Fußball-WM 2014: Meine Tage mit Übungsleiter Löw (22)
Das Löw noch seinen Job hat, ist dem Glück von Neuer zuzuschreiben. Ja, diese Ausflüge vom ehemaligen Schalke Torwart sind keine Neuigkeit. Auch beim katastrophalen 0:4 gegen Real Madrid im Champions-League Halbfinale in Fröttmaning war er weit außerhalb des Strafraums aktiv. Da übrigens nicht immer souverän. Auch im DFB-Pokalfinale sahen die Zuschauer einen Ausflug. Meine Jahrhundertliebe zu mir:
,,Was macht er denn da draußen?“
Anschließend verletzte er sich bei der Aktion in Berlin an der Seitenlinie. Die dabei zugezogene Schulterverletzung hielt fortan die Nation in Atem. Dabei gab Neuer dem Balljungen die Schuld. Darüber konnte man geteilter Meinung sein. Mein Vater sagte immer: Bitte keine Ausreden.
Doch an jenem Montag gegen Algerien sicherte Manuel Neuer, diesmal bei seinen zahlreichen Ausflügen neben dem Können auch mit viel Glück den Sieg der deutschen Elf und hat bei Übungsleiter Löw einen gut. Oliver Fritsch, von mir sehr geschätzter Fußballjournalist und einstiger Gründer von indirekter-freistoss sowie Hartplatzhelden, findet kein Haar in der Suppe und flechtet auf Zeit Online Manuel Neuer Lorbeerkränze.
,,Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Zuschauer bereits daran gewöhnt, dass der deutsche Tormann ein fünfter Verteidiger ist und die vielen Lücken schließt, die ihm seine vier Nebenmänner lassen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Zuschauer daran gewöhnt, dass er die Sicherheit seines Tors weit davon entfernt verteidigt – an der Eckfahne, nahe der Mittellinie oder zur Not auch am Hindukusch.“
Diese Art des Torwartspiels wird sich auch auf den Bolzplätzen der Republik auswirken. Wollte früher jeder Tore wie Rekordtorschütze Gerd Müller schießen oder den Ball wie Netzer führen oder den Beckenbauer machen, prognostiziert Oliver Fritsch den Trend zum Torwart.
,,Man soll ja vorsichtig sein mit solchen Prognosen. Aber Neuer dürfte beim deutschen Sieg gegen Algerien ein epochales Spiel geboten haben, das künftige Generationen beeinflussen wird. Kinder, die das Spiel gesehen haben, wollen ab sofort Tormann werden – und zwar so wie Neuer.“
Kürzlich gab es ja das Ranking von Frank Rost über die besten deutschen Torhüter. Da belegte Manuel Neuer nur Platz 10. 5 Plätze hinter dem kürzlich zu Barcelona gewechselten Marc-Andre Ter Stegen.
Abseits der WM schießen sich die Bundesligisten warm
Während die deutsche Elf sich 32 Jahre nach dem Thriller von Sevilla auf das Spiel gegen Didier Deschamps französische Auswahl vorbereitet, gibt es derweil die ersten Vorbereitungsspiele von Bundesligisten auf die neue Saison. Da greifen dann die gegnerischen Keeper zuweilen in einer inflationären Anzahl hinter sich. So gewinnt der neu in die Bundesliga aufgestiegene SC Paderborn in der Saisonvorbereitung bei Kreisligist SV 03 Geseke mit 14:0 (10:0). Auch der SC Freiburg hat sich warm geschossen. Ihr ehemaliger Kulttrainer Volker Finke gab ja mit Kamerun nur eine kurze Visitenkarte in Brasilien ab. Eine enttäuschende Bilanz stand am Ende zu Buche. Doch ich will nicht abschweifen. Also zurück zum angekündigten Torfestival der Freiburger. Sie wollten den Paderbornern nicht nachstehen. Der SC Freiburg hat in der Vorbereitung auf die neue Saison einen ebenso lockeren Testspielsieg eingefahren. Die Breisgauer gewannen gegen den Bezirksligisten FV Tennenbronn 14:0 (5:0).
So locker wie die siegreichen Akteure bei beiden 14:0 Testspielsiegen möchte manch PR Berater auch seine Klienten präsentieren. Doch die Sache mit dem geplanten Image ist ja immer so eine Sache. Der Medienredakteur Jürn Kruse hat sich auf taz Gedanken über die Inszenierung der Nationalmannschaft gemacht, die inszenierten Bilder von den Strandläufen von Übungsleiter Löw und die gewünschte Botschaft: Wir sind locker.
,,Dabei kann dieses deutsche Nationalteam alles, nur nicht locker. Jede Regung folgt einem Plan, alles ist gestellt. Die Bilder, die in die Heimat gesandt werden, müssen übereinstimmen mit der Corporate Identity, die das DFB-Team mittlerweile umgibt.“
Jürn Kruse stellt dabei auch eine „Distanz“ und „Kälte“ fest.
,,Oder „Ein Land, eine Mannschaft, ein Traum“, wie es auf dem Mannschaftsbus heißt. Die Inszenierung eines Turniers, die 2006 begann und mit der Nominierung des Teams auf der Zugspitze (Motto für die EM in der Schweiz und Österreich: „Bergtour“) einen ersten grotesken Höhepunkt erreichte, ist gewuchert und strahlt nur noch Kälte und Distanz aus.“
Da wären wir für heute fast durch. Einen habe ich noch. Der ehemalige Handelsblatt Journalist Thomas Knüwer hat die WM nicht links liegen gelassen. Eine weitere Ausgabe vom Digitalen Quartett #65 unter dem Titel Die digitale WM gibt es.