Was macht eigentlich Jan Ullrich im Februar 2012?

Kann sich noch jemand an das Jahr 1993 erinnern? In Oslo holte sich damals ein Nobody den Straßenweltmeistertitel im Radsport bei den Amateuren. 1997 gewann er die Tour de France. In Uruguay wird der damals 23-Jährige daraufhin im November sogar auf einer Briefmarke verewigt. Ganz Deutschland (vielleicht mit Ausnahme die absoluten Nicht-Sportinteressierten) huldigte dem außergewöhnlichen Radsportler mit den Rostocker Wurzeln. Die Zeitungen überschlugen sich mit großen, begeisterten Schlagzeilen und Lobeshymnen. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF rockten förmlich in ihrer Euphorie. Radsport war in Deutschland eine Sportart ersten Ranges geworden. Der Held im Scheinwerferlicht war Jan Ullrich. Im Dezember 1997 wird er zum Sportler des Jahres in Deutschland gewählt.

Jahre der Zweikämpfe zweier begnadeter Radsportler sollten folgen. Die einst legendären Duelle zwischen Lance Armstrong und Jan Ullrich sind Sportgeschichte. Die Tour hat diesen Zweikampf in den Bergen und im Zeitfahren jedesmal entgegengefiebert. Die Zuschauer waren in den Bann gezogen. Bereits im Frühjahr wurde mit den Füßen gescharrt. Die Radsportfans wollten Jan und Lance auf dieser besonderen französischen Bühne sehen. Showtime.

Heute schreiben wir das Jahr 2012. Februar. Bitterkalt. Die Wintertemperaturen sind intensiv. Die Heizkosten schnellen in den Haushalten der Bundesbürger nach oben. Basketballfan Christian Wulff ist weiter im Amt. Little Hoffenheim vermeldet nach dem Rauswurf von Trainer Stanislawski eine Neuverpflichtung auf dem Schleuderstuhl.  Derweil schreibt Jan Ullrich auf eigener Webseite unter dem Titel Erklärung von Jan Ullrich zum CAS-Urteil – Schlussstrich unter die Vergangenheit seine Sicht der Dinge. Er blickt dabei auch auf 2006 zurück:

,,Kurz vor der Tour 2006 macht es dann einen großen Schlag: Suspendierung, Schlagzeilen, Ächtung, Hausdurchsuchungen, Strafverfahren, Klagen. Ich fühlte mich alleingelassen, wie durch ein Sieb gefallen. Die ganze Welt wollte mich an die Mauer stellen und dann bin ich instinktiv in Deckung gegangen, habe mich erst mal zurückgezogen. Wie gesagt: Ich will mich nicht beklagen, dass alles kam nicht ohne Grund. Ich wollte schon damals, kurz nach meiner Suspendierung, den Fehler, den ich gemacht habe, öffentlich eingestehen, aber mir waren die Hände gebunden. Auf Anraten meiner Anwälte und wie es in solchen Fällen üblich ist, habe ich zu den Vorwürfen geschwiegen.“

Jan Ullrich ist durch ein Wellenbad der Gefühle gegangen. Einst hochgejubelt, spürte er die Ablehnung und Abkehr von Schulterklopfern, Pseudo-Freunden, Radsportfunktionären, Politikern etc. Auf der aktuellen Facebook-Seite vom Tour de France Sieger 1997 sind zahlreiche Fans vertreten. Sie halten weiter zu ihm. 

Das Leben geht weiter. Auch morgen wird die Sonne wieder aufgehen. Jan Ullrich hat jetzt natürlich viele Zeilen in den Medien erhalten. Stellvertretend sei hier ein Blick in Der Tagesspiegel empfohlen.