Planet Interview mit Bernd-Uwe Hildebrandt

Zur Zeit gibt es einige Unruhen im Magdeburger Handball. Ein Blick in den SCM Fanblog oder in die regionale Volksstimme genügt um die Sorge der Fans nach der weiteren Entwicklung zu registrieren. Der einstige europäische Spitzenclub hat schon ruhigeres Fahrwasser gehabt und erfolgreichere Perioden erlebt.

Ein lohnenswerter Blick in den Rückspiegel auf ein Aufsehen erregendes Planet-Interview mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Handball-Bundesliga Bernd-Uwe Hildebrandt gibt Einblicke in den Magdeburger Handball der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 

,,Ich kann versichern, dass nicht ein Cent zu Schiedsrichtern geflossen ist, als wir mit dem SC Magdeburg 2002 die Champions League gewonnen haben.“

Damals wurde Bernd-Uwe Hildebrandt auch konkret von Tino Scholz gefragt ob der SCM noch zu retten sei:

 ,,Man muss Leute finden, die sich uneigennützig vor den Karren spannen lassen und marschieren. Bei den Leuten, die im Moment da sind, sehe ich da niemanden. Es braucht Leute, die den SCM als Ganzes voran bringen wollen. Die gibt es zurzeit nicht, jeder denkt nur an sich. Das ist zu vergleichen mit der früheren deutschen Kleinstaaterei. Auch die hat Deutschland im Fortschritt aufgehalten.“

Der einstige Ruderer und spätere Handball-Macher Hildebrandt hat viele Jahre Sponsoren für den Verein gewonnen. Er weiß auch um deren Befindlichkeiten und plädierte für einen Neuanfang mit klarer Strukturierung des Vereins.

,,Neuanfang muss sein, logisch. Aber das Problem ist, jemanden zu finden, der Spitzensport, Nachwuchssport und Breitensport unter einen Hut zu bekommen. Der SCM braucht wieder wie zu früheren Zeiten überschaubare Strukturen. Auch die Sponsoren wollen wissen wer Koch und Kellner sind. Sonst ziehen die sich weiter zurück.“

Zuletzt hatte sich der Verein auch einen Korb bei der Trainersuche geholt. Der einstige Weltklassehandballer Holger Schneider bleibt beim Zweitligisten HC Empor Rostock. Den Fans blutet das Herz bei der jetzigen Situation. Der SC Magdeburg war einst ein Leuchtturm im Handball in Deutschland und Europa.  Am Sonntag geht es gegen HBW Balingen-Weilstetten  in der Bördelandhalle einfach um Punkte. Doch die Hauptarbeit liegt sicherlich noch vor den Magdeburgern.

Quo vadis SCM?

Das unzensierte SCM Fanblog auf WordPress

 

1974 erlebte ich meine erste Handball Weltmeisterschaft als fast 11-Jähriger. Im WM-Finale sprang Weltklassehandballer Wolfgang Lakenmacher in den Kreis mit dem Ball in der Hand. Der rumänische Torwart der Extraklasse lächelte. Penu lächelte eigentlich immer das ganze Spiel. Sein Markenzeichen waren sein entnervendes Lächeln und der Oberlippenbart. Extrem gut halten konnte er auch. Wahnsinn ! Diese Paraden. Der Ball verließ nicht die Hand von Wolfgang Lakenmacher. Rumänien gewann das Endspiel in Berlin 14:12 gegen die DDR. Lakenmacher spielte beim SC Magdeburg. Die großen Zeiten sollten kommen.

Es folgten auf Europapokalebene die großen innerdeutschen Duelle gegen Gummersbach. Den Begriff – innerdeutsch- gebrauchten wir damals nicht. Der SC Magdeburg hatte jetzt mit Wieland Schmidt einen Weltklassetorwart. Er hielt Bälle, die hatten die gegnerischen Spieler bereits im Netz gesehen. Unglaubliche Reflexe. Er strahlte eine innere Gelassenheit aus. Auch im Duell eins gegen eins. Es waren die Zeiten mit Günter Dreibrodt, Ingolf Wiegert, Hartmut Krüger, Ernst Gerlach. Der SC Magdeburg war europäische Spitzenklasse. 1978 und 1981 gewannen die Handballer den Europapokal der Landesmeister. Der Verein war eine Marke, obwohl es sowas in der DDR eigentlich nicht so richtig gab. Der Handballclub war immer Gespräch. Selbiges Phänomen kennt man von Bayern München im Fußball.

Nach der Wende versanken ganze namhafte Fußballvereine in der Versenkung. Die jetzigen 3 ostdeutschen Vereine in der 2. Bundesliga waren in der DDR sogenannte Fahrstuhlmannschaften. Aufstieg und Abstieg hatte eine alltägliche Kontinuität bekommen. Routine. Auch der einzige Fußballeuropapokal Sieger der DDR, der 1. FC Magdeburg, konnte den Absturz nicht bremsen. 1974 hatte der 1. FCM in Rotterdam den AC Mailand mit 2:0 geschlagen. An der Seitenlinie stand bei den Italienern ein junger Trainer. Giovanni Trappatoni. Die Elf von Heinz Krügel hatte den haushohen Favoriten im Finale des Europapokals der Pokalsieger verdient bezwungen. Jetzt wird Fußball in der Regionalliga gespielt.

Anders die Handballer. Der SC Magdeburg holte mit Stefan Kretzschmar den charismatischen Handballer mit Wiedererkennungseffekt. Ich habe noch seine Mutter spielen sehen. Sie war eine Weltklassehandballerin. Handball-Feinkost gab es bei den Duellen SC Leipzig gegen Spartak Kiew. Mit Stefan Kretzschmar holte der SC Magdeburg  Gladiators 2002 als erste deutsche Handballmannschaft die Champions-League. Handball in Magdeburg stand immer für Power, Leidenschaft, Tempo, Klasse.

 

Schwenk in die Neuzeit. Deutschland, 2009. Stefan Kretzschmar verlässt im Sommer den Verein und seinen Posten als Sportdirektor. In Magdeburg regt sich Unmut bei den Fans. Jetzt hat sich auf WordPress ein SCM Fanblog gebildet. Ausgangspunkt war unter anderen die Schließung des Forums auf der offiziellen SCM Homepage. Gut das es für solche Fälle in der heutigen Zeit Alternativen wie bei WordPress gibt. Es wird im neuen SCM Fanblog auch auf die gewünschte Transparenz für die Zuschauer  um die Hintergründe im Verein hingewiesen. Die Trainersuche gestaltet sich zur Zeit schwierig.

Ach so, Handball wird auch noch gespielt. Am Sonntag, den 22.11.2009, trifft der SC Magdeburg in eigener Halle auf die HBW Balingen-Weilstetten.

Nachdenkenswert #3

„Irgendwann ist Nike und Adidas klar geworden, dass es nicht besonders sexy ist, wenn ihre Turnschuhe bei Karstadt-Sport gestapelt werden. Nike hat 1990 als erstes Mode-Unternehmen angefangen, Flagship Stores zu entwickeln. Es ging darum, die Produkte mit Aura zu versehen und zum Beispiel Original-Schuhe oder -Tennisschläger berühmter Sportler wie Kunstwerke auszustellen. Was wir aus dem Völkerkundemuseum kennen, passiert nun mit unserer eigenen Konsumkultur: Alltagsgegenstände werden als Reliquien präsentiert, eine Ethnologie der Konsumgesellschaft – allerdings mit spezifischen kommerziellen Interessen. Was in der alten, fordistischen Industriegesellschaft zählte, also Funktion, technische Innovation, Gebrauchswert, Preis, wird abgelöst durch Aura und kulturellen Mehrwert. Lifestyle-Accessoires wie Nike-Sneakers brauchen diese Aufladung.“

Friedrich von Borries, Architekt und Design-Theoretiker,

im  vierseitigen Interview mit Peter Laudenbach im Wirtschaftsmagazin brand eins 10/09