beim Schach-WM Kandidatenturnier ebenfalls 8,5 Punkte auf dem Tacho. Bei der nächsten Auflage 2014 in Khanty Mansiysk erzielte Turniersieger Vishy Anand auch markante 8,5 Punkte.