Deutschland gegen Spanien oder ein Gespür für den Ball

Udo Lattek hatte Tränen in den Augen. Ein ganz bitterer Abend. Das Filetstück des spanischen Fußballs, der FC Barcelona, hatte gerade das Prunkstück der Bundesliga zerlegt. Die Anzeigetafel zeigte nach 90 Minuten ein desaströses 4:0 an. An der Seitenlinie ein ratloser Vereinstrainer-Novize Klinsmann. Mark van Bommel (Herzlichen Glückwunsch übrigens zum Einzug ins Finale) schüttelte den Kopf und sagte nach dem Spiel in Barcelona:

,,Wenn wir angegriffen haben, waren sie immer schon weg – wie sollten wir da in die Zweikämpfe kommen.“

Ein Jahr vorher im Sommer 2008 gab es ein Endspiel der Europameisterschaft in Wien. Die spanische Nationalmannschaft gewann „nur“ 1:0. Klingt nach einer knappen Niederlage der Löw Elf. Die Überlegenheit von Spanien war wesentlich höher. Ein wenig Flauschcontent im Rückblick, selbst auf die Gefahr hin Mehmet Scholl zu nerven (er mag die Musik nicht).

Spanien wechselte nach dem EM Sieg planmäßig den Coach. Der neue Trainer ist der renommierte Vicente del Bosque. Er führte den Europameister souverän durch die WM Qualifikation. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung verweist er auf die Frischzellenkur der deutschen Mannschaft seit 2008.

 «Deutschland hat seine Mannschaft seit Juni 2008 praktisch zu 50 Prozent erneuert, mit Spielern wie (Thomas) Müller, (Jérome) Boateng, der Torwart, Özil. Es ist eine neue Mannschaft. Die Nachwuchsarbeit hat Früchte getragen. Deutschland hatte, seit wir es kennen, immer diesen Wettbewerbsgeist, aber jetzt gab es noch einen wesentlichen Fortschritt.»

Sportme titelt Deutschland gegen Spanien: Wer macht uns den Müller im WM-Halbfinale? und verweist auf die Barcelona Achse der Spanier und die verloren gegangene Dominanz von 2008.

,,Gegen die kombinationsstarken Spanier wird vor allem in der Defensiv-Arbeit viel Konzentration gefordert sein. Jede Unaufmerksamkeit kann von den Männern um Xavi und Iniesta genutzt werden. Die Spanier sind im Gegensatz zum DFB-Team noch nahezu dieselben wie vor zwei Jahren. Die Barcelona-Achse Pique-Puyol-Xavi-Iniesta flößt mit Sicherheit jedem Gegner respekt ein. Doch im Gegensatz zu 2008 dominieren die Spanier nicht. Die Auftaktpartie wurde blamabel gegen die Schweiz verloren und auch in den restlichen Spielen erinnerte nur wenig an den alten Glanz. Vor allem Fernando Torres enttäuschte und muss nun um seinen Platz in der Starelf bangen.“

Der Kaisergrantler befindet: Der wahre Held der WM – Louis van Gaal und verweist auf die Vorarbeit des Bayern Coach für Übungsleiter Löw. Stichwort Müller, Schweinsteiger und Lahm. Er legt auch das nötige Selbstbewußtsein an den Tag:
,,Es wird mal wieder Zeit etwas bayerische Arroganz an den Tag zu legen. Ist ja kaum noch auszuhalten, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl. Kleiner Spaß. So eine WM kann für einen “verhassten” Bayern-Fan ganz angenehm sein. Ich bin aber auch froh, wenn es wieder in die alte Bayern-Sparte geht. Am liebsten als Weltmeister.“

DFB-Team will Feuerwerk gegen Spanien entfachen titelt Zeit Online und  druckt einen Artikel vom Sportinformationsdienst.

,,Die Störfeuer ignorieren, ein Feuerwerk entfachen, ins Endspiel einziehen: Die deutsche Nationalmannschaft will ungeachtet der von Philipp Lahm losgetretenen Diskussion um die Zukunft von Michael Ballack sportlich weiter für Schlagzeilen sorgen und auf ihrem Weg zum vierten Stern auch den vorletzten Schritt erfolgreich bewältigen. Der Machtkampf um die Kapitänsbinde und die Chefrolle in der DFB-Auswahl in der Zeit nach Südafrika soll deshalb im WM-Halbfinale heute (20.30 Uhr/ARD und Sky live) in Durban gegen Europameister Spanien kein Thema sein.“

Apropos Störfeuer und die unsägliche Diskussion um die Kapitänsbinde mit den Personalien Lahm/Ballack. 11 Freunde verweist im Artikel Der falsche Souffleur auf die Wortmeldung von Lothar Matthäus zum Thema:

,,Ausgerechnet Matthäus, der Marathon-Deutsche, der ewige Libero, der wahrscheinlich noch 2006 den Sommermärchenonkel gegeben hätte, wäre er nur gefragt worden, hat sich in der Debatte um die Zukunft Ballacks zu Wort gemeldet: Seine Zeit sei vorbei, er solle sich lieber auf Leverkusen konzentrieren. Auf einen ruhigen Lebensabend. Mit Blick auf den Rhein.“

Der Stern bemüht in einem Check Aberglauben, Fakten und Zahlen und nimmt sich auch der Kleiderordnung von Übungsleiter Löw an.

,,Jogi Löw wird wieder seinen Vier-Tore-Pulli tragen. Den 299 Euro teueren Kaschmirstrick hatte er beim 4:0 gegen Australien sowie beim 4:1 gegen England und beim 4:0 gegen Argentinien an. Damit das Oberteil seine volle Wirkung entfalten kann, zwingen Oliver Bierhoff, Hansi Flick und Andreas Köpke ihren Chef dazu, den Pullover nicht zu waschen.“

Schaun wir. Noch 10 Stunden und 30 Minuten bis zum Anpfiff. Dann zeigt sich wer das größere Gespür für die Kleidung, den Ball und den historischen Moment hat. 
 
Peter Blaumann von der Schaumburger Zeitung hat sich unters Volk gemischt und nach den Tipps gefragt. Thomas Zimmermann, Rentner aus Bad Eilsen beruft sich bei seiner Prognose auf eine Tennisqueen:
 „Ich halte es mit Steffi Graf. Die tippt auf einen 2:0-Sieg für Deutschland. Im Finale gegen Holland werden wir den Endspielsieg von 1974 wiederholen.“ 

Noch 10 Tage bis zur Fußball-WM in Südafrika

Noch 10 Tage bis zum Beginn der fußballerischen Leibesübungen in Südafrika. Wie sehen die deutschen Eliteblogger mit dem Herzblut Bayern München und fundierten Fußballsachverstand die Dinge? Ein kleiner Streifzug:

Auf Breitnigge gibt es die Sympathie für die Mannschaft mit den zwei Vizeweltmeistertiteln aus den Jahren 74 und 78. Die holländische Begründung ist für jeden Bayern München Fan eigentlich einleuchtend:

,,Ein bärenstarker Kapitän, ein Trainer, der uns nach Jahrzehnten endlich den Fußball gebracht hat, den wir zuvor immer nur bei anderen bewundern durften und ein Flügelflitzer, der in Deutschland und vielleicht auch in Europa auf der Liste der potentiellen Fußballer des Jahres weit oben stehen dürfte.“

Der Kaisergrantler sieht den Weltmeistertitel genauso weit weg wie ich.  Die unendliche Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen gibt es bei ihm in Kurzfassung:

,,Ist eigentlich irgendwas glatt gelaufen in der Vorbereitung zu dieser WM? Das Gerede um Löw´s Vertrag, das Theater mit Frings und Kuranyi, der Ausfall von Adler, der Ausfall von Ballack, der Ausfall von Träsch (inzwischen weiß ich auch wie der aussieht). Wurde schon mal eine Mannschaft Weltmeister, die so eine Vorbereitung hatte? Ich behaupte, nö! Schade, Deutschland.“

Fernglas FCB erinnert an die unsäglichen Werbefeldzüge in diversen bundesrepublikanischen Einkaufszonen und kann sich einer etwaigen Sympathie für Holland auch nicht entziehen:

,,Der nationale Taumel der 2006-er WM ist nicht reproduzierbar, obwohl sich die Werbewelt alle Mühe gibt, unsere Einkaufszentren in schwarz-rot-gold zu ersticken. Ist mir alles zuviel. Ich schaue mich schon nach einer Alternativ-Nation um, die ich supporten könnte. Leider sind die Schotten nicht dabei, wenngleich man nicht viel Freude an deren Rumpel-Fußball hätte. Wie wäre es mit der Niederlande? Immerhin ist mein Klub nun beinahe schon orange.“

Mingablog setzt sich kritisch mit der Vereinnahmung des Fußballs und der inszenierten Sommermärchen Geschichte auseinander:

Vor zwei Jahren waren „Vuvuzelas“ unbekannt, sie gehörten zur afrikanischen Tradition und es hat sich in Europa kein Schwein dafür interessiert. Jetzt sieht, und was noch viel schlimmer ist, hört man sie überall. Sie haben nichts mit unserer Fankultur zu tun. Sie haben nichts mit Bayern zu tun. Aber sie sind halt hip, weil Fußball hip ist. Hip seit 2006, als uns der größte Blender der Nation – der vor einem Jahr bei uns gezeigt hat wie „gut“ er wirklich ist – zu einem Sommermärchen verholfen hat das sich mehr und mehr als Albtraum entpuppt.“

Meine Liebste spricht in dem Zusammenhang des inszenierten WM-Fieber etc. auch gerne von Substratsättigung. Dazu kommt eine nicht gerade überbordende Begeisterung gegenüber Übungsleiter Löw. Ich habe meine erste WM als 11-Jähriger damals mit meinem Vater in der Max Schmeling Villa erlebt. Es war ein prägendes und emotionales Erlebnis. Manchmal hänge ich dieser Zeit etwas wehmütig nach.