Monat: Januar 2011
Eine Frage des Geschmacks
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Oder auch nicht. Der Auftritt der Berufsschachspieler in puncto Kleidung ist sicherlich diskutabel. Bei den Fotos von Eric van Reem vom Tata Steel Chess 2011 in Wijk aan Zee auf chesstigers gibt es einige modische Sünden. Wir reden hier nicht von einem Amateur Open. Sehnsüchtig schau ich zurück. Was waren das noch für Zeiten als Schachspieler wie Bobby Fischer mit Anzug und Krawatte spielten. Das hatte Klasse. Das war Stil.
Jan Gustafsson, Schachgroßmeister und Blogger, hat sich vor Ort den Sekundanten von Anand zur Brust genommen und ein Kurzinterview geführt.
,,Kommen wir zum Weltmeister. Ich führe mal schnell ein tiefsinniges Interview mit seinem Sekundanten:
Ich: Herr Nielsen, wie läuft das Turnier für Vishy Anand bisher aus ihrer Sicht?
PHN: Naja, er führt, das ist schon mal gut. Im Ernst, ich bin sehr zufrieden mit seinem Spiel und seiner Performance bisher.“
Mehr davon gibt es auf der fast schon legendären Website von Jan Gustafsson zu lesen und zu sehen. Übrigens auch mit einem Schnappschuss von Anish Giri in arteigener Freizeitkleidung.
Die Führung büsste Anand am Freitag allerdings ein. Nakamura führt beim Tata Steel Chess 2011 zwei Runden vor Ultimo.
Büroarbeitstag vor Monatsende
08:35 Mantel im Büro aufgehangen. E-Mail Eingang checken.
08:45 Kollegen an gewonnene Sportwette auf Bayern Sieg erinnern
08:50 Ersten Kaffee im Büro trinken, Rosinenbrötchen tunken
09:30 Konferenz. Kollegen an ausstehenden Wetteinsatz erinnern
10:00 Zurück im Büro. Ablage. Blick auf eurosport.yahoo und spox
11:15 Zweites Frühstück mit Kollegen P. Austausch über Handball-WM
11:45 Kantine. Handball Diskussion fortsetzen. Es dreht sich um Brand.
12:40 Eiligen Außentermin vorschützen: schnell mal rüber zu Kaufhof
13:45 Beim Bereichsleiter Sorge über Zustand von P. äußern
14:30 Am Drucker Powerpoint-Präsentation der Kollegin K. abgreifen
14:55 Druckerpapier und Textmarker Stabilo für daheim einstecken
15:15 All-inclusive-Angebote für Tour de France checken
15:40 Präsentation von K. unter eigenem Namen der Zentrale senden
16:10 Auszubildenden (Hoffenheim Fan) im Großraumbüro hochnehmen
16:20 Die Bundesligawettgelder von den Kollegen einsammeln
17:10 Endlich Feierabend. In der Tiefgarage auf Bereichsleiter warten:
,,So spät noch?“
17:50 Von der Frau wegen aufreibenden Bürotag bedauern lassen
Anmerkung
Alles an diesem Büroarbeitstag ist erfunden, das hoffe ich zumindest. Namen der Personen sowie Ablauf in der Firma sind ebenso frei erfunden wie die beschriebenen Situationen und Handlungen.
Ich versichere, dass ein Bezug zu realen Geschehnissen in deutschen Büros nicht beabsichtigt ist, auch wenn sich ein solcher finden sollte.
Das Tata Steel Chess 2011 in Wijk aan Zee geht in die Zielkurve
Noch drei Runden sind im niederländischen Schachkultort Wijk aan Zee zu spielen. Wenn mich meine grauen Zellen nicht im Stich gelassen haben, erinnere ich mich an eine Siegquote von Magnus Carlsen von 1,65 im Dezember, aufgerufen vom österreichischen Sportwettenanbieter bwin. Das norwegische Schachgenie hat schon so manches Turnier im Finish der letzten Runden gewonnen. Doch chesstigers liegt wohl nicht ganz falsch mit der Einschätzung:
,,Die längste Partie der A-Gruppe trugen Magnus Carlsen und Ian Nepomniachtchi aus, und zur Abwechslung war es mal nicht an dem Norweger seinen Gegner zu massieren, es lief komplett umgekehrt. Während die Carlsen-Fans in klarer Verluststellung noch rätselten, wie das ihrem Genie unterlaufen konnte, verwertete der russische Europameister seine Mehrqualität souverän. Völlig abschreiben darf man die aktuelle Nummer 1 der Weltrangliste zwar nicht, aber 1,5 Punkte Rückstand bei drei ausstehenden Runden, das dürfte auch für Carlsen kaum noch aufzuholen sein.“
Das Turnier führen Viswanathan Anand und Hikaru Nakamura an. Der indische Champion, liebevoll von seinen Fans auch Tiger von Mudras genannt, ist eigentlich mit einem großen Turniersieg überfällig. Linares 2008 sollte eigentlich durch Wijk aan Zee 2011 in der Turnierbilanz der Siege vom Schachweltmeister ersetzt werden. So eine lange Zeitspanne ohne Erfolg bei einem klassischen Schachturnier ist nicht sonderlich förderlich für die Reputation von Anand. Oder lege ich zu große und strenge Maßstäbe an? Nein, von einem Schachweltmeister darf dies erwartet werden.
Stefan Löffler ist im Blog der Schachwelt der Frage nachgegangen Wie oft verliert ein Weltklassespieler? und analysierte die Statistik von Carlsen, Anand, Aronian, Kramnik und Topalov. Hochinteressant. Magnus Carlsen steht seit Januar 2010 mit 10 (kein Schreibfehler) verlorenen Partien bei 64 Begegnungen ganz weit draußen auf der Lichtung. Menschenskinder, diese Bilanz würde einen Bobby Fischer die Tränen in die Augen treiben. Auch Garri Kasparow wird den Kopf schütteln. Unlängst gab er im FAZ Interview bemerkenswerte Einschätzungen zur Leistung des Jungstars aus Skandinavien ab.
Hinter Anand und Nakamura liegen Blitzschachweltmeister Aronian und Kramnik mit einem halben Punkt Rückstand in Lauerstellung. Es ist für genug Spannung in Wijk aan Zee gesorgt.
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Artverwandte Informationen zum Thema
Offizielle Turnierseite von Tata Steel Chess 2011 in Wijk aan Zee
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Little Hoffenheim
Es gibt keine Alternative zum sportlichen Erfolg. Während Gustavo, ehemaliger Spieler von Hoffenheim, souverän mit seinem neuen Verein Bayern München in das Halbfinale einzieht, mussten die Kraichgauer bei Energie Cottbus ohne Coach Rangnick die Segel aus dem Pokalwettbewerb streichen. Das warten auf schwarze Zahlen in Hoffenheim geht also weiter. Für die kolportierten 240 Millionen Euro hat die TSG eine doch recht bescheidene sportliche Bilanz aufzuweisen. Das kann Dietmar Hopp nicht wirklich gefallen.
Der Charme von Adidas
Bei der Umfrage nach dem Unternehmen mit dem emotionalsten Sportsponsoring lieferte sich Adidas im vergangenen Jahr ein Kopf-an-Kopf Rennen mit Nike. Der Sportartikelhersteller mit Sitz im fränkischen Herzogenaurach ist auch auf dem Arbeitsmarkt eine begehrte Adresse bei Jobsuchenden. Die Süddeutsche Zeitung befragte kürzlich die 30 Dax-Konzerne nach den Plänen für 2011. Unter dem Titel Wir stellen ein! schreibt Sibylle Haas:
,,Um die Attraktivität des Sportartikelherstellers Adidas als Arbeitgeber zu betonen, bedient sich Konzernchef Herbert Hainer gerne eines Zahlenspiels. Alle Bewerber eines Jahres zusammengenommen würden die Münchner Allianz-Arena locker füllen. Das Fußballstadion fasst 69.000 Menschen.“
Die derzeitige Anzahl an Beschäftigten bei Adidas würde auch gut die Heimstätte des 1. FC Nürnberg füllen. Im Jahr 2011 will der Sportartikler offensiv Neueinstellungen beim Personal vornehmen.
,,Tatsächlich zählt die Adidas-Gruppe samt ihren Tochterfirmen wie Reebok und Taylor-Made derzeit fast 42.700 Beschäftigte. 2011 soll diese Zahl um vier bis sechs Prozent steigen, in der Summe also um etwa 2000.“
Mir ist Adidas mit 10 Jahren das erste Mal aufgefallen. Spieler wie Franz Beckenbauer, Paul Breitner, Uli Hoeneß, Gerd Müller oder ,,Katsche“ Schwarzenbeck von Bayern München trugen die Trikots mit den 3 Streifen in den Spielen gegen Dynamo Dresden 1973 im Europapokal der Landesmeister. Der Fußballvirus machte sich in mir breit. Dem 4:3 von München folgte jenes spektakuläre 3:3 in Dresden. Da meine Präferenzen im regionalen Fußball eher dem 1. FC Lokomotive Leipzig galten, drückte ich Bayern München über die Ländergrenze hinweg die Daumen. Vielleicht war ich 1973 der erste der innerlich im Sport die deutsche Einheit herstellte. Fortan gab es am Wochenende und an den internationalen Spieltagen am Mittwoch (jene unsägliche Salamitaktik der Zersplitterung des Spielplans gab es seinerzeit noch nicht) zwei Daumen zu drücken. Bayern München gewann in den Adidas Trikots den Europapokal der Landesmeister 1974, 1975 und 1976. Der 1. FC Lokomotive Leipzig zog 1974 in das Halbfinale des UEFA-Cups ein und später 1987 in das Finale im Europapokal der Pokalsieger gegen Ajax Amsterdam. Ach, dieser Marco van Basten.
Die Partnerschaft zwischen Adidas und Bayern München hat Tradition. Die Herzogenauracher sind seit 1965 Ausrüster des deutschen Rekordmeisters. Doch die Zahl der fast 69.000 Bewerber um eine Stelle bei Adidas werden sicherlich nicht nur Menschen mit einem Faible für Bayern München sein.
Heiner Brand macht aus seinem Herzen keine Mördergrube
Er ist der Beckenbauer des deutschen Handballs. Heiner Brand gewann als Spieler in Kopenhagen 1978 den Weltmeistertitel. 2007 coachte er seine Sieben in Köln zum Weltmeister im begeisternden Finale gegen Polen. Doch nach dem Heimerfolg stellten sich keine weiteren großen Erfolge ein. Peking ging total daneben. Ein bitteres Vorrunden-Aus. Heiner Brand hat immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und auf die Defizite in der heimischen Liga hingewiesen. Seine damalige Erkenntnis :
„Seit nahezu zwölf Jahren haben ich immer wieder angemahnt, dass junge Spieler gefördert werden müssen, sonst wird irgendwann dieser Zustand, den wir jetzt gerade erleben, zum Normalfall, und das darf im Sinne des Handballs nicht sein.“
Der Normalfall trat ein. Negativer Höhepunkt war das Abschneiden bei der EM im vergangenen Jahr in Österreich. Ein weiterer Imageschaden für den deutschen Handball. Das Durchhaltevermögen von Brand ist bewundernswert. Manch anderer Coach hätte bereits da hingeschmissen. Jetzt hat der Macher des deutschen Wintermärchens von 2007 in der FAZ ein lesenswertes Interview unter dem Titel Es gibt zu viele Stinkstiefel im deutschen Handball gegeben und macht aus seinem Herzen keine Mördergrube und beantwortet auch die Frage ob eines etwaigen Ausstiegs aus seinem bis 2013 laufenden Vertrags:
,,Solche Gedanken kommen sicherlich immer mal zwischendurch. Ich setze mich mit meiner Situation schon seit längerem auseinander. Die Arbeit mit der Mannschaft, mit dem Präsidium des Verbandes macht mir zwar sehr viel Spaß. Das läuft alles hundertprozentig, das ist ein Teil meiner Motivation. Dass sich allerdings zum Beispiel bei der Ausländerregelung in der Bundesliga gar nichts tut, dass ein Großteil der Leute nur kurzfristige egoistische Ziele anpeilt und sich nicht strategisch mit der Zukunft des Handballs beschäftigt, ist für mich auf Dauer zermürbend. Das Drumherum im Handball ist nicht das, was ich mir vorstelle. Das bringt die Sportart nicht weiter.“
Legionärskrankheit oder gut eingekauft
Stefan Löffler läuft zur Zeit zur Hochform auf. Erst sein bemerkenswertes Interview mit Garri Kasparow in der FAZ, dann der interessante Artikel über den niederländischen Schachkolumnist Hein Donner im Karl und kontinuierliches Bestücken des Blogs auf der Schachwelt mit Texten fernab ausgetretener Schachpfade. Ein Beispiel hierfür sein Bericht über die Legionärskrankheit. Lesenswert.
Da sammer wieder beim DFB
Er war fast weg. Eine Stelle im hohen Norden lockte. Der ehemalige DDR-Oberliga Fußballspieler Matthias Sammer sorgte die letzten Tage für Schlagzeilen. Einst lief der begabte Sportler im Trikot von Dynamo Dresden auf. Ich hab ihn selber noch bei Gastauftritten in meiner Heimatstadt Leipzig gesehen. Später legte er eine bemerkenswerte Karriere in der Bundesliga und im Trikot der Nationalelf des DFB hin.
Nach den gescheiterten Verhandlungen mit dem Hamburger SV gibt es eigentlich keine Sieger sondern nur Verlierer. Günter Netzer kritisiert das übertriebene Mitteilungsbedürfnis bei den Hanseaten und attestiert dem alten und neuen DFB Sportdirektor in der Bild am Sonntag unter dem Titel Sammer hat die Hausaufgaben nicht gemacht Fehler bei den Vertragsverhandlungen:
,,Aber auch Sammer hat im wahrsten Sinne des Wortes seine Hausaufgaben nicht gemacht. Ich verstehe, dass seine Familie bei solch einer Entscheidung eine wichtige Rolle spielt. Aber er hat offenbar versäumt und unterlassen, dem HSV eindeutig zu vermitteln, dass die höchste Priorität bei seiner Entscheidung das Einverständnis seiner Familie ist.“
Günter Netzer war ja einst Manager beim Hamburger SV. Solche spektakulär geplatzten Vertragsverhandlungen sind aus jenen Jahren nicht überliefert.
Nachdenkenswert #84
,,Ich bin kein Idealist. Ich versuche, Realist zu sein. Darüber hinaus bin ich Egoist. Ich bekenne mich zu meinem Egoismus. Und jemand, der das, was er tut – als Straßenkehrer, Verkäufer, Bundeskanzler oder TV-Moderator -, nicht mit Begeisterung tut, soll mir keine Vorwürfe machen. Er soll sein Leben ändern. Wir dürfen alle zu unserem Egoismus stehen, wenn wir Ansprüche an uns selbst und nicht nur an die anderen stellen. Es ist nicht mehr oder weniger tugendhaft, sein Leben zu leben, als irgendwelchen Idealen nachzuhängen.“
Reinhold Messner, Bergpionier und Grenzgänger im Buch
Berge versetzen – Das Credo eines Grenzgängers bei BLV