Wer wird Weltmeister?

Nein, es gibt kein Tippspiel von mir. Selbst Online-Plattformen ohne erkennbare Sportkompetenz konnten davon nicht lassen. Ich verfolge Fußballweltmeisterschaften seit 1974. Bei neun Weltmeisterschaften seit damals holten Deutschland, Brasilien, Argentinien und Italien je zweimal den Titel und Frankreich  einmal bei der Heim-WM.

Ein Blick in die Glaskugel. Ich würde mich auf ein Favoriten-Trio beschränken wollen. Der Weltmeister kommt aus dem Kreis Brasilien, Argentinien und Spanien.

Brasilien ist Rekordweltmeister. Coach Carlos Dunga hat ziemlich viel Disziplin in die brasilianische Elf hineingebracht. Den Zirkus von 2006, der eine oder andere erinnert sich noch an dieses unsägliche Promotion-Trainingslagerchen, konsequent ausgemerzt. Die Brasilianer haben einen vernünftigen Torwart (gerade mit Inter CL Sieger geworden) und genügend individuelle Klasse jederzeit ein Spiel entscheiden zu können. Ist es zu kalt für die Ballkünstler im Winter von Südafrika? Die meisten Brasilianer spielen eh in Europa unter teilweise widrigeren Witterungsbedingungen im europäischen November oder Februar. Wer Weltmeister werden will sollte sich nicht mit klimatischen Ausreden aufhalten lassen.

Ein zweiter Favorit von mir ist die Elf von Diego Maradona. Argentinien konnte man vor einem Jahr noch nicht einmal mit der Kneifzange anfassen und als WM-Favorit handeln. Am 1. April 2009 verloren sie ein WM-Quali-Spiel in Bolivien mit 1:6. Okay, bei der Höhenluft hat schon manch anderer verloren. Doch solch ein Debakel war massiv. Quali ist das eine und ein WM-Turnier das andere. Die argentinische Truppe ist sehr abgebrüht und die älteren Jahrgänge noch hungrig. Messi kann sich eventuell besser entfalten (oder soll ich dem Gerede vom Ausgebranntsein Glauben schenken?)  und ist jederzeit für einen genialen Moment fähig.

Bliebe noch Spanien. Amtierender Europameister. 1972 gewann Deutschland die EM ähnlich souverän wie Spanien 2008. Die Spanier sind sehr lange ungeschlagen gewesen (35 Spiele bis zum vorjährigen Halbfinale im Confed Cup) und haben eine souveräne Quali gespielt. Technisch perfekte Truppe. Es muss kein Nachteil sein dass Barcelona und Real in der CL die Segel streichen mussten. Die Mannschaft hat ja bei WM-Turnieren oft enttäuscht. Diesmal kann der ganz große Wurf gelingen. Die Mannschaftsteile greifen prima ineinander und sie haben mit Vicente del Bosque einen gewieften Coach.

Ich lege mich fest. Aus dem Trio Brasilien, Argentinien und Spanien kommt der Weltmeister 2010.

MORE THAN JUST A GAME

Der leidgeprüfte afrikanische Kontinent ist erstmalig Ausrichter einer Fußballweltmeisterschaft. Südafrika wird die Schlagzeilen in den nächsten Wochen bestimmen. Ich war 13 Jahre alt und im Fernsehen in den Nachrichten wurden Bilder vom blutigen Aufstand von Soweto im Jahr 1976 gezeigt. In dem Jahr gab es auch Olympische Sommerspiele in Montreal. Die Nichtteilnahme von 16 afrikanischen Ländern an den Olympischen Sommerspielen hatte ihren Grund in der Reise der Rugby Nationalmannschaft von Neuseeland im Apartheidregime Südafrika. 

Südafrika war international geächtet. Ein Schmuddelkind auf der internationalen Politlandkarte. Simon Anholt sagte in der brand eins 10/2009 folgende interessante Sätze:

,,Südafrika war das Land der Apartheid, eine Paria-Nation. Ich wurde noch so erzogen, dass man Obst von dort nicht kaufen soll. In den vergangenen Jahren hat sich Südafrika dann plötzlich zur ,,Regenbogen-Nation“ gewandelt, die Fußball-Weltmeisterschaft wird dort ausgetragen, das Land hat – mit Einschränkungen – heute ein gutes Image. Das liegt aber nicht daran, dass sein Fremdenverkehrsamt so tolle Werbung gemacht hat, sondern dass Nelson Mandela freikam, eine innovative Verfassung installiert wurde, die Korruption zurückging, die Wirtschaft wuchs – kurz: Südafrika wurde ein besserer Ort.“ 

Der 1961 geborene Simon Anholt hat Anthropologie und Linguistik in Oxford studiert. Anholt berät Länder- und Stadtregierungen in über 40 Staaten. Mit den Marktforschern von GfK Custom Research erstellt er jährlich drei Studien: den Nation Brands Index, den City Brands Index und den State Brands Index.

Das Image von Südafrika wird auch durch die WM geprägt werden. Es ist das mediale Ereignis in den nächsten 4 Wochen. Dabei ist die Gefahr der Substratsättigung groß. Die elementaren Probleme der Bevölkerung in Südafrika werden bleiben.