Warteschlange fernab von Uli Hoeneß

Nein, ich habe diese Woche nicht auf den Straßen von München campiert um ein 5er Smartphone zu ergattern. Nicht jede Retrowelle des sozialistischen Laborversuchs der DDR muss man mitmachen. Da bin ich konsequent. Ich habe bereits zu DDR Zeiten dem anstehen in der Schlange nichts abgewinnen können. Einst kam ich mit einem guten Kumpel aus dem Capitol in Leipzig (Kult-Kino und jährliche Heimstätte der Internationalen Dokumantarfilmwoche). Es war in den Achtzigern. Februar. Eisig kalt die Abendluft. Wir gingen Richtung Hauptbahnhof und kamen dabei an einer vorweggenommenen 5er Smartphone Szene vorbei. Am Sachsenplatz bei Leipzig Information formierte sich bereits eine Schlange. Am nächsten Morgen ab 9.00 Uhr sollte es Tickets (damals nannte man es noch Karten) für den westdeutschen Kabarettisten Dieter Hildebrandt geben. Für die Nacht waren Temperaturen für bis zu Minus 7 Grad vorhergesagt. Die Menschen waren mit Thermoskanne, Decken und Campinghockern ausgestatttet.

Mein Kumpel und ich zogen dann doch weiter. Das Leben ging auch ohne Besuch eines Hildebrandt Auftritts in Leipzig weiter. Selbstredend bildeten sich auch Schlangen bei der Vergabe von Reisen, dem eintreffen von Bananen beim Gemüsehändler oder der Zuteilung von Berechtigungsscheinen für Fliesen oder Hobeldiele. Meine Mutter hatte eine kleine Wäscherei im Hinterhof. Ihre Kundschaft versorgte sie immer mit den neuesten Infos im Kietz. Gab es irgendwo Bananen wurden meine zwei Schwestern und ich mit Faltbeutel zum einkaufen geschickt. Die Bananen gab es in limitierter Gewichtsabgabe. Dies war zu Zeiten wo die DDR im Ranking des Medaillenspiegels bei den olympischen Spielen immer vor der Bundesrepublik Deutschland dominierte. Diplomaten im blauen Trainingsanzug. Das konnte auf  Dauer nicht gut gehen.

Campieren wegen einem 5er Smartphone in München im Jahr 2012 … Das ich das noch erleben durfte. Derweil gibt Uli Hoeneß in der bereits erschienen Ausgabe vom Oktober des Fußballmagazins 11Freunde ein längeres Interview. Da streift er wie nebenbei auch den Fußball in Leipzig. Stichwort RB Leipzig. Attestiert Hopp von Hoffenheim mehr Herzblut und Nachhaltigkeit für Fußball im Vergleich zu Red Bull Chef Mateschitz. Ich bin mir da nicht so sicher. In der Regel zieht Mateschitz seine Sponsorengagements bis zum angestrebten Erfolg durch. Ich wage nicht meinen Instinkten zu widersprechen. RB Leipzig wird Deutschland in einigen Jahren in der Bundesliga sehen. Hoeneß gibt auch VW einen mit. Stichwort Meisterschaft 2009 mit Wolfsburg. Teuer erkauft. Der Weltmeister von 1974 macht über seine Abneigung gegenüber Twitter keinen Hehl draus. Der Präsident von Bayern München will in China Sponsoren stärker mit einbinden. Dort wird bei der Ankunft von Bayern München auch schon einmal von den Chinesen zur Begrüßung der Fußballer Stern des Südens gesungen. Der einstige wieselflinke Stürmer hat bei der Summe von 40 Millionen für Martinez auch an den Bau von Kindergärten für diesen Geldbetrag gedacht. Er sieht die Bundesliga in 10 Jahren in Europa dominieren. Hoeneß trägt dann nach getaner Arbeit inclusive der Fotos zum Interview auch mit den Redakteuren die Bank den Hang hinunter.

Eigentlich ist jetzt noch ein wenig Entspannung für die 5er Smartphone campierenden angesagt. Vielleicht hilft ein Blick auf ein Foto von Schachweltmeister Bobby Fischer. Bitte auch die relaxten Kiebitze im Hintergrund beachten.