Heute scheint der Tag der Anreise zu sein. Jens Weinreich ist von seiner Abenteurreise aus Russland auch wieder zurück. Viswanathan Anand ist in der bulgarischen Hauptstadt Sofia angekommen. 40 Stunden Autofahrt aus Deutschland liegen hinter dem amtierenden Schachweltmeister. Es war kein Zuckerschlecken. Chesstigers bringt das Statement der All India Chess Federation in deutscher Übersetzung.
,,Der 40-jährige Weltmeister und seine Frau sind nach solch einer langen Reise natürlich sehr müde und hatten gehofft, die Organisatoren würden ihr verständliches Ersuchen um eine dreitägige Verlegung akzeptieren. Anand ist es nicht gewohnt, so lange Distanzen über die Straße zu bewältigen und keine Verlegung um drei Tage zu gewähren, könnte Herausforderer Veselin Topalov einen signifikanten Vorteil verschaffen.“
Leichtes Säbelrasseln zu Beginn des Wettkampfs. Topalov läuft ja auch Gefahr in einen Lagerkoller zu verfallen. Eine Verschiebung bringt den ganzen geplanten Turnierablauf durcheinander. Also fangt jetzt an zu spielen.
Der Countdown zur Schach-WM 2010 läuft. Am morgigen Mittwoch gibt es die offizielle Eröffnung. Zwei Tage später spielen Viswanathan Anand und Veselin Topalov die erste Schachpartie beim FIDE World Chess Championship 2010. Der bulgarische Großmeister und Herausforderer Veselin Topalov genießt Heimvorteil. Hier eine Sequenz seines Simultankampfs am 22. August 2009 im Züricher Bahnhof.
Feierlicher Anlass war das Jubiläum der Schachgesellschaft Zürich. 200. Geburtstag seit der Gründung im Jahr 1809. Zum Champions Simultan waren mit Viswanathan Anand, Veselin Topalov, Anatoli Karpow, Garri Kasparow, Viktor Kortschnoi, Vladimir Kramnik, Boris Spasskij und Ruslan Ponomariov 8 namhafte Schachgrößen eingeladen. Sie spielten jeweils gegen 25 Gegner. So wurden an diesem Tag 200 Partien gespielt um je 1 Jahr in der Geschichte der Züricher Schachgesellschaft zu würdigen.
8 Monate später spielen Veselin Topalov und Viswanathan Anand das Königliche Spiel im Duell Mann gegen Mann. Es gab eine Zeit da war ein Weltmeisterschaftsfinale ohne russische Beteiligung undenkbar. 1948 wurde Botwinnik bei einem Turnier in Den Haag und Moskau gegen Euwe, Keres, Reschekwkij und Smyslow Weltmeister. Zwischen 1951 und 1969 fanden alle Schach-Weltmeisterschaftskämpfe in Moskau statt und wurden zwischen sowjetischen Schachspielern ausgetragen. Erst Bobby Fischer im Jahr 1972 störte die Tradition interner russischer Schach-WM Kämpfe. Das Genie forderte 25 Jahre russische Vorherrschaft im Königlichen Spiel heraus.
,,Es ist der Höhepunkt meines ganzen Lebens, wenn ich gegen diesen Spasskij spiele. Das ist wirklich der Entscheidungskampf. Wenn ich nicht gewinne, ist es nicht einfach, wieder an diese Stelle zu gelangen…Sogar diese Kleinigkeit zwischen mir und Spasskij spiegelt die weltpolitische Situation im Kleinen wider. Man hat ja immer wieder vorgeschlagen, daß die beiden mächtigsten Männer der Welt die Sache irgendwie untereinander ausfechten sollen – Mann gegen Mann. Genau darum geht es im Augenblick. Wir machen es nicht mit Bomben, wir kämpfen am Schachbrett gegeneinander.“
Quelle: Fischer Spasskij – Schachmatch des Jarhunderts,
von Svetozar Gligoric, im Droemer Knaur Verlag, 1972
Veselin Topalov und Viswanathan Anand haben es eine Spur kleiner. Sie spielen um die WM-Schachkrone und 2 Millionen Euro Preisfonds und haben eine repräsentative Spielstätte. Auf der Website von chessdom gibt es eine kleine Auswahl an Fotos. Im Military Club in Sofia wird der Titelträger 2010 ausgespielt. Etwaige Wechsel in Hinterzimmer wie 1972 in Reykjavik oder Dispute ob der Filmkameras sind nicht zu erwarten.
Aruna Anand, Frau und Managerin des Weltmeisters, hat den Spielort bereits inspiziert. Topalov hat seine Geschicke in die Hände von Silvio Danailow gelegt. Er gilt als ausgesprochen clever und hat maßgeblichen Anteil am Preisfonds von 2 Millionen Euro. Ihm eilt der Ruf eines beinharten Verhandlungspartners voraus. Als Viswanathan Anand wegen den Verzögerung seiner Anreise nach Sofia durch die isländische Vulkanasche eine 3-tägige Verschiebung des Starts des Schach-WM-Kampfs erreichen wollte, gab es vom Manager und Organisator Danailow ein Nein.
»Wir wollen pünktlich beginnen. Warum saß Anand am Wochenende herum und tat nichts?«
Anand trifft heute in Sofia ein. Betreuer Hans-Walter Schmitt darauf:
,,Wir halten den Vertrag ein, obwohl Anand durch seine verspätete Anreise klar benachteiligt ist.“
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