Nach dem Rückblick auf die Saison beim Branchenprimus Bayern München und dem ambitionierten Vizemeister VfL Wolfsburg dröseln wir heute die Tabelle weiter auf. Es geht mit dem Tabellendritten der Fußball-Bundesliga 2014/2015 weiter. In aller Ruhe.
Heute Borussia Mönchengladbach.
Michael Wiemer über die Platzierung von Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach war in den Siebzigern ein Versprechen. Sie heimsten Titel ein und machten sich mit ihrem Angriffsstil Freunde über die regionalen Grenzen. Die Fohlen Elf begeisterte mit atemberaubenden Fußball. 1970, 1971, 1975, 1976 und 1977 wurde Borussia deutscher Meister. Dazu kam die Vizemeisterschaft in den Jahren 1974 und 1978 sowie DFB-Pokalsieger 1973. Jenem Pokalfinale mit der spektakulären Selbsteinwechslung von Günter Netzer, der im vergangene Jahr hier am Bodensee in der Uni Konstanz über seine Laufbahn inklusive den Umständen seiner Einwechslung entspannt plauderte.
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Auch auf internationalen Parkett gab es für Borussia Mönchengladbach großartige Erfolge die sich heute noch auf dem Vereinsbriefkopf gut machen. UEFA-Cup Sieger 1975 und 1979. Dazu der Einzug ins UEFA-Cup Finale in den Jahren 1973 und 1980. 1977 war Borussia Mönchengladbach zudem Finalist im Europapokal der Landesmeister gegen den FC Liverpool in Rom. Doch wir wollen nicht zu sehr in Nostalgie baden. Am 1. August 2015 feiert Borussia Mönchengladbach seinen 115. Geburtstag der Gründung. Schneidig sahen die Herren um 1900 aus.
Schwenk in die Neuzeit. Borussia Mönchengladbach wird in der Bundesligasaison 2014/2015 zu Recht Tabellendritter und schafft die direkte Qualifikation für die Champions-League. 19 Siege, 9 Unentschieden und nur 6 Niederlagen (Bayern München und der VFL Wolfsburg mussten 5 Verlustpartien hinnehmen) ergaben 66 Punkte und ein Torverhältnis von 53:26. Die Borussia mit dem souveränen Torwart Sommer musste die zweitwenigsten Gegentore in der Saison nach Bayern München hinnehmen. In der vergangenen Saison waren es 43 Gegentreffer und insgesamt 55 Punkte bei 11 Niederlagen. Verbunden mit dem Tabellenplatz 6 im Sommer 2014. Der Trend zeigt bei der Mannschaft von Lucien Favre nach oben. 2011 musste Borussia ja bekanntlich gar um den Abstieg bangen und sich in die Nervenprüfung Relegation in zwei Duelle mit dem VfL Bochum begeben. Jetzt kann man genüsslich die Duelle des Hamburger SV mit dem Karlsruher SC von der Couch aus beobachten.
Michael Wiemer über Max Eberl
Erfolg hat viele Väter. Im Misserfolg ist man Waisenkind. So der Volksmund gerne an Stammtischen. Der Erfolg von Borussia Mönchengladbach hat aber auch zwei Namen. Zum Trainer kommen wir gleich. Jetzt wird hier erst eine Lanze für Sportdirektor Max Eberl gebrochen. Ich mag seine unaufgeregte Art. Sein Geschick in Interviews, das verschmitzte Lächeln. Kein Jammern wenn Leistungsträger in den letzten Jahren (erinnert sei an Dante oder Reus) den Weg in monetär stärkere Fußballclubs suchten. Er fand immer wieder neue Spieler, harmonierte mit dem Trainer sehr gut zusammen. Spieler die nicht zu halten waren wurden durch smarte Transfers ersetzt. Nehmen wir für die letzte Saison nur die Torwartposition. Marc-André ter Stegen wechselste letzten Sommer von der Borussia zum FC Barcelona und hat in Kürze einen Betriebsausflug mit den Katalanen nach Berlin im Terminkalender. Max Eberl holte Keeper Yann Sommer vom FC Basel. Ein weiterer gelungener Transfercoup vom Sportdirektor.
Michael Wiemer über den Trainer vom VfL Wolfsburg
Soll ich ehrlich sein? Als Lucien Favre damals in Berlin im Hotel Adlon eine Pressekonferenz einberief um seine Sicht der Dinge in Sachen Demission bei Hertha BSC darzulegen, dachte ich: Ihn werden wir wohl nicht wieder in der Bundesliga sehen. Das fand ich schade. Vom Typ mochte ich ihn. Die Pressekonferenz muss man sich erst mal trauen. Das zog er durch. Aber Bundesligavereine sind ja zuweilen sehr nachtragend. Es wird zwar auch immer ein Charakterkopf auf der Trainerbank ins Anforderungsprofil geschrieben, jedoch zu viele Ecken und Kanten schreckt Präsidenten sowie Sportdirektoren auch oft ab. Selbstverständlich gab es damals in Deutschland ein großes Medienecho auf den Auftritt von Lucien Favre im Nobelhotel Adlon. Tauchen wir doch einfach in einen Text von Welt Online unter dem Titel Die Selbstmontage des höflichen Monsieur Favre aus dem Herbst 2009.
,,Die private Pressekonferenz des früheren Hertha-Trainers Lucien Favre geriet zu einer Farce im Berliner Hotel „Adlon“. Der Schweizer demontierte sich bei seiner Abschiedsrede selbst. Nach dieser Vorstellung dürfte es für den 51-Jährigen schwer werden, noch einmal einen Bundesligisten zu trainieren.“
Nun, Max Eberl hatte im Februar 2011 den Mut Lucien Favre nach Gladbach zu holen. Die Borussia stand im tiefen Abstiegskampf. 7 Punkte Rückstand auf einen Relegationsplatz. Tabellenschlusslicht. Es gibt bequemere Ausgangspositionen für einen Coach. Der Schweizer Trainer brachte die Mannschaft über die besagte Relegation mit Bochum in den sicheren Bundesligahafen. Favre ist ein Trainer, der die Puzzleteile geschickt zusammensetzt, der Mannschaft eine Spielphilosophie nicht nur als schicke Phrase sondern als Erfolgswerkzeug mit an die Hand gibt. Als Spieler war er 1983 Schweizer Fußballer des Jahres. Lucien Favre wird eine akribische Arbeitsweise nachgesagt. Er tüftelt an jedem Detail. Er ist konsequent bei der Ausübung dieser Detailarbeit.
Michael Wiemer vergibt eine Zeugnisnote für Borussia Mönchengladbach
Tabellenplatz 3 mit 66 Punkten und dem Einzug in die Champions-League ist aller Ehren Wert. Unter Berücksichtigung der Ausgangslage ist dies sehr gut. Die Mannschaft wirkte gefestigt, war in der Lage auch Spitzenduelle wie bei Bayern München zu gewinnen. Gladbach war für die Bundesligakonkurrenten kein Wunschgegner. Ambitionierte Mannschaften wie Schalke oder Borussia Dortmund distanzierte man mit 18 bzw. 20 Punkten. Max Eberl und Lucien Favre strahlen eine Ruhe aus, die ich im hektischen Bundesligaalltag als sehr angenehm empfinde. Borussia Mönchengladbach bekommt von mir für den 3. Platz in der Bundesligasaison 2014/2015 die Zeugnisnote 1.